Großraum Nürnberg Hochburg der weltweiten Bleistiftindustrie
Viel Graphit gibt es nicht in Nürnberg, erfunden wurde der Bleistift auch woanders und die ersten Nürnberger Stifte waren sogar von schlechter Qualität. Trotzdem ist die Region zum Zentrum der internationalen Bleistiftindustrie geworden - dank Firmen wie Staedtler und Faber-Castell.
Einer der Bleistiftpioniere ist der Nürnberger Schreiner Friedrich Staedtler. Ein Schreiben aus dem Jahr 1662 zeigt sogar, dass er der älteste urkundlich belegte Bleistiftmacher der Welt ist. Vor 350 Jahren wurde er zum ersten Mal als "Bleiweißsteftmacher" in den Büchern der Stadt Nürnberg geführt. Er hatte damit eine eigene Berufsbezeichnung und ein eigenes Handwerk. "Staedtler haben wir die handwerkliche Bleistiftproduktion zu verdanken", sagt Matthias Murko, der Direktor des Museums für Industriekultur Nürnberg.
Wer außerhalb Nürnbergs produzierte, war ein "Stümpler"
Nicht jeder Schreiner durfte einfach Graphitminen mit Holz ummanteln. "Die Handwerker in Nürnberg waren den strengen Kontrollen des Nürnberger Rates unterworfen", weiß Matthias Murko. Um diese Auflagen zu umgehen, siedelten sich einige Bleistiftmacher außerhalb der Stadtmauern an. Die Handwerker aus Nürnberg bezeichneten diese Hersteller etwas abfällig als sogenannte Stümpler. "Ihre Bleistifte waren günstiger und von schlechterer Qualität", so Murko. Da soll es schon mal vorgekommen sein, dass die Stifte nur vorne und hinten einen schwarzen Punkt hatten, innen aber gar keine Mine eingebaut war. Auch solche Bleistifte hätten die Handwerker von außerhalb dann in Weidenkörbe gepackt und sie auf den Nürnberger Märkten verkauft.
Erster Markenbleistift der Welt
Auch Caspar Faber, der sich in Stein bei Nürnberg niederließ, wurde zunächst als Stümpler verspottet. Er legte mit seiner Werkstatt 1761 den Grundstein für das heutige Bleistift-Imperium von Faber-Castell. Sein Nachkomme Lothar von Faber setzte dann auf Qualität, legte einheitliche Längen und Stärkegrade für Bleistifte fest und ließ diese mit dem Firmennamen versehen. Der erste Markenbleistift der Welt war geboren. "Für andere Bleistiftmacher war das ein Vorbild und es war die Basis für Nürnbergs Spitzenstellung in der Bleistiftproduktion", sagt Murko.
Globalisierer der ersten Stunde
Mit der Industrialisierung trat der Nürnberger Bleistift seinen globalen Siegeszug an. Geografisch lag die Stadt äußerst günstig, hier kreuzten sich die alten Handelswege. Grund für die Spitzenstellung war auch die internationale Ausrichtung: Lothar von Faber ließ seine Bleistifte lange vor der Globalisierung auch im Ausland produzieren und über ein weltweites Handelsnetz vertreiben. "In der Bleistiftproduktion setzte die Globalisierung viel früher ein als in anderen Branchen", sagt Matthias Murko vom Museum Industriekultur. Ausschlaggebend für den Erfolg von Lothar von Faber war aber auch seine eiserne Disziplin, die er ebenfalls von seinen Arbeitern verlangte.
Superlative und Kurioses
Der teuerste Bleistift der Welt
Zum 250-jährigen Jubiläum im Jahr 2011 hat Faber-Castell den teuersten Bleistift der Welt präsentiert. Kostenpunkt: 10.000 Euro. Seine weißgoldene Kappe ist mit drei Brillianten besetzt. Es gibt nur 99 Stück davon.
Der älteste noch erhaltene Bleistift der Welt
Das ist der älteste noch erhaltene Bleistift der Welt. Ein zwölf Zentimeter langer, etwa drei Zentimeter dicker klobiger Holzstift mit grobkörniger, rechteckiger Graphitmine. Er wurde im 17. Jahrhundert hergestellt und in den 1960er-Jahren bei Renovierungsarbeiten in einem schwäbischen Bauernhaus gefunden.
