Brezel Göring über seine verstorbene Gefährtin "Françoise ist zu sehr Underground, als dass der Kudamm für sie umbenannt wird"
Zum (wahrscheinlich) 60. der Künstlerin Françoise Cactus ist ihre Textsammlung "Oh Oh Mythomanie" posthum erschienen. Ihr Partner Brezel Göring hat uns von den Anfängen von Stereo Total erzählt und warum sie für ihn (fast) eine Künstlerin ohne Werk ist.
Françoise Cactus habe ihr Leben lang über ihr Geburtsdatum gelogen. Deshalb hätte Brezel Göring, ihr langjähriger Lebensgefährte und Bandkollege von Stereo Total, eigentlich gern noch ein Jahr mit der posthum veröffentlichten Anthologie "Oh Oh Mythomanie. Erlebtes, Erinnertes & Erlogenes" gewartet.
Nun wurde die Textsammlung doch pünktlich zu ihrem 60. Geburtstag bei einer Feier im Kreuzberger SO36 veröffentlicht. Mit dafür extra hergestellten Stempeln mit ihrer Unterschrift, damit sich jeder seine Buch signieren lassen konnte. "Wir haben nichts unversucht gelassen, nur wir konnten sie nicht wieder herbeizaubern," sagt Brezel Göring. Dafür hat er uns aber noch ein paar Anekdoten über die französische Autorin, Sängerin und Zeichnerin erzählt, die vor drei Jahren verstorben ist. Ein Protokoll:
Wie sich Brezel und Françoise kennen gelernt haben
Die Version, die mir noch erinnerlich ist, ist dass wir uns wirklich auf der Straße kennengelernt haben, vor einer Bäckerei. Wir wohnten in derselben Straße und das war so ein Treffpunkt, wo alle immer gefrühstückt haben. Und da haben wir uns angesprochen. Und es war nicht mal der Akzent, sondern es war das Gesamtpaket: Sie war eine sehr fröhliche lustige Erscheinung. Und wir haben sehr viele Nächte miteinander verbracht, wo wir Musik gehört haben.
Mit ZZ Top in New Orleans
Und nachdem wir uns kennengelernt haben, sind wir zusammen nach New Orleans gefahren und haben da ne Zeit lang verbracht. Dort konnten wir bei Alex Chilton im Gartenhaus wohnen. Und dann kann ich mich erinnern, dass wir da in einer Kneipe in New Orleans einfach immer schon aufgetreten sind. An einem Abend gab es einen Typ, der Françoise Komplimente gemacht für ihr Schlagzeugspiel. Er hat dabei gesagt, er sei der Schlagzeugspieler von ZZ Top. Aber sie hat zu ihm nur gesagt: "Ach ich glaub dir kein Wort, du hast keinen langen Bart". Dann hat sich aber später rausgestellt, dass er es wirklich war. Weil sie Leute angesprochen haben: "Was hat dich denn der Schlagzeuger von ZZ Top gefragt?"
Brezel geht bestimmt fremd!
Eine Geschichte, wo ich gleichzeitig geweint und gelacht habe, war als sie mich irgendwann mal verdächtigt hat, ich hätte eine Affäre mit ihrer Freundin gehabt. "Nee, wie kommst du auf die Idee, das doch vollkommener Unsinn", hab ich gesagt. Sie wüsste das, und wenn es noch nicht passiert sei, dann würde es eines Tages passieren. Ist aber nie passiert und irgendwann – Jahre später – habe ich sie darauf angesprochen. Da hat sie nur gesagt: "Na ja, man kann sich ja mal irren".
Was der Fame alles für Risiken birgt
Wir waren auch mal als Vorband von den Strokes auf Tour. Leider wussten das auch die Einbrecher, denn währenddessen wurde unsere Wohnung in Berlin ausgeräumt. Manchmal ist Promo auch nicht gut und vielleicht waren wir mit The Strokes ein Stockwerk zu hoch. Das war dann zu viel Publicity.
Wird es irgendwann eine Françoise-Cactus-Straße geben?
Für mich ist Françoise Cactus immer die Künstlerin ohne Werk. Ich weiß, dass sie so viele Fähigkeiten und so viele Ideen hatte, dass das, was sie uns hinterlassen hat, nur ein geringer Bruchteil dessen war, was möglich gewesen wäre. Insofern glaube ich, dass sie uns einfach ihr federleichtes Wesen hinterlassen hat, das so traumwandlerisch durch die Welt gelaufen ist und wahnsinnig viel gute Laune verbreitet hat und uns verlässlich ein Lächeln auf die Lippen gezaubert hat. Deswegen glaub ich auch, dass sie so hier in Erinnerung geblieben ist. Und ich weiß nicht, ob es ne Straße geben wird. Sie ist in gewisser Hinsicht auch zu sehr Underground, als dass jetzt der Kudamm umbenannt wird, aber trotzdem. Zum Beispiel bei Ihrem Grab sind immer Geschenke drauf, Blumen, es gibt schon irgendwie so 'n Bedürfnis, sich ihr zu nähern und das ist kein Trauriges.