Studium in Chile Mit Erasmus in Valparaíso
Die Abenteuerlust hat Miles Mruck nach Chile verschlagen. Dort verbringt der Architekturstudent ein Jahr mit Erasmus in der Hafenstadt Valparaíso. Immer mit dabei: Sein Zeichenblock.
Ich studiere im fünften Semester Architektur an der TU München. Eigentlich wollte ich immer in die USA. Weil aber keine der zur Auswahl stehenden Städte mir besonders zusagte, habe ich mich entschlossen, die USA bis nach dem Studium erst einmal warten zu lassen. Die Wahl auf Chile viel dann recht spontan. Ein paar Tage vor Bewerbungsschluss hielten Mauricio und Sofia Pezo von Ellrichshausen, ein bekanntes Architektenpaar aus Santiago, einen außerordentlich guten Vortrag an der Uni. Außerdem habe ich zur selben Zeit die Band Darkside mit Nicolas Jaar entdeckt – ein sehr guter Musiker, auch aus Santiago. Von der Hauptstadt Chiles war ich also schon gleich vorab begeistert.
Chile, ein Land mit Abenteuer-Faktor
Chile, zigtausend Kilometer lang und mit jeder erdenklichen Klimazone gesegnet, und eine fremde Sprache kamen mir da gerade recht. Ich lebe jetzt für ein Jahr in Valparaíso, einer schönen Hafenstadt in Chile. Das Land hat 4300 Kilometer Küste zu bieten. In Valparaíso gibt es sowohl ruhige Strände als auch lebhafte mit großen Wellen für Surfer. Die Uni verlangt mir hier erstaunlich viel Zeit ab. Zwar weniger als in München, aber genug, um nicht dauernd verreisen oder feiern zu können. Dazu kommt, dass die Chilenen nicht unbedingt "outgoing" sind.
"Nach zwei Jahren intensiver Schreibtischarbeit hatte ich ordentlich Abenteuerlust. Da bin ich hier in Chile genau richtig."
Miles Mruck
Verschultes Studium mit viel Direktkontakt zum Professor
Bei einer Garteneinladung des Professors
Das ganze System hat den Anspruch professionell zu sein, ist aber in Wirklichkeit umständlich und leider sehr verschult aufgebaut. Ständig bekomme ich Hausaufgaben, deren Lerninhalt sich nicht unbedingt erschließt. Wer also viel in Sachen Architektur an der Uni lernen will, sollte sich vielleicht woanders bewerben. Aber darauf kommt es bei einem Auslandsaufenthalt ja wohl auch nicht ausschließlich an, oder? Was man wirklich erwähnen muss: Hier lädt der Professor wie selbstverständlich alle Seminarteilnehmer zu sich nach Hause ein. Eine sehr nette Geste, die man in Deutschland meist vermisst.
"Das Verhältnis von Professor zu Student ist in Chile viel enger, als ich das von Deutschland kenne."
Miles Mruck
Valpariso, eine Uni-Stadt mit großem Freizeitwert
Die Uni selbst bietet ein reiches Sportangebot, von Schwimmen, Turnen bis Rugby ist alles dabei. Außerdem gibt’s Berge zum Wandern und das Beste: schöne Strände, die mit dem sogenannten „Micro Bus“ für kaum mehr als einen Euro innerhalb einer Stunde erreichbar sind. Was will man mehr? Mein größtes Problem hier ist eindeutig Spanisch.
Außerhalb der Uni gibt es auch viel zu erleben. In Valparaiso hat haufenweise Bars mit billigem Bier. Es gibt tolle Konzerte und viele Feste, die in der ganzen Stadt auch schon mal ein Wochenende lang gefeiert werden. Was mir in Valparaíso besonders gefällt, ist der Cerro Concepción, der wahrscheinlich schönste Teil der Stadt. Hier hat man eine wunderbare Aussicht über die gesamte Bucht und die Dächer der Stadt.
