Die Franken und ihr Wein Frankenwein geht neue Wege
Der Frankenwein befindet sich im Umbruch. Seit der Jahrtausendwende experimentieren Winzer und Wissenschaftler verstärkt in alle Richtungen. Es werden neue Lagerungsformen, neue Verpackungen sowie neue Wege in der Bewässerung und im Frostschutz ausprobiert. Zudem wird eifrig am Image des Rebsaftes gefeilt.
Auf den fränkischen Weinflaschen hat der Schraubverschluss heute den Naturkorken größtenteils verdrängt. Im Jahr 2010 waren bereits 81 Prozent aller Flaschen aus Franken mit einem Dreh zu öffnen. Laut Hermann Mengler, dem Weinexperten des Bezirks Unterfranken, haben auch die fränkischen Spitzen-Weingüter fast vollständig auf den Schraubverschluss umgestellt. Die Vorteile des Schraubverschlusses gegenüber dem Naturprodukt lägen auf der Hand, so Mengler: Schraubverschlüsse mit Zinnfolien wären geschmacksneutral, gasdicht und wiederverschließbar. Naturkork im Flaschenhals habe dagegen einen hohen geschmacklichen Effekt auf filigrane, fruchtige Weine. Ein Winzer aus Sommerach (Lkr. Kitzingen) hat einen anderen Weg eingeschlagen. Er verschließt seine Bocksbeutel seit 2003 mit Kronkorken aus Edelstahl.
Box statt Bocksbeutel
Aus Umweltschutzgründen prüft die Landesanstalt für Wein- und Gartenbau (LWG) die Abschaffung der Glasflasche. Wegen des hohen Energieaufwands bei der Herstellung und beim Transport entfällt auf sie als Behältnis fast die Hälfte des CO-2-Ausstoßes in der Weinwirtschaft. 2010 ließ die LWG zu Testzwecken Wein in neuartige Verpackungen abfüllen. Als klimafreundliche Alternative zur Glasflasche propagiert die Landesanstalt das System "Bag in Tube" beziehungsweise "Bag in Box". Damit ist ein Plastiksack mit Zapfhahn in einem Karton gemeint, wie ihn Verbraucher schon bei Weinen aus südlichen Anbaugebieten oder Übersee her kennen. Seit Oktober 2010 füllt die Winzergenossenschaft "Divino Nordheim" pro Jahr etwa 25.000 Liter Rotling, Rotwein und Cuvée in Drei-Liter-Plastiksäcke ab.
Wein reift in Amphore heran
Studenten der LWG haben 2011 verschiedene teils uralte Ausbaumethoden getestet. Eine Gruppe hatte eine 5.000 Jahre alte antike Weinkultur aufgegriffen und 1.200 Liter Silvaner unter Verzicht auf alle Hilfsmittel des modernen Weinbaus in einer vergrabenen georgischen Amphore reifen lassen. Es war das erste Mal, dass in Deutschland eine Amphore vergraben und zur Weingärung eingesetzt wurde. Für den Versuch wurde ein riesiges Tongefäß aus Georgien hertransportiert und im Boden vergraben. Dort hinein wurden im Herbst 2011 1.200 Liter leicht angequetschte Silvanertrauben gefüllt. Bei der Verkostung stellte sich anschließend heraus, dass der Amphoren-Wein über eine hervorragende Fülle und über ein bemerkenswertes Lagerpotential verfügte. 2011 hatte die LWG auch Experimente bei der Maischegärung mit einem drehbaren Weinfass unternommen.
Frostschutz mit dem Hubschrauber
Im Jahr 2011 hatten Frankens Winzer schwere Frostschäden zu beklagen. Um wirksame Maßnahmen in Sachen Spätfrost-Prävention zu entwickeln, erhält die Landesanstalt vom Freistaat Bayern bis 2014 insgesamt 260.000 Euro. Zu den Versuchen, Frostschäden effektiv zu verhindern, gehörte auch ein Hubschraubereinsatz im Mai 2012. Durch das Kreisen eines Helikopters über den Weinbergen sollte die etwas wärmere Luft aus oberen Schichten zum Boden gedrückt und so die gefährliche Frostbildung verhindert werden. Eine deutliche Erwärmung der Luft knapp über dem Boden durch die rotorbedingten Verwirbelungen konnten die LWG-Experten jedoch nicht feststellen. Im Mai 2012 hatte die Landesanstalt nicht nur den Hubschrauber-Einsatz in den Weinbergen getestet. Daneben kamen auch Heizöfen, Heizdraht, Beregnungs- sowie Vernebelungsanlagen zum Einsatz, die die Weinreben vor dem Erfrieren schützen sollten.
Künstliche Bewässerung auf dem Vormarsch
Auch in Sachen Wasserknappheit sind die fränkischen Winzer innovativ. Die Weinberge bei Sommerach (Lkr. Kitzingen) werden seit August 2006 künstlich bewässert. Auf einer Hangfläche von 230 Hektar wurde eine Tröpfchenbewässerungsanlage installiert. Bei Bedarf wird Wasser – computer- und sensorgesteuert – aus dem Mainkanal zwischen Volkach und Schwarzach gepumpt, über unzählige Schläuche bis zu jedem einzelnen Rebstock geleitet und dort ganz gezielt in die Erde getropft. In die von der EU bezuschusste Anlage wurden 1,8 Millionen Euro investiert. Im August 2010 ist bei Volkach (Lkr. Kitzingen) eine weitere Weinberg-Betropfungsanlage in Betrieb gegangen. Hierfür wurden drei Regensammelbecken gebaut. Wenn der Wassergehalt in den Rebblättern einen bestimmten Wert unterschreitet, fließt dort computergesteuert Regenwasser aus einem der Becken in die Weinberge am Volkacher Kirchberg. Die Fernwasserversorgung Franken wendete 1,8 Millionen Euro für das Projekt auf und 40 Winzer gründeten eigens dafür die Genossenschaft "Vinaqua".
Mit neuem Namen punkten
Da die Lageangaben für Verbraucher außerhalb Frankens nur wenig aussagekräftig sind, wurde in den vergangenen Jahren versucht, den Wein unter bestimmten Markennamen zu verkaufen. Ein Beispiel hierfür ist der "Tilman" der Winzergemeinschaft Franken (GWF). Dazu zählen unterschiedliche Weine und Schaumweine aus unterschiedlichen Lagen, teilweise auch von unterschiedlichen Rebsorten. Als Gegenpol zum italienischen Modewein Pinot Grigio haben fränkische Winzer sogar einen eigenen Wein kreiert: Unter dem Namen "Frank und Frei" bieten die Winzer seit 1996 einen leichten und fruchtigen Müller-Thurgau-Wein an. Dieser Wein wird bewusst jung abgefüllt und unterliegt besonderen Qualitätskriterien. Außerdem hat der Fränkische Weinbauverband für Frankenwein neue Kategorien eingeführt, nach denen sich viele Winzerbetriebe bereits richten. Die Bezeichnung "Neues Franken" etwa steht für unkomplizierte Alltagsweine mit Frische und Frucht, die gekühlt serviert werden und zu einer leichten Küche passen. Weine von gehobener Qualität mit ausgeprägten Geschmacksrichtungen werden unter "Klassisches Franken" geführt. Sie sind für die gehobene Küche gedacht. In der Kategorie "Großes Franken" finden sich trockene Spitzenweine aus Franken mit starkem Charakter, für besondere Anlässe.