Pimmelfeste adé Diese Festivals schaffen, woran Rock im Park kläglich scheitert
Frauen haben auf vielen Festival-Bühnen noch immer Seltenheitswert. Bei Rock im Park stehen insgesamt 255 Artists auf den Bühnen, darunter 13 Frauen. Dass es auch anders gehen kann. Das zeigen das Actionella-Festival in München, das Heroes Festival und das Puls Open Air.
Rock im Park: nur 5 Prozent Frauen auf der Bühne
Dieses Wochenende findet mit 60 000 Besucher*innen eines der größten Festivals in Deutschland statt: Rock im Park. Was das Publikum angeht, dürften gut und gerne an die Hälfte Frauen sein. Das spiegelt sich aber nicht unbedingt auf den Bühnen wieder. Zündfunk-Recherchen zufolge werden 255 Menschen dort auf Bühnen performen, also Bandmitglieder und Solo-Künstler*innen. Und wie viele davon sind Frauen? Dreizehn. Das sind nicht ganz fünf Prozent aller Acts.
Warum es so wenig weibliche Artists auf die Bühne geschafft haben? Die Presseanfrage lässt Rock im Park bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Mehr Frauen auf Bühnen ist Newcomerinnen-Förderung
Auf dem Heroes-Festival, das insgesamt vier verschiedene Line-Ups und Standorte in Deutschland hat, spielt es sich viel frauenlastiger. Das noch relativ frische, kleinere Heroes-Festival in Buchenberg im Allgäu setzt auf Frauen-Power. Hier ist der weibliche Anteil bei knapp über 30 Prozent. Frauen wie Val, Mara, Domiziana oder badmómzjay werden im idyllischen Bayern zu musikalischen Super-Heroes. In Freiburg ist Feminismus-Superstar Shirin David sogar Headlinerin - auf dem gesamten Festival treten 15 weibliche Künstlerinnen auf, während um die 40 Männer auf der Bühne performen. Die Female-Acts machen so immerhin schon fast 40 Prozent aus.
211 Kilometer südlich vom männerdominierenden Rock-im-Park-Gelände findet noch ein Festival statt, dass es auch besser macht. Andy Barsekow ist beim Puls Open Air auf Schloss Kaltenberg verantwortlich fürs Booking. Hier werden am Wochenende 36 männliche und 28 weibliche Artists zu sehen sein. Barsekow sagt: "Die Gäste beim Puls Open Air sind bei uns zu 60 bis 65 Prozent weiblich. Da war es für uns einleuchtend, das auf der Bühne abzubilden. Mädchen sind ja nicht nur Fans, sondern auch angehende Musiker*innen." Weibliche Artists auf die Bühne zu bringen, sagt er, hätte auch mit Newcomerinnen-Förderung zu tun.
Actionella setzt noch eins drauf
Das kleine, aber feine Festival in München hat sich Feminismus auf die Fahnen geschrieben. Das Actionella Festival findet dieses Jahr zum ersten Mal statt, auf dem Gelände der Genossenschaft wagnisART im Domagk-Viertel.
Der Name ist eine Anlehnung an „woman in action“ und an das Coachella-Festival in Kalifornien. Freitag und Samstag treten hier in drei Locations insgesamt 18 Bands auf. Ein diverses Line-up und ein Genremix erwarten die Gäste.
Das Besondere: Die Organisatorinnen haben ein All-Women-Line-up aufgestellt. Die Idee, erzählt Victoria Meyer-Hoffmann, kam vor zwei Jahren: "Wir haben selbst eine Frauen-Band und merken, dass es schwierig ist, wo aufzutreten. Und da haben wir gesagt, wir bündeln das und aus Solidarität mit Frauen-Bands veranstalten wir ein großes Festival".
Vor allem Menschen, die sich als Frau identifizieren, sollten gebookt werden. Viele junge Münchner Künstlerinnen sind am Start: dimila, Kokonelle, Gündalein. Auch die Rapperinnen Taiga Trece und Kerfor kommen.
Männer dürfen kommen und die Musik genießen
Dabei wollten die Veranstalterinnen nicht dogmatisch sein. Für sie ist es selbstverständlich, dass auch Männer im Publikum stehen können und Fans von Frauen-Bands oder Solo-Künstlerinnen sind. In den Vorbereitungen diskutierten sie, ob es ein Flinta-Festival werden sollte. Nachdem nun aber keine non-binären Personen auftreten, haben sie es als "women on stage"-Festival betitelt.
Frauen und Mädchen sollen auf und hinter der Bühne stehen
Das Festival will auch dafür sorgen, "dass Frauen sich trauen, in die Produktion zu gehen. Die Strippen in die Hand zu nehmen für ihre eigenen Werke", sagt Corinna Sekatzek-Gütlein, Mitorganisatorin. Dafür gibt es auf dem Festival Workshop-Angebote für Mädchen: einen Schlagzeugkurs etwa oder Seminare, zum Beispiel zum Thema: "Wie gründe ich meine eigene Band".
Kokonelle: Wir brauchen mehr solche Festivals
Die Münchner Sängerin und Rapperin Kokonelle unterstützt das Festival, sie sagt:
"Die Idee, ein All-Women-Line-up-Festival aufzubauen, finde ich sehr essenziell. Es shiftet die Idee, dass im Musikgeschäft ein krasses Line-up nur mit Männern aufgebaut werden kann und öffnet die Möglichkeit zu zeigen, welche Frauen in der Münchner Musikszene aktiv sind. Kurz gesagt: Wir brauchen mehr davon."
- Kokonelle, Rapperin und Sängerin
Es wird auch Bands mit männlichen Mitgliedern geben
Trotzdem werden auch Männer auf der Stage bei Actionella stehen, wenn sie etwa Mitglieder einer Band sind. So auch die Band Lats, die vor dem Festival noch mal in den Räumen der Genossenschaft proben. Lats, ein Akronym für "Lucca and the Sidekicks" – beschreiben ihre Frontfrau Lucca als "die Rampensau" und sich selbst als bühnenscheu. Gitarrist Frank betont: "Ich finde die Idee eines All-Women-Festivals einfach gut! Wir werden uns auch auf der Bühne zurück nehmen, wir werden nicht Stagediving machen" – Frontfrau Lucca ruft empört: "Warum nicht?", und lacht. Der Wunsch des Actionella-Teams: sich dauerhaft in der Münchner Musikszene zu etablieren.
Das Actionella Festival findet am 7. und 8. Juni 2024 im Domagk-Viertel in München statt. Es gibt noch Tickets.
Das Heroes Festival findet an folgenden Locations statt: Geiselwind: 14. bis 15. Juni 2024 / Hannover: 09. bis 10. August 2024 / Allgäu: 23. bis 24. August 2024 / Freiburg: 06. bis 07. September 2024. Tickets.