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Das Thema Mose - Werkzeug Gottes?

Stand: 25.04.2012 | Archiv

Bereits im 7. Jahrhundert vor Christus hatte die assyrische Oberherrschaft über Juda einen ersten Schub des Ausbaus der Mose-Geschichte eingeleitet und dabei eine entscheidende Frage ins Zentrum gerückt:

Mose und die Königsfrage

Wer ist Herr der Geschichte? Ist es der siegreiche König, oder ist es Jahwe, der Gott des Bundes? Wer von beiden ist mächtiger, wer von beiden verdient Gehorsam?

Neuauflage eines Grundproblems

Angesichts der Katastrophe des 6. Jahrhunderts wird die Debatte erneut virulent. Die Ausweitung der exilischen Exoduserzählung fällt ein klares Urteil, indem sie die Gestalt des Mose nochmals überhöht und schärfer zum Gegenbild des königlichen Herrschers stilisiert. In dieser Lesart scheint hinter dem Pharao der Unterdrückung der babylonische König als eigentliches Angriffsziel auf.

Werkzeug Gottes, nicht Herrscher

Die babylonische Tradition begreift den starken König als alleinige Quelle allen Rechts und einzigen Garant des nationalen Zusammenhalts. Die Mose-Geschichte steht für ein völlig anderes Konzept: Nicht der König, sondern Jahwe ist die einzige Rechtsquelle des Volkes und der mit ihm geschlossene Bund die alleinige Grundlage der Existenz Israels. Mose ist kein Herrscher und keiner, der aus sich heraus Recht setzen könnte, sondern der Offenbarungsmittler und Verkünder des Gottesgesetzes. Und anders als der babylonische König ist er weder ein Stellvertreter des Reichsgottes, noch hat er dessen priesterliche Befugnisse. Er tritt als Mensch vollkommen hinter die alleinige Majestät Gottes und die Autorität der Tora zurück. Gott ist der alleiniger Urheber des Gesetzes, Mose lediglich das Werkzeug der Vermittlung.

Mose der Anti-König

Wer ist stärker: Gott oder der König? Das wahre Kräfteverhältnis tritt sowohl in der Plagengeschichte wie auch im Schilfmeerwunder deutlich zu Tage. Die Könige sind machtlos vor Gott und Jahwe alleiniger Herr der Geschichte. Er alleine führt sein Volk aus Ägypten, er alleine schlägt den Pharao. Mose ist nur das Instrument dieser Machtdemonstration. Er siegt, weil Gott am Schilfmeer eingreift, er siegt, weil er den Willen Jahwes und seine Gebote erfüllt.

Ideen sind stärker als Waffen

Eine Tora in einer Synagoge

In den Bearbeitungen durch die Priester des 6. und 7. Jahrhunderts wächst Mose schrittweise vom unbedeutenden Anführer einer kleinen Schar flüchtender Bausklaven zur großen Gegenfigur der altorientalische Könige Ägyptens, Assyriens, Babyloniens und Persiens heran. Er wird zum Auserwählten und Beauftragten Gottes, der seinem Volk den Weg weist: Historisch-konkret durch den Auszug aus Ägypten und das Abstreifen der Fremdherrschaft, theologisch-spirituell durch die Tora und ihre Auslegung. Mit seinem Tod ist die Zeit der Offenbarung abgeschlossen und die Zeit der Toradeutung angebrochen. Damit ist Israel endgültig zum Volk des Buches geworden.


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