Studium in Schweden "Vehicle Engineering" an der KTH in Stockholm
Tyron Najgeboren hat an der Königlich Technischen Hochschule in Stockholm studiert. Das Bild ist nicht in der Uni, sondern in einem "ice hotel" auf einem Thron aus Eis entstanden. Auch sehr königlich.
Es ist kalt. Sehr kalt, minus 17 Grad um genau zu sein. Und vor allem: Es ist dunkel. Was sich wie die Erzählung vom Polarkreis anhört, war meine Ankunft in der Stockholmer Innenstadt im Januar um 15:20 Uhr. Warum um alles in der Welt hatte ich mir für meinen Erasmus-Aufenthalt nicht ein warmes Land irgendwo im Süden ausgesucht? Nun ja, im Nachhinein lässt sich sagen: Bereut habe ich die Wahl sicherlich nicht.
In Skandinavien war ich bisher nur einmal als kleines Kind in Dänemark, und das zählt nun wirklich nicht. Allerdings hatte ich auf meinen Reisen durch Asien und Australien, die ich zwischen Bachelor und Master gemacht habe, so viele Skandinavier getroffen, und alle waren nette und interessante Leute, so dass ich neugierig geworden bin. Grade zwei Wochen in meinen Master hinein habe ich mich also mal um einen weiteren Aufenthalt im Ausland gekümmert. Nach kurzer Recherche bin ich auf die KTH in Stockholm gekommen, eine Partneruni der TU München, und eine Uni an der verhältnismäßig viele Fächer anerkannt werden. Als ich die Möglichkeit bekommen habe, hier zu studieren, habe ich sie natürlich sofort ergriffen.
Das Studiensystem in Schweden
Nun aber zurück in die Gegenwart. Ich komme grade aus der Uni und bin in der Klausurenphase. Ich studiere hier "Vehicle Engineering", was "Fahrzeug- und Motorentechnik" in München sehr ähnlich ist. Uni in Schweden ist ein wenig gewöhnungsbedürftig. Vorlesungen werden meistens von den Assistenten gehalten, die Professorin, die für eines meiner Fächer zuständig ist, habe ich das ganze Semester über nicht kennengelernt.
Apropos Semester: Auch die sind in Schweden anders. Ein Term unterteilt sich in zwei Periods, und dementsprechend in zwei Exam Periods. Über die zwei Periods hat man jeweils verschiedene Fächer. Dadurch ist der Unialltag auch etwas anders als in Deutschland. Natürlich, Vorlesungen hat man auch ganz normal, allerdings ist alles dadurch deutlich konzentrierter als daheim. Für ein Fach hatte ich vier Vorlesungen die Woche, jeweils zwei Stunden lang. Zusätzlich, und auch das ist erst einmal ungewohnt, müssen während dem Semester Assignments abgegeben werden, die auch einen Teil der Note ausmachen. Alles in allem ist mein Stundenplan aber doch recht entspannt: Jede Woche hat man mindestens ein bis zwei freie Tage, die man für eine kleine Reise nutzen kann. Und die sollte man auf jeden Fall unternehmen, wenn man in Stockholm ist. Insbesondere im Winter. Denn so schön Stockholm auch ist, es ist eher eine Stadt für den Sommer.
Das hat mich aber nicht daran gehindert, die eisigen Pflastersteinstraßen von Gamla Stan (Altstadt) zu erkunden. Oder durch die hippe Insel Södermalm zu schlendern und ein Fika zu machen. Was lustig klingt, ist nicht mehr als eine Kaffeepause mit einem Kanelbullar, einer Zimtschnecke. Fika ist ein essentieller Bestandteil im Leben hier in Schweden.
