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Pimmelfeste adé Diese Festivals schaffen, woran Rock im Park kläglich scheitert

Frauen haben auf vielen Festival-Bühnen noch immer Seltenheitswert. Bei Rock im Park stehen insgesamt 255 Artists auf den Bühnen, darunter 13 Frauen. Dass es auch anders gehen kann, zeigt das Actionella-Festival in München und das Puls Open Air.

Von: Johanna Hintermeier

Stand: 06.06.2024 | Archiv

ARCHIV - 03.06.2023, Rheinland-Pfalz, Nürburg: Ein Festivalbesucher versucht während des Auftritts der Rapper von KIZ an der Hauptbühne des Festivals ·Rock am Ring· am Nürburgring einen Stagedive. (zu dpa: ««Senioren im Park» - mehr Ältere auf großen Festivals») Foto: Thomas Frey/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Bild: dpa-Bildfunk/Thomas Frey

Rock im Park: nur 5 Prozent Frauen auf der Bühne

Dieses Wochenende findet mit 60 000 Besucher*innen eines der größten Festivals in Deutschland statt: Rock im Park. Was das Publikum angeht, dürften gut und gerne an die Hälfte Frauen sein. Das spiegelt sich aber nicht unbedingt auf den Bühnen wieder. Zündfunk-Recherchen zufolge werden 255 Menschen dort auf Bühnen performen, also Bandmitglieder und Solo-Künstler*innen. Und wie viele davon sind Frauen? Dreizehn. Das sind nicht ganz fünf Prozent aller Acts.

Warum es so wenig weibliche Artists auf die Bühne geschafft haben? Die Presseanfrage lässt Rock im Park bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Mehr Frauen auf Bühnen ist Newcomerinnen-Förderung

211 Kilometer südlich vom Rock-im-Park-Gelände findet ein Festival statt, dass es besser macht. Andy Barsekow ist beim Puls Open Air auf Schloss Kaltenberg verantwortlich fürs Booking. Hier werden am Wochenende 36 männliche und 28 weibliche Artists zu sehen sein. Barsekow sagt: "Die Gäste beim Puls Open Air sind bei uns zu 60 bis 65 Prozent weiblich. Da war es für uns einleuchtend, das auf der Bühne abzubilden. Mädchen sind ja nicht nur Fans, sondern auch angehende Musiker*innen." Weibliche Artists auf die Bühne zu bringen, sagt er, hätte auch mit Newcomerinnen-Förderung zu tun.

Actionella will es anders machen

Und genau das hat sich ein kleines aber feines Festival in München auf die Fahnen geschrieben. Das Actionella Festival findet dieses Jahr zum ersten Mal statt, auf dem Gelände der Genossenschaft wagnisART im Domagk-Viertel.

Der Name ist eine Anlehnung an „woman in action“ und an das Coachella-Festival in Kalifornien. Freitag und Samstag treten hier in drei Locations insgesamt 18 Bands auf. Ein diverses Line-up und ein Genremix erwarten die Gäste.

Rapperin Gündalein singt über sich selbst, sie sei "booked and busy".

Das Besondere: Die Organisatorinnen haben ein All-Women-Line-up aufgestellt. Die Idee, erzählt Victoria Meyer-Hoffmann, kam vor zwei Jahren: "Wir haben selbst eine Frauen-Band und merken, dass es schwierig ist, wo aufzutreten. Und da haben wir gesagt, wir bündeln das und aus Solidarität mit Frauen-Bands veranstalten wir ein großes Festival".

Vor allem Menschen, die sich als Frau identifizieren, sollten gebookt werden. Viele junge Münchner Künstlerinnen sind am Start: dimila, Kokonelle, Gündalein. Auch die Rapperinnen Taiga Trece und Kerfor kommen.

Männer dürfen kommen und die Musik genießen

Dabei wollten die Veranstalterinnen nicht dogmatisch sein. Für sie ist es selbstverständlich, dass auch Männer im Publikum stehen können und Fans von Frauen-Bands oder Solo-Künstlerinnen sind. In den Vorbereitungen diskutierten sie, ob es ein Flinta-Festival werden sollte. Nachdem nun aber keine non-binären Personen auftreten, haben sie es als "women on stage"-Festival betitelt.

Frauen und Mädchen sollen auf und hinter der Bühne stehen

Rapperin Kokonelle hat kein Verständnis für männerdominierte Line-ups.

Das Festival will auch dafür sorgen, "dass Frauen sich trauen, in die Produktion zu gehen. Die Strippen in die Hand zu nehmen für ihre eigenen Werke", sagt Corinna Sekatzek-Gütlein, Mitorganisatorin. Dafür gibt es auf dem Festival Workshop-Angebote für Mädchen: einen Schlagzeugkurs etwa oder Seminare, zum Beispiel zum Thema: "Wie gründe ich meine eigene Band".

Kokonelle: Wir brauchen mehr solche Festivals

Die Münchner Sängerin und Rapperin Kokonelle unterstützt das Festival, sie sagt:

"Die Idee, ein All-Women-Line-up-Festival aufzubauen, finde ich sehr essenziell. Es shiftet die Idee, dass im Musikgeschäft ein krasses Line-up nur mit Männern aufgebaut werden kann und öffnet die Möglichkeit zu zeigen, welche Frauen in der Münchner Musikszene aktiv sind. Kurz gesagt: Wir brauchen mehr davon."

- Kokonelle, Rapperin und Sängerin

Es wird auch Bands mit männlichen Mitgliedern geben

Trotzdem werden auch Männer auf der Stage bei Actionella stehen, wenn sie etwa Mitglieder einer Band sind. So auch die Band Lats, die vor dem Festival noch mal in den Räumen der Genossenschaft proben. Lats, ein Akronym für "Lucca and the Sidekicks" – beschreiben ihre Frontfrau Lucca als "die Rampensau" und sich selbst als bühnenscheu. Gitarrist Frank betont: "Ich finde die Idee eines All-Women-Festivals einfach gut! Wir werden uns auch auf der Bühne zurück nehmen, wir werden nicht Stagediving machen" – Frontfrau Lucca ruft empört: "Warum nicht?", und lacht.

Der Wunsch des Actionella-Teams: sich dauerhaft in der Münchner Musikszene zu etablieren.

Das Actionella Festival findet am 7. und 8. Juni 2024 im Domagk-Viertel in München statt. Es gibt noch Tickets.