Auf in die Matrix! Der Dokumentarfilm "Krieg und Spiele"
Gibt es einen sauberen Krieg? Sind Drohnen eine "feige Waffe"? Der Angreifer riskiert nichts, es wird vom Bildschirm aus getötet - scheinbar präzise und ohne "Kollateralschäden". Der Dokumentarfilm "Krieg und Spiele" aber entlarvt den Roboterkrieg als zutiefst unmoralisch.
Wer schon mal die Serien "24" oder "Homeland" gesehen hat, kennt sie schon ein bisschen, die moderne Kriegsführung. Ferngesteuerte Drohnen zerstören zielgenau Gebäude und töten Menschen, während die Leute an den Steuerungsanlagen ihr Werk aus sicherer Entfernung auf dem Bildschirm verfolgen. Der Film "Krieg und Spiele" stellt uns anfangs in einem Crash-Kurs die rasante Entwicklung der Drohnen-Technologie vor. Wir sehen Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern, die ungeheuer stolz sind auf ihre Leistungen, auf den Fortschritt, den ihre Schöpfungen in letzter Zeit gemacht haben. Längst erlebt der Drohnenkrieg aber eine heftige intellektuelle Debatte. Kritiker halten die bewaffneten, unbemannten Flugobjekte für eine "feige Waffe", weil der Angreifer nichts riskiert. Aber für den Politikwissenschaftler Herfried Münkler sind Drohnen einfach nur eine konsequente Erscheinung der Gegenwart. Die westlichen Gesellschaften neigten eben dazu, ein Höchstmaß an Sicherheit anzustreben.
"Man kann nur von einer feigen Waffe sprechen, wenn man bereit ist, gewissermaßen anstelle der Waffe das Risiko des Todes auf sich zu nehmen. Wenn das so ist, dann müssen wir auch akzeptieren, dass eine post-heroische Gesellschaft eine post-heroische Waffe hervorbringt. Und die Drohne - mit allem was dazugehört – ist nun einmal eine post-heroische Waffe. Und Hegel sagt: 'Die Waffe ist das Wesen des Kämpfers', und insofern ist die Drohne und ihr Einsatz - in welcher Form auch immer - das Wesen der post-heroischen Gesellschaft."
Herfried Münkler, Politikwissenschaftler
Nun könnte man post-heroische Gesellschaften in ihrem Sicherheitswahn natürlich auch als Feiglingsgesellschaften beschreiben. Und das tut in diesem Film Oberst Lawrence Wilkerson, ehemaliger Stabschef der US-Army unter Verteidigungsminister Colin Powell. Für Wilkerson sind Soldaten, die Drohnen und Kampfroboter bedienen, Mörder und Attentäter, weil sie - anders als die Soldaten in konventionellen Kriegen - kein Risiko mehr eingehen, genauso die Software-Entwickler:
"Diese Techniker arbeiten ja schon für uns. Sie gehören zur Luftwaffe, und sie machen mir Angst. Diese Leute haben keine ethischen Grundsätze, keine Moral. Sie sind unpolitisch. Sie kümmern sich ausschließlich um die Technologie, mit der sie arbeiten. Silicon Valley hat Tausende von diesen Leuten produziert. Ich treffe sie, ich rede mit ihnen und ich weiß, was sie wollen. Und das macht mir Angst. Sie haben absolut keinen ethischen Kompass. Sie fragen sich nur, wie sie die Technik perfektionieren können. Sie fragen sich nur, wie sie ihre eigenen oder die Wünsche ihrer Kunden erfüllen können. Und wir erschaffen diese Leute in unseren Universitäten, in den Unternehmen, in unserer Gesellschaft."
Lawrence Wilkerson, Stabschef der US-Army a.D.
Ethik und Moral? Fehlanzeige
Spätestens hier darf man sich schon mal fragen, ob es um die Ethik und Moral der Soldaten in den Kriegen der Vergangenheit besser bestellt war als bei den Programmierern von heute. Diese Frage stellt die Filmemacherin Karin Jurschick aber nicht. Sie verfolgt mit ihrem Film "Krieg und Spiele" eine Mission und die ist eindeutig: Der Einsatz von Drohnen und Robotern im Krieg ist zutiefst unmoralisch. In streckenweise spektakulären Bildern bekommen wir immer wieder Einblicke in die Labore von Wissenschaftlern, die eher berauscht sind von den neuen Möglichkeiten. Dazu gehören auch lernfähige Roboter. Die bayerische Software-Unternehmerin und Buchautorin Yvonne Hofstetter, die am Ende des Films auftaucht, ist gleichzeitig fasziniert und erschrocken über die Perspektiven, die sich inzwischen auftun. Leicht möglich, dass Roboter bald zu einer höheren Moral gelangen könnten als die Menschen. Aber was hätte das für Folgen?
Maschinen werden intelligenter als wir
"Wir müssen uns entscheiden, wie die Mensch-Maschine in Zukunft aussieht. Denn im Moment entwickeln sich Maschinen eben dahin, keine Werkzeuge mehr zu sein. Heute gehen wir weg von diesem reinen Werkzeug-Charakter hin zu einem viel größeren, autonomen Verhalten, das auch asynchron ist, d.h. diese Maschinen warten nicht auf irgendeine Eingabe von uns. Die handeln irgendwann selbstständig und holen sich die Daten beispielsweise auch aus Sensoren, die wir halt einfach eingebaut haben in unserem Internet der Dinge, einschließlich Straßen und Gehwege, wenn ich an Smart Cities denke. Wenn wir Maschinen dann weiter so autonom werden lassen, dass sie vielleicht uns Menschen mal überschreiben, intelligenter sind als wir, dann kann eben genau das passieren, dass Maschinen sich unter Umständen sagen: Moment mal, diese Erde könnte so friedlich sein, die einzigen Störenfriede sind die Menschen - bitte neutralisieren!"
Yvonne Hofstetter, Software-Unternehmerin und Buchautorin
Und wenn die Gegenwart jetzt schon so aussieht wie "24" oder "Homeland", dann könnte es eben leicht sein, dass die Zukunft so aussieht wie der Film "The Matrix": Maschinen beherrschen die Welt und die Menschen sind nur noch ihre Rohstoff-Lieferanten, denen man die Lebenskraft aussaugt. "Krieg und Spiele" - das ist bei aller beachtlichen Recherche, die hier geleistet wurde, ganz klar ein Szenario des Horrors. Man kann allerdings nicht mehr als hoffen, dass sich dieses Szenario nicht bestätigt.