Studieren in Ungarn Von „Ruinenbars“ und Palästen oder: In Budapest für die Doktorarbeit forschen
Attila Magyar arbeitet am Historischen Seminar der Leibniz Universität Hannover und war für seine Doktorarbeit in Budapest. Hier lest ihr über Kaffeehauskultur, Ruinenbars und einzigartige Bibliotheken, die Attila entdeckt hat:
Eine Wohnung finden in Budapest
Wichtiger Schritt bei der Vorbereitung eines Aufenthalts in Budapest ist die rechtzeitige Wohnungssuche. Der Mietwohnungsmarkt in Budapest ist leider in den letzten Jahren ziemlich angespannt geworden, besonders zum Anfang der Vorlesungszeit (in Ungarn der 1. September) ist es nicht ganz leicht, eine passende und vergleichsweise günstige Wohnung zu finden. Die meisten Budapester wohnen in Eigentumswohnungen, auf den Wohnungsportalen kann man also meistens nur Angebote von Privatpersonen finden, die ihre Wohnungen (für die lokalen Verhältnisse leider oft zu überhöhten Preisen) vermieten. Mit etwas Mühe und Glück kann man aber meistens noch eine gut gelegene und bezahlbare Wohnung auch in der Innenstadt finden. WG-Zimmer sind in Budapest eher rar, Studierende können sich auch um Wohnheimplätze bewerben.
An das solltet ihr vor der Reise nach Ungarn denken
"Damit ihr kostengünstig euren Zahlungsverkehr abwickeln könnt: Besorgt euch unbedingt noch vor der Abreise eine Kreditkarte, mit der ihr auch im Ausland und in anderen Währungen Geld günstig abheben könnt. Ungarischen Banken erheben für fast alle Transaktionen und Geldabhebungen eine Provision."
Attila Magyar
Ausblick über die Donau und über Budapest: Im weißen Neobarock-Donaupalast am Flussufer finden spannende Kulturveranstaltungen statt.
In Budapest kann man zwar fast überall mit Kreditkarte bezahlen, Bargeld ist jedoch noch immer notwendig. Bei einem längeren Aufenthalt lohnt sich oft die Eröffnung eines ungarischen Bankkontos in Forint. Während die Übertragung des Geldes von deutschen Konten nach Ungarn meistens kostenlos ist, berechnen die ungarischen Banken für fast alle Transaktionen und Geldabhebungen eine Provision.
Die ersten Schritte nach der Ankunft
Nach der Ankunft empfiehlt sich die Anmeldung bei der Behörde. Dabei wird für EU-Ausländer eine sogenannte „Adressenkarte“ ausgestellt. Diese wird an vielen Stellen verlangt, sowohl bei der Post bei Paketabholung als auch für die Ausstellung eines Bibliotheksausweises. Es besteht die Möglichkeit, statt eines Wohnorts nur einen Aufenthaltsort anzumelden. Der Vorteil ist, dass dieser nach einem bestimmten Zeitraum automatisch aus dem System gelöscht wird, man muss sich also bei der Abreise nicht abmelden. Die Anmeldung kann man bei allen sognannten „Regierungsfenstern“ (Kormányablak) erledigen und außer dem Personalausweis benötigt man auch die Parzellennummer der gemieteten Wohnung, die man vom Vermieter erfahren kann.
"Studierende, die an einer Universität in der EU eingeschrieben sind, können eine Studenten-Monatskarte (umgerechnet 11 Euro) oder ein Semesterticket (52 Euro für 5 Monate) für den öffentlichen Nahverkehr in Budapest kaufen."
Attila Magyar
Diese Fahrkarten sind für alle öffentlichen Verkehrsmittel, auch für die Regionalzüge innerhalb des Stadtgebiets gültig. Für die tägliche Verpflegung bieten in Budapest neben den bekannten Supermärkten die Markthallen eine besondere und günstige Möglichkeit. In den oft prunkvoll gestalteten Märkten, die im 19. Jahrhundert erbaut worden sind und an mehreren wichtigeren Plätzen der Inneren Stadt auffindbar sind, kann man bei verschiedenen Händlern aber auch lokalen Produzenten einkaufen.
