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Ventil Verlag und Tapete Records Kann dieses Kooperationskonzept kleine Verlage retten?

Kleine, unabhängige Verlage machen in Deutschland immer öfter dicht. Die Vielfalt schwindet. Der Ventil Verlag hat zusammen mit dem Musiklabel Tapete Records ein erfolgreiches Geschäftsmodell gefunden. Kann das auch andere Verlage retten?

Von: Moritz Jelting

Stand: 15.10.2024

Eine Schreibmaschine mit Klaviertasten und dem Wort "Ventil" darauf | Bild: Ventil Verlag

Seit 2021 macht der Ventil Verlag gemeinsame Sache mit dem Label Tapete Records und Jonas Engelmann selbst hat dazu beigetragen, dass die gemeinsame Arbeit Früchte trägt: "Die Idee war, dass wir als Buchverlag einerseits davon profitieren würden, wenn ein Label das noch mal ganz andere Kontakte hat zu Musikjournalistinnen, Musikjournalisten, dass wir einfach auch da eine größere Aufmerksamkeit für unsere Popkulturbücher generieren können und gleichzeitig auch ein Fuß in den ganzen Schallplattenhandel bekommen."

Jonas Engelmann vom Ventil Verlag

Für das Buch "Der Text ist meine Party" über die Hamburger Schule von Autor und Verleger Jonas Engelmann kam bei Tapete Records eine Compilation heraus und beides hat sich gut verkauft. Es ist aber keine Fusion, die hier zwischen dem Ventil Verlag und Tapete Records von statten ging. Man leitet Kunden und Kundinnen weiter, übernimmt Pressearbeit und verschafft sich Zugang zu den jeweiligen Welten – und das mit Erfolg! Erst kürzlich wurde eine Reihe mit Songtexten von deutschsprachigen Künstler*innen etabliert und eine Comicreihe, bei der bestimmte Songs von einzelnen Comiczeichner*innen portraitiert werden kommt ebenfalls gut an.

Branche in der Krise

Zwei Seiten haben ein eigenes Problem erkannt und gemeinsam daran gearbeitet, es zu lösen. Klingt nach einer erfolgreichen Geschichte. Oder ist das nur ein Aufbäumen in einer Branche, die gerade mächtig in der Krise steckt?

Karin Timme war Verlegerin beim Wissenschaftsverlag Frank & Timme und ist heute Sprecherin bei der Interessensgruppe unabhängige Verlage. Sie sagt: "Wenn das programmatisch, thematisch und auch vom Vertrieblichen, vom Wirtschaftlichen, vom Menschlichen her passt, dann ist das sinnvoll. Es kann gute wirtschaftliche Konsequenzen haben. Aber es wird insgesamt die Verlagssituation der unabhängigen Verlage nicht im Wesen ändern und verbessern." Dass es zu solchen kreativen Lösungen kommen muss wie beim Ventil Verlag, kann man laut Timme auch als Indikator sehen, dafür, wie schlecht es der Branche geht. "Weil das immer nur Tropfen auf den heißen Stein ist und nicht eine grundsätzliche Hilfe für die Verlage. Ich glaube, der springende Punkt ist, dass man sich entscheiden muss, möchte man ein vielfältiges Verlagsumfeld und möchte man und will man akzeptieren, dass Buchpublikationen sowohl Wirtschafts- als auch eben Kultur- und Bildungsgut sind. Dann heißt es, wenn man sagt, ja, wir wollen. Wollen eine reiche Verlagslandschaft? Wir akzeptieren, dass das auch eine Investition in Bildung und Kultur ist, dann heißt es, dass Verlage strukturell, das heißt langfristig, gefördert werden müssen und gesichert gefördert werden müssen."

Lage der kleinen Verlage ist dramatisch

Es müsste also politisch etwas vorangetrieben werden – wenn man denn politisch auch eine vielseitige Verlagslandschaft will. Die Lage der kleinen unabhängigen Verlage ist dramatisch, das belegen auch die Zahlen. Die Anzahl der im Börsenverein des deutschen Buchhandels gemeldeten Verlage war vor zehn Jahren noch bei etwas über 1.800, jetzt sind sie bei gerade mal 1.400. Das wirkt sich dann auch auf die Neuerscheinungen aus. Noch vor wenigen Jahren gab es über 90.000 Neuerscheinungen im Jahr. Heute sind es um die 60.000. Kurzum, es gibt heute sehr viel weniger Vielfalt in der Buch-Welt. In anderen Ländern wie der Schweiz und Österreich gibt es bereits langfristige Förderungen. Laut Karin Timme können Kooperationen wie vom Ventil Verlag nur ein Anfang sein: "Wer versucht nur noch, sozusagen für sich selbst zu arbeiten. Der hat aus meiner Sicht verloren. Ja, man kann auch über ganz andere Dinge nachdenken, wir zum Beispiel als Wissenschaftsverlag kooperieren vertrieblich mit anderen Wissenschaftsverlagen, auch mit großen, also es darf einfach überhaupt keine Scheuklappen geben bei dem, was beim wirtschaftlichen Handeln der Verlage nutzbringend sein kann."

Dass die Zusammenarbeit bei Ventil und Tapete nur die Symptome bekämpft, dass ist auch Jonas Engelmann klar: "Also wir hoffen, dass es eine Bewältigungsstrategie ist und glaube, dass die meisten Verlage schon schauen müssen, welche anderen Möglichkeiten es gibt, diese Krise zu durchstehen. Und ich glaube, dass einfach so stur weitermachen, wird nicht funktionieren. Leider. Sonst wird es wahrscheinlich in zehn Jahren wesentlich weniger kleine, unabhängige Verlage geben."