Neuerscheinungen der Woche - Late Nite Sounds Neue Alben von Bon Iver, MC5, Porridge Radio und Kelly Lee Owens
Welche relevanten Platten erscheinen morgen, was sollte man sich davon nicht entgehen lassen und worauf kann man vielleicht auch besser verzichten. In unserem wöchentlichen Neuheiten-Check in den Late Night Sounds - diesmal im Fokus: Porridge Radio, MOMO, Bon Iver, Kylie Minogue, MC5, Bazzazian, Kelly Lee Owens, Ätna, Tank and The Bangas und High Vis.
MC5 – Heavy Lifting
Nur zwei Alben haben MC5 veröffentlicht, bevor sie sich erst mal wieder aufgelöst haben – und die haben gereicht, um ihnen Legendenstatus zu verpassen. Anfang der 70er Jahre sind die Alben rausgekommen und gelten als Startschuss für Punk und als Vorbilder, etwa für den Punk-Veteranen Iggy Pop. Nach über 50 Jahren kommt nun das neue Studioalbum "Heavy Lifting" – kein leichtes Unterfangen also - breitbeinig und mit einem Augenzwinkern. Dieses Album überlebt die Gründungsmitglieder der Detroiter Band MC5. Die letzten beiden Verbliebenen sind in diesem Jahr verstorben. Einer davon ist Gründer und Gitarrist Wayne Kramer, der fast alle Songs des Albums geschrieben hat. Außerdem hören wir Schlagzeuger Dennis "Maschine Gun" Thompson. Vor ihrem Ableben haben sie andere große Namen um sich versammelt, Gäste wie Slash (Guns'n'Roses), Tom Morello (Rage Against The Machine, Audioslave) und Vernon Reid (Living Colour). Ein bisschen tröstlich ist, dass Kramer und Thompson zumindest davon noch Teil waren, auch wenn sie nicht mehr miterleben können, wie das Album in die weite Welt entlassen wird. Und auch wenn kein zweites "Kick Out The Jams" dabei ist. (keine Wertung)
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Heavy Lifting
Kelly Lee Owens – Dreamstate
Diese Frau schreitet elegant Stufe für Stufe in den Olymp der elektronischen Musik: Die Walisische Kelly Lee Owens tourte zuletzt mit großen Depeche Mode. Sie arbeitet außerdem auf ihrem neuen Album mit dem angesagten Duo Bicep und einem der Chemical Brothers zusammen und behält trotz gewichtiger Kollaborationen alle Zügel in der Hand. Gelöst und euphorisch klingt "Dreamstate". Der Traumzustand, das Tagträumen, sei ihr schon immer wichtig gewesen, sagt Kelly Lee Owens. Auch hier zieht sich, wie durch alle Alben von Owens, der Versuch, über sich hinaus zu reichen, andere zu berühren – das Transzendentale. "Dreamstate" erreicht Techno-Gefilde, hat etwas von den 90ern und ist für größere Bühnen angelegt als ältere Veröffentlichungen. Und will dabei doch wieder sphärisch sein, mit eingängigen Melodien im Huckepack. "Dreamstate" will die Intimität und die Bühne, was aber nur teilweise gelingt. Oft verlieren sich die Songideen zugunsten des träumerisch-wattigen Sounds. Owens ist seit diesem Album als erstes Signing des neuen Sublabels dh2 unter Vertrag, unter der Federführung von George Daniel – Produzent und Bandmitglied von den 1975 und Partner von Charli "Brat Summer" XCX, mit der Owens auch zusammenarbeitet. (6 von 10 Punkten)
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Kelly Lee Owens - Love You Got (Official)
Tank and the Bangas - The Heart, The Mind, The Soul