Für tägliche Mahlzeiten bieten die zahlreichen Universitätsmensen eine kostengünstige Möglichkeit, außerdem stehen sehr viele öffentliche Kantinen mit reichem Mittagsangebot zur Verfügung, die Preise sind hier wirklich unschlagbar. Ein Geheimtipp sind die Büffets, die in fast allen größeren Metzgereien vorhanden sind. Hier kann man bei den aufgestellten Tischen stehend, bekannte ungarische Fleischspezialitäten (kolbász und hurka) mit etwas Brot und Sauergemüse in ziemlich authentischer Atmosphäre probieren.
Meine Forschung am Ungarischen Staatsarchiv
Die Geschichte Ungarns auf einem Fleck: Im Ungarischen Staatsarchiv (Magyar Nemzeti Levéltár) hat Attila für seine Doktorarbeit geforscht.
Alle Informationen über das Ungarische Nationalarchiv (das als Schirmorganisation alle staatlichen Archive in Ungarn, so auch das Ungarische Landesarchiv zusammenfasst), seine Bestände und Struktur bekommt man auf dem Internetportal des Archivs und über das Archivsystem „scope“, das von mehreren großen europäischen Archiven verwendet wird. (Den Link findet ihr unten in den Tipps). Leider sind weitaus nicht alle Bestände in das Onlinesystem integriert. Deswegen empfiehlt sich immer ein weiterer Blick in die gedruckten Hilfsmittel, die meistens eingescannt von der Internetseite des Nationalarchivs abrufbar sind.
Die Bestellung der benötigten Bestände muss nicht unbedingt vor Ort geschehen, sondern kann auch per Mail erledigt werden.
"Man muss leider mit einer dreitägigen Bearbeitungszeit im Staatsarchiv rechnen, vor allem bei einem kürzeren Aufenthalt in der Stadt sollte man das beachten. Um Leerläufe zu vermeiden musste ich meinen Forschungsablauf gut im Voraus planen."
Attila Magyar
In meinem Fall war eine vorherige Anmeldung an meinem Forschungsort im Landesarchiv des Ungarischen Nationalarchivs nicht erforderlich. Eine Kontaktaufnahme per Mail oder Telefon kann aber nützlich sein, besonders bei kürzeren Aufenthalten. Bei speziellen Fragen und Anliegen wird man von dem zentralen Benutzerdienst (auch diesen Link findet ihr weiter unten in den Tipps) an die zuständigen ReferentInnen weitergeleitet.
Eine weitere Schwierigkeit bei der Benutzung der Archivbestände ist die Regelung, dass alle Materialien, von denen Mikrofilmaufnahmen vorhanden sind, nicht im Original benutzt werden dürfen. Die Mikrofilme können aber nicht im Hauptgebäude des Archivs (am Bécsi kapu tér) eingesehen werden, sondern befinden sich am Stadtrand in Óbuda. Die Wege mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu dieser Außenstelle sind ziemlich weit, gute Planung ist auch hier gefordert.
"Budapest hat viele einzigartige Bibliotheken"
Die öffentlichen Bibliotheken in Budapest sind nicht nur für Historiker, sondern für Forscher und Studierende aller Disziplinen eine wichtige Anlaufstelle. Die Széchényi-Landesbibliothek ist die ungarische Nationalbibliothek. Sie sammelt alle in- und über Ungarn erschienenen Bücher. Ihre Benutzung ist zwar kostenpflichtig, dafür kann man aber hier wirklich fast alles finden, was auf Ungarisch oder in Ungarn erschienen ist.
Der Standort der Bibliothek direkt im Budapester Königsschloss ist ein wirklich besonderer, obwohl die Innenarchitektur aus den 70-ern stammt. Gerade mit der inneren Architektur (gebaut und eingerichtet in den 1870-ern) punktet die Universitätsbibliothek der Eötvös-Loránd-Univesität in der Pester Innenstadt am Ferenciek tere.
