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Hashimoto, Morbus Basedow Wenn die Schilddrüse verrückt spielt

Die eine friert, ist müde und nimmt scheinbar grundlos zu. Die andere schwitzt, ist ruhelos und verliert immer mehr an Gewicht: Schuld sind in beiden Fällen Erkrankungen der Schilddrüse. Gesundheit! hat zwei Patientinnen begleitet: Stefanie Obster leidet an der Autoimmunerkrankung Hashimoto, also an einer Unterfunktion - Inga Koch an der Autoimmunerkrankung Morbus Basedow, also an einer Überfunktion der Schilddrüse.

Von: Julia Richter

Stand: 20.01.2020

Schilddrüse: Hashimoto und Morbus Basedow | Bild: Screenshot BR

Die Schilddrüse ist ein schmetterlingsförmiges Organ direkt unter dem Kehlkopf. Sie steuert den gesamten Stoffwechsel, sie ist also quasi die Schaltzentrale im Körper. Dort werden die lebenswichtigen Hormone T3 und T4 gebildet. Diese entfalten ihre Wirkung im ganzen Körper. Ob Herz, Gehirn, oder Verdauung: Auf alles hat die Schilddrüse Einfluss. Ohne sie geht im Körper gar nichts. Ist die Funktion gestört, kann der ganze Organismus aus dem Gleichgewicht geraten.

Hashimoto: Typische Symptome einer Schilddrüsen-Unterfunktion

Stefanie Obster ist eine echte Powerfrau. Die Krankenschwester studiert nebenbei, hilft auf dem elterlichen Hof und ist auch sonst sehr aktiv. Bis ihr vor einigen Jahren die Kraft ausgeht. Mit der Zeit wird sie immer müder und schlapper: Der ganze Alltag fällt ihr zunehmend schwer.

"Ich war immer recht müde, antriebslos, schlapp, matt. Am Ende kam ich kaum noch die Treppe hoch. Selbst im Urlaub und wenn ich frei hatte, war es schwierig, mich zu erholen. Ich hatte immer das Gefühl, ich komme nicht mehr richtig in die Gänge."

Stefanie Obster, Patientin

Bald spürt sie, dass sie sich immer schlechter konzentrieren kann. Außerdem ist ihr ständig kalt. Selbst im Sommer geht nichts ohne Wärmflasche, sie kauft sich sogar eine Heizdecke. Und obwohl sie nicht mehr ißt als sonst, nimmt sie immer mehr zu.

Hashimoto-Erkrankung: Diagnose

Jahrelang leidet die Patientin ohne die genaue Ursache zu kennen. Das ist nicht selten, denn die Symptome sind manchmal so unspezifisch, dass selbst Ärzte nicht gleich an die Schilddrüse denken. Durch einen Zufall wird bei Stefanie Obster die Unterfunktion entdeckt. Prof. Dr. Müller-Schilling von der Universität Regensburg ist spezialisiert auf Schilddrüsenerkrankungen.

"Die Hashimotoerkrankung ist eine der häufigsten Autoimmunerkrankungen überhaupt. Hier macht unser Immunsystem einen Fehler: Statt Bakterien und Viren zu bekämpfen, bekämpft es unsere Schilddrüse. Das führt zum Funktionsverlust der Schilddrüse. Sie arbeitet nicht mehr und das Schilddrüsengewebe wird durch eine chronische Entzündung zerstört."

Prof. Dr. med. Martina Müller-Schilling, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Regensburg

Im Ultraschall erscheint die entzündete Schilddrüse unruhiger und dunkler als bei einem gesunden Menschen. Wichtig für den Befund: Die Blutwerte. Bei einem Hashimoto zeigen sich bestimmte Antikörper im Blut, so wie das auch bei Stefanie Obster der Fall ist.

TSH-Wert

Der wichtigste Marker aber ist der sogenannte TSH-Wert. Das Hormon TSH wird von der Hirnanhangdrüse ausgeschüttet und stimuliert die Produktion der Schilddrüsenhormone T3 und T4. Diese haben wieder Einfluss auf den TSH-Wert – man spricht von einem Regelkreis. Ein erhöhter TSH-Wert deutet auf eine Unterfunktion hin. Bei einem Hashimoto ist das Schilddrüsen-Hormon TSH also deutlich erhöht.

Allerdings sagt eine einmalige Bestimmung des Wertes wenig aus. Denn das Hormon schwankt je nach Labor, Jahreszeit, Tageszeit, dem Alter, akuten Krankheiten und anderen Dingen. Deswegen muss ein auffälliger Wert regelmäßig nachkontrolliert werden.

Ab wann behandelt wird, ist eine wichtige Frage. Entscheidend ist nicht nur der TSH-Wert. Es kommt unter anderem auf die Beschwerden des Patienten an, auf das Alter, ob eine Frau zum Beispiel schwanger werden möchte: All das beeinflusst, ob man die Unterfunktion medikamentös behandelt oder nicht.

Der Normbereich für den TSH-Wert liegt derzeit zwischen 0,4 und 4,0 Milliunits pro Liter für einen Erwachsenen. Befindet sich ein Patient im Grenzbereich, zum Beispiel bei einem Wert von 4,0, kommt es auf die genannten Faktoren an, ob eine Behandlung sinnvoll ist oder nicht.

