Alpine Orte der Kraft Die Michaelsgrotte am Hochfelln
Der Hochfelln ist sicher einer der bekanntesten Gipfel im südlichen Chiemgau: im Winter ein Skiberg mit Liftbetrieb, im Sommer ein beliebtes Wanderziel.
Wer will, kann die wenig schweißtreibende Variante wählen und mit der Seilbahn hinaufschweben auf den 1674 Meter hohen Gipfel mit grandioser Aussicht.
Wer es lieber etwas einsamer mag, der sollte von Ruhpolding aus auf den Hochfelln steigen. Im Ortsteil Bacherwinkl führt eine schmale Straße Richtung Steinbergalm. Das ist auch der Ausgangspunkt für unsere Wanderung zur Michaelsgrotte – ein Ziel mit einem ganz besonderen Zauber, sagen die Einheimischen, ein Ziel zum Pilgern, Beten und Wandern.
Hildegard Ringsgwandl aus Ruhpolding kennt den schmalen Pfad durch den lichten Mischwald hinauf zur Strohnalm. Auf dem Waldboden liegen Baumstämme mit großen Ästen – noch immer Spuren von Sturm Kyrill. Inmitten dieser Baum- und Wurzel-Wildnis wachsen aber auch Walderdbeeren und viele Heilkräuter.
Die letzten Bäume vor einer weiten Lichtung schmiegen sich eng aneinander – ein Zeichen für besondere Kraftfelder und einen energetisch guten Platz, sagt die Wanderführerin. Auf der Lichtung liegt ein mächtiger grauer Felsriegel mit verstreuten Findlingen ringsum. Für Farbtupfer sorgt ein Wildrosenstrauch mit leuchtend roten Hagebutten, die hier scheinbar besonders prächtig wachsen. Auch in die bekannten Bachblüten gehört die Hagebutte mit hinein, erklärt Hildegard Ringsgwandl. Sie ist praktische Ärztin, hat auch die chinesische Medizin erlernt und befasst sich seit vielen Jahren mit Naturheilkunde. In diesem Jahr ist sie zum ersten Mal als Kraftplatz-Führerin unterwegs und erläutert die Landschaft: hier der Zwiesel, dort im Süden das Sonntagshorn, der Hochfelln mit seinen drei pyramidenförmigen Waldköpfen, die schon allein von ihrer Form her die Energie einfangen und wie eine Antenne wirken.
Noch ein paar Stufen, dann ist die Michaelsgrotte erreicht. Graue Felsplatten schichten sich auf, in einer Ecke haben Pilgern kleine Holzkreuze in die Felslandschaft gesteckt. Auf einem Vorsprung stehen Figuren: der heilige Michael mit Drachen, Bernadette von Lourdes und eine Marienfigur. In der Grotte, so Hildegard Ringsgwandl, spiegelt sich das das weibliche Prinzip, sie ist Maria zugeordnet und alle Marienorte sind Erdmutterorte, besitzen eine erdende Kraft, fördern die Fruchtbarkeit und helfen in Trauer und Not.
Vor über hundert Jahren wurde die Michaelsgrotte am Hochfelln gesegnet und eingeweiht. Michael Schnellinger aus Bergen hatte sie entdeckt. Einmal im Jahr wird hier ein Gottesdienst gefeiert. Manche Wanderer bleiben ein paar Minuten für ein Gebet oder auch nur um den Ort und seine Stille zu genießen. Aus den Felsstufen neben der Grotte wachsen Bäume in den Himmel.
Auch rund um die Hütten der nahegelegenen Strohnalm wächst und gedeiht die Natur in erstaunlicher Fülle und sogar die Vögel zwitschern an diesem Oktobertag. Kein Zufall, sagt Hildegard Ringsgwandl, denn Untersuchungen haben gezeigt, dass das Vogelgezwitscher die Pflanzenporen für die Aufnahme von Wasser und Licht öffnet.