Franken - Heimat


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Botschaftsflüchtlinge Über Hof in die Freiheit

Jubelnde Massen am Bahnhof in Hof, DDR-Bürger mit Freudentränen in den Augen: Am 1. Oktober 1989 trifft der erste Zug mit Prager Botschaftsflüchtlingen ein. Wochenlang kauerten sie auf dem Gelände der Botschaft. Über Hof kommen die Züge nach Bayern. Zeitzeugen erinnern sich.

Stand: 01.10.2014 | Archiv

DDR-Sonderzug trifft in Hof ein | Bild: picture-alliance/dpa

Im Spätsommer 1989 gab Erich Honecker die Prager Botschaftsflüchtlinge nach zähen Verhandlungen frei. Mit einer Bedingung: Die Züge mussten zunächst über DDR-Territorium fahren. Was eine Demonstration der Macht sein sollte, wurde zum Fiasko für das SED-Regime.

Am 1. Oktober 1989 trifft der erste Sonderzug in Hof ein.

Im sächsischen Plauen führte die Strecke mitten durch den Ort. Den Bewohnern war es streng verboten, die Flüchtlinge zu grüßen. Doch solche Verbote kümmerten weder die Menschen in Plauen noch anderswo an der Strecke, erinnert sich Hansjoachim Weiß aus Plauen. Sie winkten den Flüchtlingen zu und hielten Bänder mit Sprüchen wie "Das Vogtland grüßt den Zug der Freiheit" aus den Fenstern.

Verhaftungen entlang der Strecke

Freudentränen auf dem Bahnsteig nach der Ankunft in Hof.

Entlang der Fahrstrecke kam es überall zu Verhaftungen. Zumindest drei junge Menschen konnten in Dresden auf die Züge aufspringen – unterwegs versuchten das noch mehr. Daran erinnert sich Martina Schwiersch aus Kühlungsborn an der Ostsee, die gemeinsam mit ihrem Mann und den zwei kleinen Kindern in einem der Züge saß.

"Die meisten kamen aber nicht rein. Wir haben uns ja nicht einmal getraut ans Fenster zu gehen."

Martina Schwiersch aus Kühlungsborn an der Ostsee

"Jubel in Prag: Alle frei!"

Ängste und Beklemmungen, die auch Außenminister Genscher und hochrangige westdeutsche Diplomaten nicht nehmen konnten, die zur Sicherheit in den Flüchtlingszügen mitfuhren. Teilweise ließ das SED-Regime die Züge stundenlang auf Abstellgleisen stehen.

"Überglückliche Menschen"

DDR-Sonderzug trifft in Hof ein

In Hof erreichten die Flüchtlinge schließlich die ersehnte Freiheit. Seit 30. September 1989 kümmerten sich vor Ort mehrere hundert Helfer von BRK, THW, der Bahn und der Stadt um sie. Insgesamt waren es schließlich 13.600 Menschen, die hier in Franken ankamen und meist nicht mehr als eine Reisetasche besaßen.

DDR-Übersiedler aus Prag werden in Hof betreut.

Der komplette Hauptbahnhof wurde zur Sozialstation, die Freiheitshalle zum Matratzenlager. Auch in Feilitzsch, dem ersten Dorf auf westdeutscher Seite, steckten die Oberfranken den Flüchtlingen Lebensmittel und Geld in die durchfahrenden Züge. Die heute 80-jährige Helferin Luise Staudinger erinnert sich: "Ich habe davor und danach nie mehr so viele überglückliche Menschen gesehen."


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