Ohne Sprachkenntnisse in Spanisch findet man schwer Kontakt
Spanisch habe ich völlig unterschätzt. Für jeden, der schon ein bisschen Sprachkenntnisse mitbringt oder mehr Disziplin beim Lernen hat als ich, sollte Leute kennen lernen kein Thema sein. Ich bin komplett ohne jede Vorkenntnisse hergekommen und kann nach vier Monaten immer noch kaum mehr als Smalltalk. Das liegt zum einen sicherlich an meiner Faulheit, aber auch an dem wirklich starken Akzent den die "Chilenos" sprechen, das "S" wird beispielsweise meist verschluckt; manchmal auch ein halbes Wort. Spanier oder andere Austauschstudenten zu verstehen, ist deutlich einfacher.
"Die meisten Chilenen können kaum oder gar nicht Englisch. Wenn man nicht Spanisch kann, wird kaum Interesse an einem gezeigt und wirklich kaum Rücksicht genommen."
Miles Mruck
Chilenen sind nicht Hippies, sondern "Happies"
Sobald man jedoch eine Konversation führen kann, entpuppen sie sich als wahnsinnig nette, hilfsbereite Leute mit feinem Humor. In München, wo ich studiere, gibt es meiner Meinung nach keine nennenswerte alternative Szene. Der ein oder andere weiß vielleicht von den Punks im Kafe Marat im Schlachthofviertel oder am Flaucher. Hier in Valparaíso scheint die gesamte Stadt "Szene" zu sein. Fast jeder unter 30 hat ein Tattoo, ein Pearcing, Dreadlocks, Löcher in der Hose oder Bergstiefel an und in jedem Fall Gras dabei. Das Motto hier lautet aber weniger Punk, auch nicht unbedingt Hippie, sondern eher "Happies". Hier stehen bunte gepflegte Wellblech-Häuser, nach dem Vorbild in San Francisco erbaut. Alles erscheint mir sehr lebendig und authentisch.
Pläne für das nächste Semester
Weil ich im ersten Semester aufgrund eines Studentenstreiks ausschließlich mit andern Austauschstudenten zusammen war, würde ich mir wünschen, im nächsten Semester mehr Kontakt mit den "Chilenos" herzustellen und neben Spanisch Lernen einige langfristige Kontakte zu knüpfen. Außerdem würde ich gerne etwas weniger Zeit in die Universität investieren und das Umland noch besser erkunden. Zum Beispiel: Surfen kann man hier super lernen. Kostet 10 Euro am Tag und macht einen Heidenspaß.
Chilenische Alltags-Küche ist gewöhnungsbedürftig
An das Essen muss man sich erst einmal gewöhnen. "Nationalgerichte" sind Hotdog mit Avocado und Mayo, sowie "Churillana". Das ist Pommes mit Fleisch, Zwiebeln und Spiegelei. Wirklich nicht jedermanns Sache. Aber dafür ein Pluspunkt: Auf dem Markt kann man sich für wenig Geld mit guten Lebensmitteln eindecken und dann einfach selber kochen. Besonders Fisch ist hier günstig und lecker.
Länderinfo: Chile
- Chile erstreckt sich über 4300 Kilometer und hat dabei eine durchschnittliche Breite von nur 180 Kilometern. Vorteil: Man hat´s nie weit zu den Anden und genauso wenig weit zum Strand.
- Das südamerikanische Land ist von unterschiedlichen Klimazonen geprägt: Während im Norden die trockene Atacama Wüste liegt, gibt es in den Hochebenen der Anden malerische Seen, Geysire und aktive Vulkane. Im Süden trifft man auf immergrüne Regenwälder, aber auch Fjordlandschaften und schließlich auf die Eisfelder Patagoniens.
- In Chile gibt es momentan circa 60 Universitäten mit knapp 560.000 Studierenden. Unter der Führung des chilenischen Bildungsministeriums gibt es 16 Universidades estatales, also mit staatlicher Trägerschaft, und 9 Universidades particulares, mit der Kirche als Träger. Die übrigen Universitäten sind privat organisiert.
- Genauso wie in Deutschland besteht das chilenische Hochschuljahr aus zwei Semestern. Aufgrund der Lage Chiles auf der Südhalbkugel und der dadurch vertauschten Jahreszeiten liegen die langen chilenischen Sommerferien aber im deutschen Winter zwischen Dezember und März.