Bei Stefanie Obster ist der Fall klar: Ihr TSH-Wert beträgt 34 Milliunits pro Liter – er liegt um ein Vielfaches über dem erlaubten Wert.

"Wichtig ist: Wir behandeln nicht den TSH-Wert, wir behandeln den Menschen. Sollte der TSH-Wert nicht so eindeutig erhöht sein wie bei Frau Obster, empfiehlt es sich diesen zunächst eine Zeitlang zu kontrollieren und in Abhängigkeit von der Beschwerde-Symptomatik und vom Antikörperstatus die weiteren Therapieentscheidungen zu treffen."

Prof. Dr. med. Martina Müller-Schilling, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Regensburg

Die Behandlung einer Hashimoto-Erkrankung

Die Unterfunktion von Stefanie Obster wird mit Tabletten behandelt. Die fehlenden Schilddrüsenhormone werden künstlich ersetzt - durch den Wirkstoff L-Thyroxin. Stefanie Obster nimmt jeden Morgen nüchtern eine Tablette. Bei einer chronischen Unterfunktion müssen die Patienten lebenslang die Hormone ersetzen. Die Krankheit lässt sich gut behandeln. Typischerweise kann es aber etwas dauern, bis man richtig eingestellt ist.

"Angefangen habe ich mit 50 Mikrogramm L-Thyroxin. Mittlerweile nehme ich aber 75 Mikrogramm, weil die 50 Mikrogramm einfach zu wenig waren. Also, da ging es mir einfach noch nicht gut. Mittlerweile muss ich es jedes halbe Jahr kontrollieren lassen. Mit der Mikrogramm-Zahl geht es mir jetzt ganz gut."

Stefanie Obster, Patientin

Morbus Basedow: Überfunktion der Schilddrüse

Liegt eine Überfunktion vor, klagen viele Patienten über Hitzewallungen, Herzrasen, Zittern, Nervosität bis hin zur Aggression, Gewichtsabnahme trotz Appetit. Genau das war auch bei Inga Koch der Fall. Die Medizinstudentin stand ständig unter Strom, sie litt unter einer Überfunktion der Schilddrüse verursacht durch die Autoimmunerkrankung Morbus Basedow.

"Ich hatte dann auch so ein Zittern und Schweißausbrüche. Und ich war ziemlich launisch in der Zeit. Wenn dann auf einmal das Herz nicht mehr so will, wie es sollte, und man es auch null beeinflussen kann, bekommt man es wirklich mit der Angst zu tun."

Inga Koch, Patientin

Sie landet schließlich in der Notaufnahme im Klinikum Regensburg. Im Ultraschall zeigt sich: Die Schilddrüse ist vergrößert und sehr durchblutet. Die Laborwerte belegen: Sie hat Morbus Basedow. Dabei richten sich bestimmte Abwehrstoffe gegen körpereigene Schilddrüsenzellen und regen die Produktion von Hormonen an. Dabei werden zu viele Schilddrüsen-Hormone hergestellt. Die Folge: Der TSH-Wert ist viel zu niedrig, das heißt er ist kleiner als 0,1. Bei Inga Koch ist er inzwischen kaum noch nachweisbar.

Morbus Basedow: Die Behandlung

Mittel der Wahl sind sogenannte Thyreostatika – diese Medikamente sollen die Schilddrüse quasi „herunterfahren“, indem sie die Neuproduktion von Schilddrüsenhormonen hemmen.

"Rund die Hälfte der Patienten können mit Thyreostatika gut behandelt werden. Es ist wichtig, dass wir die Thyreostatika für maximal 12 Monate anwenden, wegen ihrer potenziellen Nebenwirkungen. Die wichtigsten Nebenwirkungen sind die Wirkung auf das weiße Blutbild und gravierende Auswirkungen auf unsere Immunabwehr."

Prof. Dr. med. Martina Müller-Schilling, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Regensburg

Bei Inga Koch kommen die Beschwerden immer wieder zurück. In solchen Fällen stehen zwei Therapien zur Wahl: Zum einen die Radiojodtherapie: Bei diesem nuklearmedizinischem Verfahren nehmen die Betroffenen eine Kapsel mit radioaktivem Jod ein. Die hat Einfluss auf das Schilddrüsengewebe. Zum anderen eine Operation: Nach Abwägung aller Vor- und Nachteile entscheidet sich Inga Koch direkt für die OP. Das heißt, ihre Schilddrüse wird komplett entfernt. Danach muss die Patientin ein Leben lang künstliche Schilddrüsen-Hormone einnehmen.

Die Ursachen für Morbus Basedow

Warum die Schilddrüse verrückt spielt, weiß man oft nicht genau.

"Generell gilt: Frauen sind wesentlich häufiger von Autoimmunerkrankungen betroffen als Männer. Genetische Häufungen sind bekannt - und Assoziationen mit anderen Autoimmunerkrankungen wie zum Beispiel der Weißfleckenerkrankung der Haut."

Prof. Dr. med. Martina Müller-Schilling, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Regensburg

Bereits wenige Wochen nach dem Eingriff geht es der Studentin wieder richtig gut. Zurückgeblieben ist eine kleine Narbe, aber die wird bald kaum noch zu sehen sein.

"Vom Wohlbefinden her war es definitiv das Beste für mich. Ich merke fast nicht mehr, dass ich etwas habe, außer dass ich eine Narbe am Hals habe. Aber das ist das einzige."

Inga Koch, Patientin


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