Wir begeben uns in den Spoken-Word-Dunstkreis von Tank and the Bangas. Jazzig ist der Sound, voller Soul, rappend und singend bewegt sich die Band um Frontfrau und Texterin Tank. Gewitzt, mit Humor und popkulturellen Referenzen – Tarriona "Tank" Ball möchte Poesie als Ausdrucksform cool machen, sagt sie. Und das Album hört sich auch cool an – es hat das Gefühl einer Netflix-Dramedy: süffig, aber schlau, aufregender als das eigene Leben und doch gar nicht so weit weg von einem selbst. Tank denkt und dichtet um die Ecke und performt so leichtfüßig, als würde es direkt aus ihr heraussprudeln. In der Vergangenheit haben Tank and the Bangas mit dem legendären Schlagzeuger Questlove von The Roots zusammengearbeitet oder der laut-fröhlichen Rapperin Freedia. Und auch auf ihrem neuen Album sind einige Features. Mit dem renommierten Jazzpianisten Robert Glasper zum Beispiel (der letzte Woche ein neues Album rausgebracht hat). Tank klingt übrigens selbst wie Features – weil sie ihre Stimme moduliert, verschiedene Personen und Gedanken unterschiedlich darstellt. Ein bisschen Theater steckt also auch drin. Dabei lassen Tank und ihre Band zwei Ebenen verschmelzen: Was Tank denkt – was sehr analytisch ist – und wie sie sich dabei fühlt. Auch große Fragen und Antworten klingen nicht wie ein altkluger Essay, sondern wie ein persönliches Gespräch mit einer guten Freundin, die sogar den größten Hindernissen am Ende doch etwas Positives abgewinnen kann. (7 von 10 Punkten)
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Tank and the Bangas - Remember ft. Samara Joy and Robert Glasper (Official Lyric Video)
Ätna – Lucky Dancer
Das Duo aus Sachsen hat sich an der Musikhochschule Carl Maria von Weber kennengelernt und ist im Spagat zwischen Pop und Hochkultur – Ätna sind unter anderem mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks aufgetreten. Was schon eine sehr extravagante Backing-Band ist. "Lucky Dancer" schwelgt nicht so in Glückseligkeit, wie der Titel glauben macht. Das Album ist hochdramatisch und dringlich. Der Titeltrack ist in einer absurden Situation entstanden. Aus dem Musikstudio in Andalusien konnten Ätna Waldbrände beobachten und waren selbst in luxuriöser Sicherheit: Pool, Musikstudio, an Songs arbeitend. Diese kuriose Gleichzeitigkeit treibt das Duo um. Genauso wie der Kampf iranischer Frauen um Freiheit und der Eskapismus, den wir uns gönnen ("Hiatus") – wenn wir ihn uns gönnen können. Weil auf die neue furchtbare Schlagzeile dann eben doch der Matcha Latte folgt. Das Nebeneinander aus unser aller Alltag in der Trackreihenfolge widerzuspiegeln – ist Geschmackssache. Im November gehen sie auf Tour, unter anderem werden sie in Hamburg, München, Jena und Dresden spielen. (9 von 10 Punkten)
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ÄTNA - Major Love (Official Video)
High Vis – Guided Tour
Wenn auf einem Albumcover aus Großbritannien ein schwarzweißes Foto ist, mit Plattenbau drauf - am besten noch mit Kindern, die irgendwie zu rough aussehen für ihr Alter, dann kann man schon ahnen, wo es hingeht: Dann wird's rumpelig, dann werden soziale Missstände angeklagt und es wird laut. Das alles trifft auf das Album von High Vis zu – "Guided Tour" hält aber trotzdem ein paar Überraschungen parat. Dieses Album ist ein ziemlich wilder Ritt. Nicht nur, weil Frontman Graham Sayle uns mehr anschreit als ansingt, sondern auch, weil hier so viele Stile anklingen. Britpop, Postpunk, ein bisschen Hardcore und dann wird's sogar clubbig. Ich bin überrascht, wie gut das ineinander übergeht, ohne wie ein konstruiertes Experiment zu klingen und an Energie einzubüßen. Schlagzeuger Edward Harper fasst zusammen: Wenn die Band 60 Jahre alt ist, können sie vielleicht noch ein bisschen rumsitzen und am Sound feilen – jetzt gerade aber würde es doch darum gehen, Dinge fertig zu kriegen – "getting things done". Die High Vis sind breitschultrig. Gefühle, auch eigene Schuld, werden nicht besungen, sondern beschrien. Trauer kippt sofort in Wut. Ab und an hätte ich mir in den Gefühlen die Bandbreite gewünscht, die den Genres zugestanden wird. Aber was sie tun, tun sie wirklich sehr gut. Einen hervorragenden Live-Ruf haben High Vis auch. Im November sind sie unter anderem in Berlin, München und Hamburg. (8 von 10 Punkten)