Besonderer Sammelbereich der Bibliothek sind die Geisteswissenschaften. Die Benutzung ist kostenlos, wenn man Bücher ausleihen möchte, wird eine Jahresgebühr fällig. Sogar Mitten in der Prüfungszeit kann man hier noch freie Plätze finden, die Arbeitsatmosphäre ist gut und ruhig.
Studieren im Palast: In einer alten Villa des Ungarischen Adels wurde die Szabó-Ervin-Bibliothek eingerichtet.
Etwas hektischer geht es in der Szabó-Ervin-Bibliothek der Hauptstadt zu, weil sie keine reine wissenschaftliche, sondern eine öffentliche Bibliothek ist. Trotzdem ist sie auch bei Wissenschaftlern und Studierenden sehr beliebt, mit sehr großen Freihandbeständen und der Möglichkeit zur Ausleihe. Besonders sind in dieser, aus einem Adelspalast umgewandelten Bibliothek, die Lesesäle, die im Ballsaal und den Salons des Palastes eingerichtet wurden. Die Arbeit im holzverkleideten Herrenzimmer oder das Lesen in einem Sessel neben dem Kamin im silbernen Salon sind keine alltäglichen Erlebnisse, die auch einen arbeitsintensiven Aufenthalt in Budapest sehr angenehm machen können.
Die Freizeit genießen in Budapest
Die Oper in Budapest: Eines der prachtvollsten Beispiele von Neorenaissance-Architektur im Stadtteil Pest.
Budapest hat ein sehr vielfältiges, belebtes und preislich sehr zugängliches Kulturangebot. Im Winter bietet sich die riesige Auswahl der Budapester Museen, Theater und Opernhäuser an.
Fast alle haben besondere Angebote für Studierende, aber sogar die normalen Eintrittspreise sind nur ein Bruchteil der in Deutschland gewohnten Preise. Ab dem Frühling fängt auch die Festivalsaison an, mit vielen kostenlosen Veranstaltungen. Besonders interessant sind die Sommer- und Frühlingsfeste der einzelnen Stadtbezirke, wo man viele große und kleinere Konzerte (meistens ungarischer) berühmter Musiker genießen kann.
Erwähnenswert ist noch die Budapester Kaffeehauskultur, mit vielen bezahlbaren Einrichtungen wie zum Beispiel das Kaffeehaus im Lotz-Saal des Pariser Großkaufhauses (Párizsi Nagyáruház), oder der Hadik am Gárdonyi tér. Budapest ist auch die Stadt der Bäder, die nicht nur bei den Touristen, sondern auch bei den Einheimischen sehr beliebt sind. Besonders interessant sind die türkischen Bäder, gebaut im 16. Jahrhundert nach der osmanischen Eroberung Budas. Aus dieser Zeit ist zum Beispiel auch das Királyfürdő erhalten, das für Studierende besondere Rabatte anbietet, und eine perfekte Erholung nach einem langen Forschungstag.
Länderinfo: Ungarn
- Ungarn liegt mitten in Zentraleuropa und grenzt an: Österreich, Slowakei, Ukraine, Serbien, Kroatien und Slowenien.
- Geographisch ist das Land geprägt von verschiedenen Tiefebenen. Diese werden durch Gebirge umfasst.
- Der ungarische „Forint“ ist die Währung Ungarns. Ein „Forint“ entspricht in etwa 0,3 Cent.
- An den staatlichen Unis ist die Unterrichtssprache in der Regel Ungarisch. Aber es gibt auch einige Studienangebote in englischer und sogar in deutscher Sprache. Seit einigen Jahren gibt es mit der Andrássy-Universität in Budapest auch eine rein deutschsprachige Universität in Ungarn.
- Die Lebenshaltungskosten liegen auf einem niedrigeren Niveau als in Deutschland. Zusätzlich zur Miete sollte man mindestens 300 Euro im Monat einplanen. Die Kosten in der Hauptstadt Budapest können aber leicht mal um einiges höher liegen können.
- Ein Zimmer im Studentenwohnheim kostet etwa 150 bis 400 Euro im Monat.