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Knallgelbe Notunterkunft zwischen Bergell und Lombardei Das Bivacco Redaelli am Piz Badile

In unserer Rucksackradio-Sommerserie über Biwakschachteln in den Alpen machen wir heute einen Ausflug ins Grenzgebiet zwischen der Schweiz und Italien, genauer gesagt zwischen dem Bergell und der Lombardei. Denn die Biwakschachtel, um die es geht, steht kurz unterhalb des Piz Badile und quasi auf der Grenze zwischen diesen Ländern und Regionen.

Von: Kilian Neuwert

Stand: 30.07.2022 | Archiv

Knallgelbe Notunterkunft zwischen Bergell und Lombardei  | Bild: BR; Kilian Neuwert

Der Dreitausender ist bei Kletterern berühmt wie berüchtigt. Wetterstürze sind gefürchtet, bringen sie doch in dieser Höhe schnell Schnee und Eis und machen eine Begehung etwa der bekannten Badile-Nordostwand heikel. Seit 1970 aber trotzt eine kleine, knallgelbe Biwakschachtel am Gipfel des Badile den Elementen. Sie bietet Bergsteigern Schutz und hat auch heute, in Zeiten moderner Wetterprognosen, nicht an Bedeutung verloren.

Piz Badile vom Zustieg zur Sasc Furä-Hütte aus

Radislaf und sein Kletterpartner Petr stehen in der Morgendämmerung am Einstieg der Via Cassin in der Nordostwand des Piz Badile, einer der ganz großen Kletter-Klassiker. Die Stirnlampen leuchten mit den erlöschenden Sternen um die Wette. Bis zu ihrem Ziel, dem 3305 Meter hohen Gipfel, liegen noch viele Höhenmeter vor ihnen. Rund 800 Meter ragt die Wand über ihren Köpfen auf: Granit, Schwierigkeiten bis zum sechsten Grad. Rund zwanzig Seillängen müssen die zwei bewältigen, wenn sie zunächst die Nordkante und schließlich den Gipfel erreichen wollen. Für die Slovaken ein großer Traum, dessen Krönung eine Nacht in der Biwakschachtel nahe des Gipfels sein soll, um den Sonnenuntergang und den Sonnenaufgang zu genießen. Sie hoffen, dass der Himmel klar bleibt.

Die Sasc Furä-Hütte ist der Stützpunkt für die meisten Badile-Aspiranten

Den Wunsch, hoch oben auf dem Piz Badile zu nächtigen, haben nicht nur diese beiden Kletterer. Glaubt man Heidi Altwege, so kommt das gerade in Mode. Altweger ist Wirtin der Schweizer Sasc Furä-Hütte. Die Hütte dient den meisten Seilschaften als Ausgangspunkt für ihre Touren an diesem Berg. Was ihr auffällt: Es gibt viele Leute, die gehen extra in die Biwakschachtel um auf dem Gipfel des Badile mal zu übernachten. Die Biwakschachtel hat sechs Plätze, einmal waren sogar zwölf Person dort oben eingepfercht. Dann wird auch eine Biwaklschachtel zur Sardinenbüchse! ABER: Das Biwak wurde nicht als Ersatz-Hütte in Gipfelnähe errichtet. Es ist und bleibt eine hochalpine Notunterkunft!

Der Piz Badile: Manchem gilt er als „Kathedrale aus Granit“

Seit 1970 trotzt die Biwakschachtel auf rund 3300 Metern Höhe den Elementen: Knallgelb lackiertes Blech schirmt eine oben halbrunde Holz-Unterkonstruktion ab. Etwa zwei mal zwei Meter misst sie im Grundriss. Außen lehnt eine Schaufel für den Winter. Innen befinden sich sechs Schlafplätze auf Pritschen, dazwischen gibt es kaum Raum, um sich umzudrehen, dafür viel verbeultes Geschirr.

Die NO-Wand des Piz Badile: Ein Meer aus Granit

Die Touren auf der Schweizer Seite des Piz Badile sind lang. Bekannt und namhaft sind seine Nordkante und die Via Cassin in der Nordostwand. Wer nach Routen wie diesen den Gipfel erreicht, dem steht noch ein langer und komplizierter Abstieg nach Italien bevor. Der italienische Jahrhundert-Alpinist Riccardo Cassin und seine Gefährten hätten eine Biwakschachtel in Gipfelnähe wohl gut gebrauchen können. Zwei Kletterer, die sich Cassins Dreierseilschaft angeschlossen hatten, starben bei der gemeinsamen Erstbegehung 1937 im Abstieg an Erschöpfung im Wettersturz – eines der großen Dramen der Alpingeschichte. Plötzliche Wetterstürze sind heute zwar nach wie vor ein Thema am Piz Badile, stehen aber nicht an erster Stelle unter den Situationen, die Kletterer in die Schachtel zwingen. Es ist eher so, dass die Leute zu langsam unterwegs sind, sich selber und die Tour unterschätzen.

Benannt ist das Biwak nach dem Italiener Alfredo Redaelli. Er eröffnete die erste Route in der Badile-Südwestwand. Mit 88 Jahren war er das letzte Mal am Berg. Danach regte er den Bau der Biwakschachtel an. Finanziert hat er sie selbst, aufgestellt wurde sie von Kletterern der Sektion Lecco des Italienischen Alpenclubs, dem auch Riccardo Cassin angehörte. Wie vielen Menschen sie seitdem Schutz geboten hat, ist nicht bekannt. Die beiden slovakischen Kletterer Radislav und Petr haben ihre Pläne aber vermutlich spontan geändert. Am Abend sind sie von der Hüttenterrasse der Sasc- Furä-Hütte aus mit dem Fernglas beim Abseilen über die Nordkante zu beobachten. Grundsätzlich ist es wohl auch besser, wenn Biwakschachteln frei bleiben, um bei Bedarf als Notunterkünfte genutzt werden zu können - und eben nicht als wildromantischer Hüttenersatz.

Notfall-Stützpunkt für Kletterer in der Laliderer Nordwand | Bild: BR; Kilian Neuwert zum Thema Biwakschachteln in den Alpen Zufluchtsort in großer Höhe

In unserer Serie stellen wir jeden Samstag Biwakschachteln in den Alpen vor. Sie ist klein, nur minimalistisch ausgestattet und steht meist an sehr entlegenen Orten – die Biwakschachtel. [mehr]


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