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High Vis - "Mind's a Lie" (Official Audio)
Bazzazian – 100Angst
Wer einen Namen hat im Dunstkreis des Deutschrap, der hat entweder mit ihm zusammengearbeitet oder will es sicherlich mal – unterstelle ich zumindest. Der Kölner Produzent Bazzazian hat die düsteren Emotionen für den Deutschrap ausgeleuchtet, einen Grimme-Preis eingesackt, für den Soundtrack der deutschen HipHop-Serie "Skylines" und jetzt mit "100 Angst" ein erstes Soloalbum. Und dem Titel folgend denke man als Kulisse nicht an einen euphorischen Partyabend, sondern eher an Neonlichter, die sich auf nassem Asphalt spiegeln. Die Stimmung ist gedrückt. Als Produzent wagt man sich mit einem eigenen Album ja etwas aus der Deckung. Hier steht Bazzazian im Mittelpunkt, hier hat er alles selbst kuratiert - auch wenn viele Wegbegleiter dabei sind. Sehr viele. Die Gästeliste auf "100Angst" ist lang und kredibel: Reibeisenstimme Casper, KIZ-Mitglied Tarek, Haiyti, Miss Platnum, Trettmann, Newcomer Apsilon ist mehrmals drauf, genauso wie Sänger Schmyt oder Souly. Irgendwo versteckt sich Haftbefehl. Und das waren längst nicht alle. Sie sind bekannt dafür, auch den düsteren Momenten Platz einzuräumen – der titelgebenden Angst, natürlich, aber auch der Ohnmacht, Depressionen – und eigenen Verfehlungen. Und auch wenn man damit spielen kann: Machen sich hier alle etwas verletzlich. Als wären sie bei Bazzazian im Studio auf dem Beichtstuhl – oder in der Therapie. Wer diese Facette von Deutschrap auch nur im Mindesten interessant findet, kommt an diesem Album nicht vorbei. (7 von 10 Punkten)
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Bazzazian - Fleisch & Geld (feat. Brutalismus 3000) [Official Video]
Porridge Radio – Clouds In The Sky They Will Always Be There For Me
Sich unerbittlich selbst sezieren, das tut Dana Margolin von Porridge Radio so schmerzhaft wie wundervoll. Das neue Album fängt immer wieder das erschütternde Gefühl ein, nicht bei sich zu sein. Nach einer intensiven Beziehung musste Frontfrau und Texterin Dana Margolin sich neu finden - als Person und auch kreativ. Zum ersten Mal habe sie die Songs als Gedichte begonnen, hat Margolin gesagt. Mit diesem Ansatz hat sie sich selbst das Verarbeiten in der Kunst noch mehr erlaubt. Es klingt mühelos und gleichzeitig voller Energie, was für eine emotionale Achterbahnfahrt. Man bekommt das Gefühl, dass Margolin an einer Kurve stehen bleibt und darüber sinniert, während sie gleichzeitig auf der anderen Seite der Kurve immer wieder in den Abgrund guckt – das schafft diese Spannungsdynamik. "Clouds In The Sky They Will Always Be There For Me" zelebriert nicht nur die Widersprüchlichkeit von Emotionen, sondern auch die Ambivalenz des Aufeinandertreffens von Leben und Kunst – und die Zerbrechlichkeit von beidem. Das Ergebnis ist lyrisch so prägnant und gleichzeitig so zugänglich, dass es wie eine Art Zauber wirkt. Mich macht es ehrfürchtig und ich hoffe, dass Margolin es durch den Erfolg bald mehr auf die Bühnen der Welt schaffen kann. (9 von 10 Punkten)
