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Krebs Hoffnung trotz Metastasen

Kampf den Metastasen: Onkologen setzen neben Chemo- und Strahlentherapie verstärkt genetisch hergestellte Antikörper ein, um gezielt die Krebszellen zu bekämpfen.

Von: Veronika Wawatschek

Stand: 27.01.2023

Hoffnung trotz Metastasen - auf diesem Gebiet wird derzeit intensiv geforscht. Im Bild: Bild von Metastasen eines schwarzen Hautkrebs (Melanom) - Darstellung auf einem Computerbildschirm. | Bild: picture-alliance/dpa

Metastasen sind Ableger eines Tumors, die Krebserkrankung befindet sich also in einem fortgeschrittenen Stadium. Der Befund "metastasiert" muss aber nicht per se ein Todesurteil bedeuten.

Expertin:

Prof. Dr. Angela Krackhardt, Professur für Translationale Immuntherapie an der TU München

Je nach Tumorart und Therapiemöglichkeiten gibt es auch bei Tumorerkrankungen im fortgeschrittenen Stadium gute Behandlungsmöglichkeiten.

Der Text beruht auf einem Interview von Veronika Wawatschek mit Prof. Dr. Angela Krackhardt, Professur für Translationale Immuntherapie an der TU München.

Metastasen sind Absiedlungen eines Tumors, d.h. dass Tumorzellen im Körper gewandert sind und sich an einem neuen Ort angesiedelt haben. Ein Tumor ist damit in der Regel in einem fortgeschrittenen Stadium. Metastasen bedeuten aber nicht zwangsläufig das Todesurteil.

Schatten, Flecken, Metastasen - wie man Metastasen diagnostiziert

Wenn man eine Bildgebung bei einem gesunden Menschen macht, ist es möglich, dass Befunde erhoben werden, die ggf. Gewebe unklaren Ursprungs beschreiben, diese müssen aber nicht unbedingt etwas mit einer Tumorerkrankung zu tun haben. Da bei Krebspatienten häufiger bildgebende Verfahren angewendet werden, werden solche Befunde im Zusammenhang mit der Krebserkrankung eher als verdächtig eingestuft. Radiologen sprechen dann manchmal von Schatten, Flecken oder Gewebevermehrung, solche Auffälligkeiten in der Bildgebung müssen aber auch dann nicht unbedingt Metastasen sein. Wenn es ein sehr kleiner Befund ist, kann man häufig noch einmal abwarten und nach einer gewissen Zeit noch eine weitere Verlaufskontrolle machen. Handelt es sich um eine größere oder mehrere Läsionen, versucht man die Ursache in der Regel zeitnah zu klären und Gewebe zu untersuchen, das man durch eine Biopsie gewinnt.

Metastasen – die emotionalen Folgen des Befundes

Tumorerkrankungen, die noch nicht metastasiert sind, werden im Frühstadium häufig operiert. Die Operation wird in diesem Fall mit dem Ziel durchgeführt, die Erkrankung zu heilen. Das heißt, indem man einen Tumor entfernt und eventuell nachfolgend noch eine weitere, sogenannte adjuvante (helfende), Therapie anschließt – versucht man eine Ausbreitung frühzeitig zu verhindern. Falls jedoch die Diagnose von Metastasen gestellt wird, ist dies für die Patienten natürlich erst mal ein Schock. In der Tat ist es in einem solchen fortgeschrittenen Stadium in der Regel deutlich schwieriger, die Tumorerkrankung zu beherrschen. Häufig ist dies mit Unheilbarkeit einer Tumorerkrankung verbunden – auch wenn das nicht immer zutrifft - und deswegen ist der Patient natürlich erschrocken, wenn er das hört.

Krebs ist nicht gleich Krebs – Metastase ist nicht gleich Metastase

Was der Befund "Metastasen" konkret für den Einzelnen bedeutet, hängt aber von verschiedenen Faktoren, insbesondere der zugrundeliegenden Tumorerkrankung ab. Denn Krebs ist nicht gleich Krebs – und dementsprechend sind auch Metastasen nicht immer gleich zu bewerten. Beim malignen Melanom ist es beispielsweise heute so, dass auch Patienten mit einer fortgeschrittenen Metastasierung sehr gut behandelt werden können und sich bei einem Teil der Patienten tatsächlich auch eine sehr gute Rückbildung bis hin zum vollständigen Verschwinden des Tumors und seiner Metastasen erreichen lässt.

