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Meinung: "L'amour toujours" verbieten? Der Song von Gigi D'Agostino sollte nicht verboten werden, ABER...

Nicht erst seit Sylt wird der Song "L'amour toujours" von DJ Gigi D'Agostino für rassistische Parolen missbraucht. Auf der Wiesn soll das Lied nun verboten werden. Es geht auch anders, findet unsere Autorin.

Von: Alba Wilczek

Stand: 27.05.2024 | Archiv

Rassistische Gesänge auf Sylt | Bild: Bayerischer Rundfunk 2024

Es ist Freitagnachmittag. Gerade ist das Video aus Sylt viral gegangen und dementsprechend geht es in meiner Instagram-Bubble ab: Empörung, Einordnung, Memes und Statements. Und dann ist da plötzlich eine Instagram-Story von einem DJ, der filmt, wie er den Song "L'amour toujours" aus seiner DJ-Bibliothek schmeißt. Dazu der Einzeiler: "Sorry, Gigi". Song gelöscht, Problem gelöst. Oder? 

Verbot von "L'amour toujours" der falsche Weg

Spoiler: Natürlich nicht. Den Song zu canceln, oder gar ein Verbot dafür auszusprechen, wie jetzt für die kommende Wiesn geschehen, ist zwar punktuell wirksam, eigentlich aber nur Symptombekämpfung. Denn Überraschung: Der Song ist nicht das Problem. Das Problem heißt: Rassismus. Das ist der faule Zahn, der unserer Gesellschaft gezogen werden muss. Ein Zahn, der leider tief und strukturell verwurzelt ist, und zwar – wie das Sylt-Video zeigt – in allen Schichten und Altersklassen.   

Denn den rassistischen Alternativ-Text von "L'amour toujours" haben sich die weißen privilegierten Pony-Club-Gäste nicht etwa spontan bei einem Glas Dom Perignon ausgedacht. Schon im vergangenen Jahr ist der Song zu einer rechten Chiffre geworden. 

Vorfall auf Sylt nur ein Beispiel in einer Reihe von vielen

Rechtes Gegröle auf der Wiesn verhindern Oktoberfest-Verbot für "L' Amour Toujours"

Sylt ist also nur ein Beispiel in einer Reihe von vielen. Aber spätestens jetzt muss jedem klar sein, wofür der Song mittlerweile auch steht: für die Nazi-Parole "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus." Und: Sylt ist nicht der letzte Vorfall dieser Art, auch wenn die Wiesn "L'amour toujours" nun verbieten will. Was also tun, wenn wir selbst damit konfrontiert werden?  

Was tun, wenn Ihr selbst bei einem solchen Vorfall dabei seid?

Ihr könnt die Szene dokumentieren und festhalten, wer die strafrechtlich relevanten, rassistischen Zeilen mitsingt und das Video an die Polizei als Beweismittel weitergeben. Wichtig dabei: Achtet darauf, euch nicht selbst in Gefahr zu bringen.  

Ihr könnt die Band, den DJ und/ oder die Veranstalter, die das Lied spielen, auch darauf ansprechen und zur Rede stellen. Nach der großen medialen Berichterstattung zu Sylt kann niemand mehr von sich behaupten, man hätte von der Vereinnahmung durch Rechtsextreme nichts gewusst. Und: Man kann das Lied reclaimen und eigene Parolen darauf singen. Im Netz kursieren auch schon Videos davon, wie beispielsweise in Berlin "Deutschland ist multi, alle Nazis raus" dazu gesungen wird.

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Instagram-Beitrag von nein.zur.afd | Bild: nein.zur.afd (via Instagram)

Du hast als DJ ein Mikro? Nutze es!

Und wie ich selbst als DJ damit umgehe? Kann man den Song noch spielen? Ja, ABER: Man kann den Song mit seinem Kontext nicht einfach so blind in den Raum hineinschmeißen. Du hast als DJ ein Mikro? Nutze es! Denn wer kann schon sicher vorhersagen, wer was zu dem Song mitgrölt. Und es könnten ja auch Menschen in der Crowd sein, die dadurch getriggert werden, oder den Song, egal mit welchem Text, als rechte Chiffre verstehen. 

Für mich persönlich klingt die Option "einfach nicht spielen” am besten. Es gibt noch hundert andere Partybanger dieses Kalibers, und: Der Song hat ohnehin eine problematische Background-Story: Den Refrain in "L'amour toujours" singt der britische Soul-Sänger Ola Onabulé. Für die Session Ende der 90er, bei der er zusammen mit Gigi D'Agostino am Text und an der Gesangsmelodie des Songs mitgearbeitet hat, hat er damals umgerechnet nur 1.275 Euro bekommen. Und D'Agostinos Team hat Onabulé anschließend weder darüber informiert, dass sie seine Stimme nun tatsächlich für den Song genutzt haben, noch, dass der Song zum Welthit geworden ist.  

Ein Verbot besiegelt die Vereinnahmung des Songs durch die Rechtsextremen

Ein Verbot wäre trotzdem das falsche Signal. Es verschiebt den Fokus im Kampf gegen Rechtsextremismus und besiegelt die Vereinnahmung des Songs durch die Rechtsextremen. Anstatt zu versuchen, Songs zu canceln, sollten wir uns lieber mit nachhaltigen Ansätzen beschäftigen: wählen gehen, politisch aktiv werden, Alltags-Rassismus bekämpfen. Amour Toujours? Liebe, immer, überall? Nein. Hass können wir nicht allein mit Liebe begegnen. Aber auch nicht allein mit Verboten.