Buch über Battlerap "Die Menschen feiern bestimmte Inhalte nicht mehr so wie noch vor 10-15 Jahren"
Battlerap, die Kunstform des gegenseitigen Beleidigens, gibt es jetzt auch als Buch. Wir haben uns mit Autor und Battlerapper Rafael Schmauch aka Papi Schlauch über die Geschichte des Genres, die Wokeness innerhalb der Szene und ein besonderes Lob von Samy Deluxe unterhalten.

Rafael Schmauch hat schon als Teenager angefangen im Battlerap, jetzt hat er ein Buch darüber geschrieben. "Battlerap. Die Kunst der Beleidigung" heißt es und es ist eine liebevolle Aufarbeitung von über 20 Jahren Battlerap-Geschichte. Die reicht von anfänglichen Open Mics und kleinsten Begegnungen der Szene bis hin zu den großen Events wie "Feuer über Deutschland" und "Rap am Mittwoch". Rafael Schlauch erzählt in seinem Buch von den Protagonisten hinter diesen Events, sinniert über die Theorie des kunstvollen Beleidigens und belegt alles mit unzähligen direkten Zitaten aus den Battles. Wir haben mit ihm telefoniert.
Zündfunk: Wie ist es eigentlich, wenn Leute dich kennen lernen und dann darauf kommen, dass Du Battlerapper bist?
Rafal Schmauch: Die Leute sind dann oft erstmal ziemlich baff und denken: Huch, so habe ich mir aber einen Battlerapper nicht vorgestellt – wenn sie sich überhaupt jemals einen vorgestellt haben. Und dann lache ich auch und sage: ja, tatsächlich ist das mein kleines verbotenes Hobby. Beleidigen auf der Bühne in lyrischer Form, das mache ich seit 20 Jahren. Dann nicken die Leute und sagen: erzähl mal mehr, wie passt das zusammen? Weil ich, glaube ich, nicht den gängigen Klischees entspreche, die viele Menschen im Kopf haben, wenn sie über Gangster-Rap nachdenken. Ich falle eher in die Kategorie Studentenrapper, so vom Klischee her, der darüber redet, dass die halbe Welt vegan werden soll.
Im Buch erzählst du von deiner persönlichen Reise zum Bettelrap. Also was dich beeindruckt hat, was sich beeinflusst hat und wie du eigentlich zu Deutschrap gekommen ist. Wie war das damals bei deinem ersten Auftritt mit 15?
Das war wirklich lustig, weil ich sehr angespannt war. Weil ich mir vorgestellt habe, ich würde jetzt hier auf eine Bühne kommen und von einer Feiernden großen Crowd begrüßt werden. Und dann war das ein halbleerer Club, und ich muss so meine Mutter, die mich begleitet hat, davon überzeugen, dass es sich trotzdem gelohnt hat. Und es hat dann trotzdem Spaß gemacht, obwohl auf der Bühne gefühlte mehr Menschen waren als im Publikumsraum.
Offensichtlich hat sich die Passion gehalten. Du bist 1989 geboren, du bist jetzt Mitte 30. Da liegen jetzt 20 Jahre dazwischen. Könnte man ja fast ein Buch darüber schreiben
Ja, könnte man [lacht]. Vielleicht ist die kürzeste Zusammenfassung, dass Battlerap im Laufe der Jahre immer vielseitiger geworden ist. Zum Beispiel, dass sich verschiedene Formen des Beleidigens ausgebildet haben. Also dann ist es nicht mehr nur eins gegen eins, sondern mehrere gegen mehrere und es findet zum Teil mit Musikunterlegung statt. Es gibt sogar einen Modus, bei dem extra besonders schlecht gerappt wird. Es gibt also sehr, sehr viele Spielarten dieses Beleidigens mittlerweile. Eine andere tolle Entwicklung ist, dass es auch mehr Female MCs zum Glück in den letzten Jahren gibt. Und dann gibt es mehr und mehr Veranstalter, die sich die Zeit nehmen, da Events auf die Beine zu stellen. Also die Szene ist gewachsen und in vielerlei Hinsicht vielfältiger geworden.
