trans Künstlerin jasmine.4.t "Wir haben immer existiert und wir werden immer existieren!"
Lucy Dacus hat sie entdeckt und boygenius haben ihr Debüt produziert: jasmine.4.t ist eine trans Frau, macht Indie Folk und hat gerade ihre erste LP veröffentlicht. Mit ihren soft-rockigen Songs klingt sie melancholisch wie Elliott Smith. Doch das Album ist auch hochpolitisch.
Zündfunk: Jasmine, deine Platte ist unser Album der Woche. Was ist die Story hinter dem Titel "You Are The Morning"?
Das waren Songs, die ich während einer sehr, sehr schweren Zeit geschrieben habe. Zu Anfang meiner Transition. Ich hatte gerade mein Coming Out mit den engsten Menschen in meinem Leben und es ist nicht gut gelaufen. Meine Ehe war zu Ende. Ich habe mein Zuhause verloren. Ich war obdachlos für eine Zeit und habe meine Heimatstadt Bristol im Süden Englands verlassen, um nach Manchester in den Norden zu ziehen. Dort habe ich eine Community gefunden. Freund*innen haben mich aufgenommen, ich habe bei ihnen auf dem Boden und dem Sofa geschlafen. Dort fand ich die Hoffnung und die Stärke , um meine Transition zu starten und dahin zu kommen, wo ich jetzt bin. Das war die Zeit, in der diese Songs entstanden sind. Und jetzt - Cut in die Gegenwart – nach dem Aufnahmeprozess haben wir gemerkt, das ganze Album trägt ein Gefühl von Hoffnung in sich. Und so haben wir den Titel “You Are the Morning” ausgewählt. Um diese queere Hoffnung auszudrücken, die Kraft, die queere Menschen und trans Menschen haben, die Welt um sich herum zu ändern. Ich bin da, um mit Solidarität das Leben anderer zu verschönern.
Mit diesen Songs, diesem Album bist du dann nach L.A. in ein Aufnahmestudio gegangen, zusammen mit einer Band voller trans Musiker:innen und zum Beispiel auch dem Trans Chorus Of L.A., die auf dem Song “Woman” zu hören sind. Als ich über diesen Aufnahmeprozess gelesen habe, hat sich das für mich richtig wholesome, richtig schön angehört. Wie war das für dich, mit so vielen Menschen im Studio zu sein, die vermutlich fühlen, was du fühlst, die dich verstehen und Verbündete für dich sind?
Es war der Wahnsinn. Ich freue mich, dass du den Chor erwähnst. Den Trans Chorus of L.A. Wir haben sie am letzten Tag der Aufnahmen dazugeholt und den größten Live-Aufnahme-Raum in den Sound City Studios gebucht. Die Studios sind richtig iconic und historisch. Fleetwood Mac haben dort aufgezeichnet, Nirvana haben dort aufgezeichnet. Und es hat sich wie ein sehr wichtiger Moment angefühlt. Dort zu sein und diesen Raum mit so vielen trans Menschen zu füllen. Songs aufzunehmen, die für die aktuelle Weltlage sehr relevant sind. Eine Welt, auf der trans Menschen gerade überall verfolgt werden. Fast wie ein Geschichtsmoment hat sich das angefühlt. Alles war sehr emotional.
Als der Chor anfing zu singen und meine Kollegin Phoenix, auch eine trans Frau, ihn anleitete, das war ein wunderschöner Sound. Stimmen von trans Menschen sind magisch. Ich habe mich dann umgedreht und sah Lucy Dacus neben mir, mit Tränen in den Augen. Es war wunderschön. Wir haben viel durchgemacht in dieser Zeit. Zum Beispiel als wir den Song “New Shoes” aufgenommen haben. Da bin ich in der Gesangskabine einfach komplett zusammengebrochen. Der Song ist über meine frühere Beziehung, die später zu meiner Ehe wurde. Das zu singen, während ich gerade durch meine Scheidung ging, war sehr schmerzhaft. Und als ich dann am Ende des Takes in der Gesangskabine weinte, kamen alle meine Bandmitglieder und die von boygenius herein und hielten mich im Arm. Eine Soundkulisse, die wir am Ende auch in der Aufnahme des Songs drin gelassen haben. Weil es sich wichtig angefühlt hat. Eine sehr schöne Erfahrung und es ist einfach ein Traum wahr geworden, mit diesen Leuten zusammen aufzunehmen.
Wie kam es überhaupt zur Zusammenarbeit mit boygenius?
Es hat alles in Bristol angefangen. Fast zehn Jahre lang habe ich versucht, dort meine Musikkarriere zu starten. Pre-Transition. Eines Tages waren wir Vorband für eine andere Band, aber der Veranstalter bezahlte uns nicht. Wir sind sehr wütend geworden und die andere Band ebenfalls. Der Veranstalter kam von einem großen Unternehmen und war richtig unfreundlich. Er meinte zu uns, wir würden nie wieder in dieser Stadt irgendwo spielen. Aber es gab noch den lokalen Veranstalter, ein sehr netter süßer Man, dem das alles sehr leid tat. Er meinte er fühlt sich so schlecht, dass er uns helfen und uns ein paar gute Gigs verschaffen möchte. Bei einem der Gigs, für die er mich gebucht hatte, durfte ich solo für Lucy Dacus die Show eröffnen. Das war ihre erste Album-Tour für "No Burden". So eine große Ehre, vor ihr zu spielen! Dazu haben wir uns richtig gut verstanden und mit ihrer Band zusammen vor der Show Pizza gegessen.