Der Rußkäfer
Der Rußkäfer ist eine besondere Gattung Tier, die man in Naturkunde-Lexika vergeblich sucht. Der Name leitet sich von dem Graphit-Staub ab, der überall in den Bleistift-Produktionshallen in der Luft lag und an den Arbeitern haften blieb. Zu deren Glück gab es auf dem Betriebsgelände aber Duschen.
Der kleinste Bleistift der Welt
Dies ist nach Angaben von Faber-Castell der kleinste Bleistift der Welt - mit einer Länge von 3,5 Zentimeter. Zu sehen ist er im Firmenmuseum von Faber-Castell in Stein bei Nürnberg.
Der Bismarck-Stift
Diesen Stift hat Otto von Bismarck einst benutzt. Es ist ein sogenannter Staffeleistift, mit dem man damals auf Staffeleien geschrieben hat. Bismarck war aber kein Künstler und benutzte den Stift, um seine Papiere mit Notizen zu versehen. Am hinteren Ende ist er schwarz gefärbt - weil Bismarck damit seine Pfeife gestopft hat. Wer noch genauer hinschaut, kann sogar noch die Abdrücke seiner Zähne auf dem Stift erkennen.
Der längste Bleistift Europas
2009 stellte der Vorstandsvorsitzende des Schreibwarenherstellers Faber-Castell, Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell, im Europapark in Rust den längsten Bleistift Europas vor. Dieser ist etwa 12,5 Meter lang und wiegt rund eine Tonne. Der Bleistift wurde in mehreren deutschen und skandinavischen Städten gezeigt.
Der Faber-Castell-Stift des Jahres 2011
Der Füllfederhalter des Jahres 2011 der Firma Faber-Castell ist mit acht Elementen aus Jade besetzt. Verkauft werden nur 1.761 Füller - angelehnt an das Gründungsjahr der Firma. 3.200 Euro kostet einer der Füllfederhalter.
Der Ball-Stift
Diesen sogenannten Ball-Bleistift hat Staedtler im Jahr 1907 produziert. Damals fanden am Wochenende Tanzveranstaltungen statt, bei denen die Damen auf der einen und die Herren auf der anderen Seite des Saals saßen. Wollten die Herren tanzen, mussten sie Namen, Adresse, Alter und Beruf in ein Büchlein eintragen - aus dem die Damen dann auswählten. In dem relativ kleinen Büchlein lagen dann die extra dafür entwickelten Ball-Bleistifte.
Tram- und Eisenbahn-Stifte
Der Bleistift wurde früher gerne im Alltag verwendet. So zum Beispiel der Trambahn-Stift in gelb - da die Trambahnen zur damaligen Zeit wohl auch gelb waren. Dort wurden sie wohl verwendet, um den Fahrpreis auf eine Karte zu schreiben. Ähnlich ist es mit dem Eisenbahnstift, der in schwarz und dunkelrot gehalten ist. Die Stifte wurden in der Vergangenheit also farblich den Zielgruppen entsprechend angepasst.
Die ersten Markenbleistifte der Welt
Der Fabrikant Lothar von Faber kam 1839 als erster auf die Idee, seinen Bleistiften Namen zu geben. Er schuf damit die ersten Markenbleistifte der Welt - zu sehen auf dieser Reproduktion einer Werbezeichnung. Dass der Stift sechs Ecken hat, ist ebenfalls dem praktisch denkenden Grafen zu verdanken. Er produzierte eckige Stifte, damit sie nicht von den schrägen Stehpulten rollen konnten.
Eiserne Disziplin
Paragraph 22 einer Verordnung von Lothar von Faber:
"Wer bei Besorgungen in Stein, also dem Ort Stein, während der Arbeitszeit ins Wirtshaus geht und daselbst betroffen wird, wird das erste Mal mit einem Tag Lohnabzug bestraft und im Wiederholungsfall aus der Fabrik entlassen."
Innovativ, trendig und umweltbewusst
Auch heute noch haben vier der weltweit führenden Bleistift-Unternehmen ihren Sitz in der Region Nürnberg. Riesige Wachstumsraten haben sie aber längst nicht mehr zu verzeichnen. Heute setzen die hiesigen Bleistiftproduzenten eher auf trendiges Design, entwickeln innovative Lifestyle-Produkte, produzieren umweltbewusst und setzen immer noch auf gute Qualität - mit der sie sich von der Massenware aus Fernost absetzen.