Polarlichter und Sonnenstürme über Schweden
Was aber ein unschlagbarer Vorteil von Stockholm im Winter ist: Man hat eine gar nicht so geringe Chance, Polarlichter zu sehen. Das hat sich bei uns im Wohnheim (das leider echt viel zu teuer ist für das, was man geboten bekommt) recht schnell rumgesprochen, und wir sind Nacht für Nacht in der Kälte raus an den See ums Eck gegangen und haben in den Himmel gestarrt, in der Hoffnung etwas zu sehen. Häufig genug bildet man sich dann was ein…. "Ja, das könnte etwas sein. Nein, das ist nur eine Wolke", hört man da recht häufig. Man wird mit der Zeit auch zum Experten, was die Polarlichter angeht. Je nachdem, wie stark die Sonnenstürme sind, gibt es verschiedene Werte, die im sogenannten Kp Index zusammengefasst werden. Ab einem Wert von 5,5 lohnt es sich, in Stockholm auf die Jagd zu gehen. Weil ich aber die ersten Wochen ziemlich viel Pech hatte, hab ich mich direkt auf den Weg an den Polarkreis begeben - und was soll ich sagen, es war grandios!
Ich kann das jedem nur empfehlen, der im Winter in Schweden ist. Wir waren Hundeschlitten und Schneemobil fahren, und haben viel über Rentiere gelernt. Hier habe ich dann auch das vermutlich Witzigste in meinem ganzen Auslandssemester gehört: Die Sami, das letzte eingeborene Volk in Europa, das über ganz Lappland verteilt lebt, haben eine besondere Maßeinheit, das Poronkusema. Wörtlich übersetzt ist das: "Das Pissen des Rentiers". Es handelt sich um ein altes Sami-Maß (hauptsächlich aus dem heutigen Nordschweden und Finnland), das beschreibt, wie weit man mit einem Rentierschlitten fahren kann, bevor Rentiere urinieren müssen. Aber auch wenn man in Stockholm bleibt und nicht grade im meterhohen Schnee unterwegs ist, hat die Stadt doch einiges zu bieten.
Von wegen unbezahlbar. Das Nachtleben in Stockholm:
Die ersten Tage hat die Uni sehr viel angeboten, um Stockholm zu erkunden. Sei es nur ein Rundgang durch die Altstadt, oder - und das ist viel wichtiger - das Zeigen der billigeren Bars. Und davon gibt es in Stockholm, entgegen des Klischees, doch einige. Die Stadt hat allgemein eine Vielfalt an Bars, die sich mit Europa echt messen kann. Auch, dass die Uni ein eigenes Haus am See mit Sauna hat, das man mieten kann, ist eine erfreuliche Abwechslung.
Alles in allem kann ich doch sagen: Stockholm und die KTH sind grandiose Orte, um ein Erasmus-Semester zu verbringen. Dadurch, dass hier jeder Englisch spricht, ist die Sprachbarriere auch nicht ganz so hoch wie in manch anderen europäischen Ländern. Also, worauf wartet ihr: Packt eure Koffer und fliegt nach Stockholm!
Länderinfo: Schweden
- Schweden ist das östlichste Land der skandinavischen Halbinsel, grenzt an Norwegen im Westen und Finnland im Nordosten und hat eine Brückenverbindung zu Dänemark (Öresundsbron) im Südwesten.
- Stockholm hat eine Durchschnittstemperatur von -2,8°C im Winter und +17,2°C im Sommer.
- Das akademische Jahr besteht aus zwei Semestern (Herbst und Frühjahr). Das Herbstsemester beginnt für deutsche Verhältnisse sehr früh, nämlich Mitte / Ende August, und endet Mitte Januar. Das Frühjahrssemester startet Mitte Januar und geht bis Anfang Juni.
- Schwedische Unis bieten sehr viele englischsprachige Kurse an. Wer an an Studiengängen in schwedischer Sprache teilnehmen will, muss vorher einen Sprachtest machen, den TISUS-Test (Test i svenska för universitets- och högskolestudier).
- Mit über 910.000 Einwohnern ist die Hauptstadt Stockholm die größte Stadt in Skandinavien.