Ein paar Monate später habe ich eine SMS von ihr bekommen mit der Frage, ob ich sie auf ihrer Europa-Tour begleiten möchte, für ihr zweites Album. Das war wild! Ich habe zugesagt und wir haben richtig gebondet auf dieser Tour. Danach sind wir richtig eng zusammengewachsen, haben ständig Demos und Songs ausgetauscht. Lucy war auch eine der ersten Personen, bei der ich mein Coming Out hatte. Nachdem ich dann nach Manchester gezogen bin, habe ich "Skin on Skin" mit ihr geteilt, einer der ersten Songs, die ich für das Album geschrieben hatte. Ein Song über die queere Liebe und darüber, das erste mal richtig als Frau gesehen zu werden von jemandem, auf romantische Art. Lucy fand den Song richtig gut und meinte, sie würde ihn gerne produzieren. Ich hatte bisher gar nicht darüber nachgedacht und sagte ihr, dass wir das gerne irgendwann mal ausprobieren können.
Wieder ein paar Monate später schrieb sie mir eine SMS, dass sie Phoebe Bridgers meine Demos im Auto gezeigt hatte und das die bereits ihren Manager kontaktiert hatte, um mich zu finden. Lucy fragte dann: Bist du bereit dafür? Und ich antwortete: Muss ich ja wohl sein! Einen Tag nachdem ich dann für boygenius in Manchester als Vorband aufgetreten bin, hat Phoebe mich bei Saddest Factory Records gesignt. Und dann haben sie uns alle nach L.A ausgeflogen um das Album zu produzieren.
Der Song "Elephant" ist mein persönlicher Favorit auf dem Album. Es geht darin um deine erste Erfahrung mit queerer Liebe, mit trans Liebe. Was genau hat dich dazu bewegt, diesen Song zu schreiben?
Ja, natürlich! Ich habe diesen Song geschrieben, kurz nachdem ich nach Manchester gezogen bin. Ich hatte zwar endlich eine etwas stabilere Wohnsituation, aber dafür sehr mit meiner psychischen Gesundheit zu kämpfen. Ich hatte eine schlimme posttraumatische Belastungsstörung von mehreren gewaltvollen Hassverbrechen, die ich erlebt habe. Dazu kam noch meine Scheidung. Mir ging’s also gar nicht gut. Trotzdem hatte ich mich in ein Mitglied der trans Community in Manchester verliebt. Aber wir waren beide nicht bereit für eine Beziehung, also haben wir uns dazu entschieden, befreundet zu bleiben. Und der Song handelt über genau diese Sehnsucht. Dieser Schmerz, aber auch die Freude, einfach nur Zeit miteinander zu verbringen, wenn du eigentlich mehr als befreundet sein willst.
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jasmine.4.t - Elephant (Official Video)
Als trans Mensch wird man oft nur aufgrund der eigenen Existenz automatisch als aktivistisch angesehen. Stört dich das?
Ich glaube, jeder sollte Teil der Bewegung für trans Rechte sein. Jeder sollte generell die Kämpfe der anderen mitführen. Meine pure Existenz als trans Person ist politisiert. Es ist einfach unmöglich für mich, das zu umgehen. Aber ich bin sehr stolz darauf, dass ich trans bin. Und ich finde es nicht nervig, als trans Musikerin oder trans Act bezeichnet und engagiert zu werden. Ich sehe es als Aufgabe, diese Debatte in den Mainstream zu bringen.
Obwohl man mal festhalten muss: trans Menschen haben immer existiert und werden auch immer existieren. Daran ändert auch Präsident Trumps Dekret nichts, dass es ab jetzt nur noch zwei Gender geben soll, nämlich Mann und Frau in den USA.
Natürlich. Es ist total wild, dass die Leute denken, man könnte die Nicht-Existenz von trans Menschen per Gesetz erlassen. Es ist schrecklich und wird schlimme Konsequenzen haben. Zum Beispiel für trans Personen in Gefangenschaft oder Personen, die mehrfach diskriminiert sind. Das alles ist nur dazu da, um die Gewalt gegen die trans Community noch zu fördern. Aber wie du schon sagst. Wir haben immer existiert und wir werden immer existieren! Schon zu Zeiten der Römer gab es kastrierte Priester:innen. Oder es gibt die Hidschra Indien, die schon immer ein wichtiger Teil deren Gesellschaft waren. Es ist wild für uns, gerade zu existieren. Aber es fühlt sich auch wichtig an, gerade in dieser Zeit zu leben.