Chronische Wunden Mit Kaltplasma die Wundheilung fördern
Etwa drei bis vier Millionen Deutsche leiden an einer schlecht heilenden Wunde, die auch nach Monaten noch nässt, schwillt, Beläge bildet und die sich nicht mehr schließt. Besonders betroffen: Patienten mit diabetischem Fußsyndrom oder Raucherbein. Ein neues Hightech-Verfahren, bei dem kaltes Plasma zur Anwendung kommt, wird zu Zeit getestet. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend.
Chronische Wunden sind eine erhebliche Belastung für die Betroffenen. Sie haben Schmerzen, sind in ihrer Bewegung eingeschränkt. Schwimmen oder der Besuch der Sauna bleiben ihnen versagt. Hinzu kommt, dass offene Wunden mitunter starke Missgerüche mit sich bringen und Patienten sich aus Scham sozial zurückziehen.
Die Versorgung solcher Wunden zieht einen erheblichen Pflegeaufwand nach sich. Als chronisch gilt eine Wunde dann, wenn sie binnen acht Wochen nicht vollständig verheilt ist.
Ursachen für chronische Wunden
"Wundheilungsstörungen werden häufig durch Durchblutungsstörungen ausgelöst, und die nehmen mit zunehmendem Lebensalter zu. Wir haben eine alternde Bevölkerung, sodass auch Wundheilungsstörungen zunehmen."
Prof. Dr. med. Markus Stücker, Leitender Arzt am Venenzentrum der Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum
Weitere Ursachen für die Entwicklung chronischer Wunden sind unter anderem:
- Übergewicht
- Venöse Insuffizienz
- Diabetes Mellitus Typ 2
- Thrombosen
- Bewegungseinschränkungen
- Starker Tabakkonsum
- Polyneuropathien
- Arterielle Durchblutungsstörung
Die Kaltplasmatherapie ist eine zukunftsweisende Technologie, die die Wundheilung revolutionieren könnte.
POWER Studie
Unter der Leitung des Universitätsklinikums Bochum läuft derzeit eine multizentrische Studie, in der ein Kaltplasmasystem zur Behandlung von chronischen Wunden getestet wird.
Die Studienteilnehmer wurden in zwei Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe wird mit der Standardversorgung nach Leitlinie behandelt, die andere zusätzlich mit der Kaltplasmatherapie. Die Standardversorgung besteht im Wesentlichen in der antiseptischen Reinigung der Wunde. Nekrotisches Gewebe, sofern vorhanden, wird chirurgisch entfernt. Anschließend wird ein Wundverband angelegt, der täglich erneuert werden muss. Die Teilnehmer der Kaltplasmagruppe werden zusätzlich zur Standardtherapie über einen Zeitraum von vier Wochen dreimal pro Woche mit der Kaltplasmatherapie behandelt. Die Therapie dauert jeweils zwei Minuten.
Prof. Stücker und Dr. Abu Rached leiten die Studie und sind Autoren einer ersten Publikation. Zur Ergebnisgenerierung wurden die Wunden der Studienteilnehmer in einem Abstand von vier Wochen, drei und sechs Monaten kontrolliert und beurteilt.
Bisherige Ergebnisse der Studie
"Unsere ersten Auswertungen haben eine deutlich verbesserte Wundheilung gezeigt. Wir haben sowohl die Größe der Wunden als auch die bakterielle Besiedelung bewertet sowie die Schmerzwahrnehmung eingestuft. Bei 16 Prozent der Teilnehmer aus der Plasmagruppe haben sich die Wunden vollständig oder fast vollständig geschlossen - also zu 90 Prozent. Und zwar schon nach vier Wochen. In der Kontrollgruppe traf das auf keinen einzigen Teilnehmer zu. Bei 28 Prozent der Teilnehmer der Plasmagruppe haben sich die Wunden um mindestens 60 Prozent verkleinert. In der Kontrollgruppe wurde auch diese Verbesserung bei keinem einzigen Patienten festgestellt. Bei 40 Prozent der Plasmagruppe haben sich die Wunden um mindestens 40 Prozent verkleinert. In der Kontrollgruppe, die nach Standardtherapie behandelt wurde, traf das auf 18 Prozent zu."
Dr. med. Abu Rached, Facharzt für Dermatologie, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, St. Josef Hospital, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum
Weniger Antibiotika dank Kaltplasmatherapie
Ein weiterer Vorteil der Kaltplasmatherapie, der aus der Studie ersichtlich wurde, ist der deutlich geringere Einsatz von Antibiotika. Grund hierfür ist laut Prof. Stücker die geringere Infektionshäufigkeit.
"Durch die verbesserte Wundheilung infolge der Plasmatherapie kommt es seltener zu Wundinfektionen. Daraus resultierend müssen wir weniger Antibiotika einsetzen. Weniger Antibiotikaeinsatz heißt, weniger multiresistente Keime, was insbesondere für Patienten mit Durchblutungsstörungen wichtig ist. Denn sie sind besonders anfällig für Infektionen mit multiresistenten Keimen."
Prof. Dr. med. Markus Stücker, Leitender Arzt am Venenzentrum der Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum
Noch gibt es keine Kassenzulassung für die Kaltplasmatherapie. Aber die Ergebnisse stimmen zuversichtlich. Die Methode könnte das Leid der Betroffenen beenden oder zumindest deutlich reduzieren, Ärzte und Pflegepersonal entlasten und langfristig auch Kosten sparen.