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Porridge Radio - A Hole In The Ground (Official Video)
Kylie Minogue – Tension II
Die australische Disco Queen Kylie Minogue ist ein Stehaufmännchen des Pop. Kommt seit den 80ern immer wieder, so auch letztes Jahr mit dem Dance-Pop Album "Tension". Da wurde einhellig bewundert, wie Minogue mit der Zeit geht, aber nicht den Trends hinterher hechelt. Wie sie sich Platz macht, als 56-jährige Frau in der Musiklandschaft, die altern ja nicht allzu gern verzeiht – zumindest nicht Popstars vom Kaliber Kylie Minogue. Das Kunststück von "Tension" soll nun wohl wiederholt werden – mit dem Album "Tension II". SIA ist eines von vielen interessanten Features auf dem neuen Album von Kylie Minogue. Genauso wie die gehypte Produzentin The Blessed Madonna – die auch diese Woche ein Album rausbringt. Orville Peck ist auch dabei, der mysteriöse Cowboy mit queeren Texten. Dass alle in Scharen kommen, wenn Kylie ruft: Das halte ich für selbstverständlich. Und sicher hat das alles rasend viel Spaß gemacht, nur: Den Singles nach zu urteilen brauche ich das nicht. "Tension II" fühlt sich wirklich an wie ein Sequel. Zu sehr Hit-Parade und zu wenig mutig. Ich lasse ich gerne vom Gegenteil überzeugen und höre morgen sofort, wenn es erschienen ist, das ganze Album. Weil ich wie jeder Mensch mit Verstand und einem Herz für Pop viel auf Kylie Minogue halte. Ich bin gespannt. (keine Wertung)
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Taboo
Bon Iver – SABLE
Justin Vernon, besser bekannt als Bon Iver, hat eine neue EP. Das ist deswegen für Fans besonders aufregend, weil es die erste Neuveröffentlichung ist - seit fünf Jahren. Auch wenn es nur drei reguläre Songs sind – Bon Iver Fans nehmen diese EP mit Handkuss. Denn nach so einigen Features, etwa mit Popstar Taylor Swift und Rapper Travis Scott, geht der Indie-Folker Bon Iver nun gewissermaßen zurück in seine sehr reduzierte Phase: Vor allem Gitarre und Stimme stehen hier im Mittelpunkt und: die Düsterheit regiert. "Sable, " heißt die EP. Sable ist übersetzt die fast komplette Dunkelheit. Bon Iver besingt Verfehlungen, Zerwürfnisse, er legt nahezu Beichte ab. Auch wenn man dem Menschen Justin Vernon natürlich eher aufmunternde Worte zuflüstern möchte: Fans von Bon Iver und seinem Album "For Emma, Forever Ago" dürfte diese EP sehr glücklich machen. (7 von 10 Punkten)
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Bon Iver - S P E Y S I D E (Official Video)
MOMO. – Gira
Der Brasilianer MOMO. groovt und jazzt mittlerweile von London aus und ist nach wie vor trotz den smoothen Vibes nicht gefällig. Der Albumopener von über acht Minuten macht das schon klar. Auf seinem achten Album versteckt sich übrigens auch der liebenswerte Jazzer & Spoken Word-Hippie Alabaster DePlume. Von dem wir vom Zündfunk auf Bayern 2 große Fans sind. Das Album heißt "Gira", was übersetzt "sich bewegen" bedeutet. MOMO. hat bisher beim Songs schreiben mit den Melodien angefangen. Diesmal hat er die Songs vom Groove aufwärts konzipiert. Die nette Erklärung: Er wollte ein Album machen, zu dem seine kleine Tochter tanzen wollen würde. Weil es ihn so fasziniert hat, wie früh Kinder sich zu Musik bewegen – ohne dass sie wissen, was Tanzen überhaupt ist. Ich schwinge mit. (6 von 10 Punkten)
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MOMO. - Gira - {Full Album} - Batov Records
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