Gibt es ein Beispiel dafür für Dinge, die im Wettbewerb ihren Ursprung genommen haben und dann in den Mainstream so reingeschwappt sind?
Die Rapper Capital, Bra und Finch Asozial. Die haben begonnen als Battlerap MCs auf der Plattform "Rap am Mittwoch". Die haben es dann irgendwann richtig groß rausgeschafft und stehen dafür, dass es eine Durchlässigkeit gibt zwischen der Nische Battlerap und der großen Kultur Hip-Hop.
Das ist ja auch eine krasse Fanbindung, oder? Also, wenn man sehr früh Capital Bra entdeckt hat und ihn immer weiterverfolgen konnte. Das hat auch ein bisschen was von einer Hip-Hop Web-Soap, dass man da sehr nah dran ist, eine auch den Charakter sehr schnell kennenlernen kann.
Es steht auf jeden Fall für Battlerap, das es Helden gibt. Es gibt Geschichten von Leuten, die einen Aufstieg hatten, und dann sind sie verschwunden, und dann sind sie zurückgekommen. Es gibt Beefs, also so Konflikte zwischen einzelnen Rappern, und darüber wird dann geredet wie über komplexe Serien, auf jeden Fall!
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PAPI SCHLAUCH vs. SIZYPHOS | RAP BATTLE | FOB | 2024
Du benennst im Buch auch einen Elefanten im Raum. Nämlich den Umstand, dass Battlerap sehr oft sexistisch, homophob oder behindertenfeindlich sein kann. Du schreibst aber auch, dass sich das im Laufe der Zeit verändert hat. Gibt es da konkrete Gründe dafür? Oder geht man damit was mit, was er auch in der Gesellschaft passiert, nämlich dass man ein bisschen achtsamer wird?
Die Gesellschaft ist ja anwesend im Battlerap, wenn da ein Publikum von 300 Menschen steht. Und diese 300 Menschen feiern heute einfach bestimmte Inhalte nicht mehr so wie noch vor 10-15 Jahren. Auch die Künstler und Künstlerinnen legen Wert auf andere Dinge. Mir ist es aber zugleich ein Anliegen zu sagen, dass es in der Subkultur Battlerap weiterhin diese Elemente gibt, also es ist nicht so, dass es praktisch eine einheitliche Entwicklung ist, hin zu einer woken Beleidigungskultur, sondern es ist einfach ein Spektrum. Das ist auch ein Teil des Reizes von Battlerap, das Tabus gebrochen werden, dass Grenzen überschritten werden, das ist Teil dieses Spiels. Wenn man sich eben fragt, wie kann ich meinen Gegner am ehesten in seiner Ehre verletzen? Dann fallen manchen Leuten einfach immer noch die Dinge ein, die anderen vor zehn Jahren auch eingefallen sind. Es gibt auch innerhalb der Battlerap-Szene, dann Kritik daran, dass man ja jetzt nichts mehr sagen dürfe. Das wird in den Battles selber viel verhandelt. Also insofern ist dann das, was in dieser kleinen Subkultur passiert, wirklich ein Spiegel dessen, was im gesamtgesellschaftlichen Diskurs besprochen wird.
Jetzt hat jemand Zitat zu deinem Buch geschrieben, der ein Deutschrap-Veteran ist: Samy Deluxe. Er hat geschrieben: "Wahrscheinlich ist dieses Buch über die Kunstform der Beleidigung die einzige Art, den verkorksten öffentlichen Diskurs zu retten." Was können wir also alle von Battlerap?
Dass es möglich ist, sich ziemlich übel Sachen an den Kopf zu werfen, wenn man vorher genau verabredet hat, dass es Regeln dafür gibt. Und wenn man nachher sich die Hand gibt und in die Augen schaut und sagt wir haben uns jetzt wirklich bis auf Blut beschimpft, aber jetzt ist auch wieder in Ordnung. Das ist eine wertvolle Kulturtechnik, sich offen zu sagen, was man überhaupt nicht aneinander leiden kann und hinterher zu sagen, das fand in einem geregelten Rahmen statt - und jetzt ist auch wieder gut!
Das Buch "Battlerap. Die Kunst der Beleidigun" ist im Ventil Verlag erschienen und kostet 22,00€