Allgemeinmedizin Warum gehen Männer so ungern zum Arzt?
"Wenn ich beim Check-up Männer frage, warum sie gekommen sind, brummen zwei von dreien, dass sie von ihrer Frau geschickt wurden", berichtet Allgemeinarzt Dr. Klaus Tiedemann aus seinem Praxisalltag. Aber warum ist das so? Was steckt dahinter? Dr. Klaus Tiedemann geht dieser Frage auf den Grund. Er erklärt, warum es wichtig ist, bei Beschwerden sowie zur Vorsorge zum Arzt zu gehen und gibt Tipps, wie sich Männer motivieren können.
Sowohl Studien als auch die Erfahrung von Allgemeinarzt Dr. Klaus Tiedemann zeigen, dass Männer seltener eine Arztpraxis aufsuchen als Frauen, sei es für Vorsorgeuntersuchungen oder wenn sie Beschwerden haben. Frauen nutzen in etwa doppelt so viele Vorsorgeuntersuchungen wie Männer.
Das Beispiel Koloskopie als Darmkrebsvorsorge zeigt die Folgen: Seit der Einführung vor zwölf Jahren ist die Darmkrebssterblichkeit bei Frauen um 39 Prozent gesunken, bei Männern lediglich um 29 Prozent.
Warum machen viele Männer einen großen Bogen um eine Arztpraxis?
"Ich habe einige männliche Patienten befragt, warum sie nicht zum Arzt gehen. Die häufigste Antwort: 'Ja, wenn nix wehtut ..."
Dr. Klaus Tiedemann
- Viele Männer gehen also nicht zu Vorsorgeuntersuchungen, weil sie keine Symptome haben.
- Ein weiterer Grund ist, dass sie Angst vor schlechten Nachrichten haben und wenn sie nicht zum Arzt gehen, kann er ihnen keine schlechte Nachricht übermitteln.
- Zudem haben viele Angst, dass die Untersuchung schmerzhaft sein könnte.
- Auch Scham spielt eine Rolle, beispielsweise wenn Männer an vermeintlich "heiklen" Problemen wie etwa Hämorrhoiden oder Erektionsstörungen leiden.
Wichtig: Bei Erektionsstörungen unbedingt einen Arzt aufsuchen
Erektionsstörungen können ein Hinweis auf schwerwiegende Erkrankungen wie etwa Diabetes oder Herz-Kreislauf-Probleme sein.
Deshalb sollten (auch) Männer Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen
Durch Vorsorgeuntersuchungen sollen Krankheiten im Frühstadium erkannt werden, um die Heilungschancen zu verbessen. Wenn Männer nicht zu Vorsorgeuntersuchungen gehen, weil "ihnen nix wehtut", sie also keine Symptome haben, führt das dazu, dass Krankheiten nicht frühzeitig bemerkt werden und deshalb häufig schwerwiegender oder sogar tödlich verlaufen. Viele lebensbedrohlichen Krankheiten, seien es Krebs, Diabetes oder Herzkreislauferkrankungen, verursachen lange Zeit keine Beschwerden.
Vor allem Männer zwischen 40 und 60 Jahren sind weitaus häufiger von Herzkreislauferkrankungen betroffen als Frauen in der gleichen Altersgruppe. Sie erleiden bis zu fünfmal häufiger einen plötzlichen Herztod.
Das sind die wichtigsten Vorsorgeuntersuchungen für Männer
- Check-up-35: Wird für Patienten ab 35 alle drei Jahre bezahlt. Beim Check-up werden unter anderem der Urin, das Blut, das Herz, die Lunge, der Bauch, der Bewegungsapparat, das Nervensystem und die Sinnesorgane untersucht. Damit können diverse Krankheiten wie Herzkreislauf- oder Stoffwechsel-Erkrankungen frühzeitig erkannt werden.
- Prostata: Für Männer ab 45 werden jedes Jahr die Kosten für die Tastuntersuchung der Prostata übernommen, um bösartige Veränderungen frühzeitig zu erkennen.
Alternative zur Tastuntersuchung der Prostata
Wer die Tastuntersuchung der Prostata scheut, kann stattdessen eine Ultraschalluntersuchung machen lassen und den PSA-Wert im Blut bestimmen lassen. Das ist allerdings eine Privatleistung und kostet etwa 65 Euro.
- Hautkrebs: Hautkrebsfrüherkennung wird ab 35 von den gesetzlichen Krankenkassen alle zwei Jahre bezahlt, um Hautkrebs möglichst früh zu erkennen.
- Darmkrebsvorsorge: Für Männer ab 50 (und Frauen ab 55) werden von den gesetzlichen Krankenkassen alle zehn Jahre die Kosten für eine Darmspiegelung übernommen, um Darmkrebs frühzeitig zu erkennen. Zudem ist ein jährlicher immunologischer Stuhltest Kassenleistung.
- Vorsorgeuntersuchung der Bauchschlagader: Für Männer ab 65 übernehmen die Krankenkassen einmalig die Kosten für die Untersuchung der Bauchschlagader, um eine krankhafte Erweiterung der Bauchschlagader frühzeitig zu erkennen.
Das sagt Dr. Klaus Tiedemann zu seinen vorsorgeunwilligen männlichen Patienten:
- "Autos kommen jährlich zum Kundendienst und halten etwa zwölf Jahre. Der Körper soll 85 Jahre halten und das ohne Kundendienst?"
- "Wenn Sie ‚scheckheftgepflegt' sind, erhöht das den Wiederverkaufswert! Zumindest beim Auto ..."
- "Das Blöde am früh sterben ist: das geht von Ihrer Rentenfreizeit weg, nicht von der Lebensarbeitszeit."
- "Es ist schön, dass Ihre Frau Sie zum Check-up schickt. Das heißt, sie ist an Ihrer Gesundheit interessiert. Stellen Sie sich vor, Ihrer Frau wäre es egal, wie es Ihnen geht!"
Fazit
"Studien haben gezeigt, dass sich der Unterschied in der Lebenserwartung von Frauen und Männern deutlich verringert, wenn die Männer so regelmäßig zur Vorsorge gehen wie die Frauen."
Dr. Klaus Tiedemann