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Das Thema Die Vorgeschichte der Unfreiheit

Stand: 25.04.2012 | Archiv

Die zweite traumatische Krisenerfahrung und damit auch die zweite wesentliche Ausbauphase der Mose-Erzählung fällt in die Zeit des Babylonischen Exils im 6. Jahrhundert vor Christus.

Die Vorgeschichte der babylonischen Fron

Das Drama bahnt sich an, als die Chaldäer das assyrische Großreich zwischen 625 und 608 zerschlagen. 604 v. Chr. besteigt Nebukadnezar II. den neubabylonischen Königsthron und ist damit auch Oberherr des Vasallenstaats Juda. Als er um 600 eine Niederlage in Ägypten erleidet, wähnt sich Juda stark genug, den Tribut zu verweigern. Die katastrophale Fehleinschätzung der tatsächlichen Kräfteverhältnisse leitet den Untergang ein. 597 erobert Nebukadnezar Jerusalem, die judäische Königsfamilie, der Adel, Soldaten und Bauern, alles in allem je nach Quelle zwischen 3000 und 10.000 Personen, werden nach Babylon deportiert. Juda muss Gebiete abtreten bleibt aber als eigenständiges, wenn auch territorial geschrumpftes Königtum für weitere zehn Jahre erhalten.

Der Fall des Tempels

Der Knoten schürzt sich. als der von Babylon eingesetzte König Zedekia im Jahr 589 erneut einen Aufstand entfacht. Nebukadnezar Truppen marschieren in Juda ein und schleifen nach achtzehnmonatiger Belagerung Jerusalem. Das Strafgericht Nebukadnezars ist gnadenlos: Er lässt die Stadt plündern, den Königspalast, die Befestigungsanlagen und die Mauern niederreißen. Der Tempel geht in Flammen auf, der Tempelschatz wird beschlagnahmt, Zedekias geblendet und in Ketten nach Babylon geführt. Zugleich mit ihm treten die gesamte aristokratische, militärische und priesterlich Führungselite sowie zahlreiche bäuerliche Landbesitzer Bauern den Weg in die Verbannung an. Um die Machtverhältnisse zu stabilisieren, siedelt Nebukadnezar unterworfene Volksgruppen in Juda an und lässt den verwaisten Landbesitz neu verteilen.

Abschottung in der Diaspora

Die nach Babylonien deportieren Judäer werden in geschlossenen Wohngebieten angesiedelt, so können sie ihre kulturelle und religiöse Eigenständigkeit weitgehend bewahren. Durch den Verlust des Landes, des Tempels und der Eigenständig verlieren jedoch viele der Deportierten das Vertrauen in die Verheißungen Jahwes und den Bestand des Bundes, die Heilsgewissheit schwindet. Die Priester und Propheten versuchen, die schleichende Aushöhlung der Identität durch den Rückgriff auf die Lehren der Geschichte abzufangen. Als Gegenreaktion auf den massiven Assimilationsdruck des Babylonischen Exils bilden sich wesentliche Elemente des Judentums heraus. Der stärker denn je betonte gemeinsame Glaube mit all seinen kultischen Vorschriften (Beschneidung, Speise- und Reinheitsvorschriften, Sabbatruhe) zieht eine klare Grenze und wird zum prägenden Moment der Selbsterfahrung. Im Zentrum dieser Identitätsversicherung steht das durch Mose vermittelte Gesetz.

König Kyros beendet das Exil

Im Jahr 539 v. Chr. erobert Kyros II. Babylon und etabliert das neu entstandene Perserreich als tonangebende Großmacht im ehemals assyrischen Einflussgebiet. Damit sind die israelitischen Gebiete der persischen Provinz (Satrapie) Syrien eingegliedert und der Veraltung persischer Statthalter unterworfen.

538 erlässt Kyros ein Edikt, das den Deportierten die Rückkehr in ihre Heimat und die uneingeschränkte Ausübung ihres Glaubens freistellt. Gleichzeitig ordnet er den Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels an. Die dafür nötigen Mittel trägt die königliche Kasse, zur Ausstattung sollen die von Nebukadnezar nach Babylon gebrachten Tempelgeräte nach Jerusalem geschafft werden.

Rückkehr nach Jerusalem

Ab 537 brechen die ersten Exilanten auf, doch erst um 520 scheint der Rückführungsprozess so weit abgeschlossen zu sein, dass der Neubau des Tempels beginnen und 515 mit der Weihe vollendet werden kann. Er besteht mehr als 500 Jahre lang bis zur Neuerrichtung des Tempels durch Herodes den Großen als zentrales Heiligtum der Juden in aller Welt.

Ein Volk ohne König

Mit der Rückkehr aus dem Exil und der Errichtung des 2. Tempels gelangt das Amt des Hohenpriesters zu neuen Würden. Während der Monarchie war es dem König als Herrn des Tempels vorbehalten gewesen, den Hohenpriester ein- oder abzusetzen. Da die Perser das jüdische Königtum nicht erneuern, übernimmt der Hohepriester die Funktion eines geistigen und zunehmend auch politischen Führers der jüdischen Gemeinschaft. Er ist das Haupt der Priesterschaft, Herr des Tempels und des Kultes und vertritt das Volk vor Jahwe. Die Legitimationsgrundlage liefert das neu konzipierte Exodusgeschehen mit dem Kristallisationskern Mose.


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