Es gibt außerdem Tumorerkrankungen, die häufig primär als Systemerkrankungen aufgefasst werden, das heißt also nicht nur an einer Stelle, sondern an verschiedenen Stellen auftreten. Ein Beispiel ist der Lymphdrüsenkrebs. In diesem Zusammenhang spricht man in der Regel auch nicht von Metastasen, sondern ordnet der Erkrankung einem Stadium zu. Fortgeschrittene Stadien sind in diesem Fall jedoch auch ein Risikofaktor für eine schlechtere Prognose, lassen sich aber dennoch in einem Teil der Patienten gut behandeln.

Für die Entstehung von Metastasen müssen verschiedene Voraussetzungen gegeben sein: Zum einen müssen genetische Programme in den Tumorzellen aktiviert werden, damit die Tumorzellen wandern können. In der Regel erfolgt dies im Rahmen einer genetischen Instabilität und Zunahme von Mutationen in den Tumorzellen. Zum anderen finden bei einer Metastasierung aber zusätzlich viele Interaktionen zwischen gesundem Körper und der Krebszelle statt. Das heißt, es muss eine Nische vorbereitet werden, in der die Tumorzellen anwachsen können. Es kommt also zunächst zur Wanderung der Tumorzellen in der Regel über die Blut- und Lymphgefäße und nachfolgend zur Invasion und Ansiedlung an einem neuen Ort. Dann werden Gefäße ausgebildet und somit die Metastasen mit Nährstoffen versorgt. Für viele Schritte bei der Metastasierung sind Botenstoffe, sogenannte Zytokine, sowie Hormone und Enzyme verantwortlich, die vom Tumor aber auch gesunden Zellen des Körpers produziert werden. Insbesondere Zellen des Blut- und Immunsystems können sich an der Vorbereitung der "metastatischen Nische" beteiligen. Auch müssen die wandernden Tumorzellen der Immunantwort des Körpers entkommen. All diese Eigenschaften sind in der Regel mit einer größeren Aggressivität eines Tumors verbunden.

Im Blut zirkulierende Tumorzellen sind heutzutage auch bereits häufig anhand einer Blutprobe messbar und können in diesem Fall mit dem Metastasierungsrisiko sowie einer schlechten Prognose in Verbindung gebracht werden. Diese Untersuchungen werden derzeit aber überwiegend nur für Forschungszwecke durchgeführt und sind noch nicht in der Routine etabliert.

Solche Botenstoffe können beispielsweise Wachstumsfaktoren sein. TGFb und VEGF sind Beispiele für Wachstumsfaktoren, die bei der Metastasierung eine Rolle spielen. Bei TGFb (Tumor growth factor beta) handelt es sich einen Botenstoff, der viele Funktionen im gesunden Körper hat, jedoch auch eine wichtige Rolle bei der Tumorausbreitung und Metastasierung hat. VEGF (vascular endothelial growth factor) ist ein Wachstumsfaktor, der für die Gefäßneubildung wichtig ist. Im Körper gibt es verschiedene weitere Faktoren, die dann dazu führen können, dass eine Absiedelung von Tumorzellen möglich ist.

Auch wenn manchmal gesagt wird, dass sich bei jüngeren Patienten Zellen schneller teilen, hängt dies nicht direkt mit einem größeren Risiko für eine Metastasierung zusammen - das Alter des Patienten spielt bei der Zellteilungsrate eines Tumors nicht unbedingt eine Rolle. Es gibt auch bei älteren Menschen sehr aggressive Tumorerkrankungen, die dann schnell voranschreiten. Auch ist es so, dass ältere Menschen viel häufiger von Tumorerkrankungen betroffen sind. Das hat verschiedene Gründe, unter anderem spielt hier auch das Alter des Immunsystems eine Rolle.

Ursächlich beteiligt an der Metastasierung ist die genetische Instabilität der Tumorzellen, die dazu führt, dass die Tumorzellen sich so verändern, dass sie die Fähigkeit erlangen zu wandern. Mutationen in bestimmten Genen sind dabei mit einem höheren Metastasierungsrisiko assoziiert. Auch eine Sauerstoffarmut im Bereich eines schnell wachsenden Primärtumors kann ursächlich an der Metastasierung beteiligt sein. Weitere Mutationsbedingte Veränderungen aber auch spezifische Faktoren im Körper, wie beispielsweise das Mikrobiom, spielen offensichtlich eine Rolle. Es gibt Erkrankungen, bei denen eine Metastasierung frühzeitig erfolgt. Das ist beispielsweise der Bauchspeicheldrüsenkrebs, das Pankreaskarzinom, das häufig erst in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert wird. Und dann gibt es natürlich auch andere Tumoren, die eher nicht metastasieren. Ein typischer Tumor, bei dem eine Metastasierung sehr selten ist, ist beispielsweise das Basalzellkarzinom der Haut.

Der Ort der Metastasierung hängt häufig vom Weg der Blutgefäße ab, über die die Tumorzellen wandern, wobei das allerdings nicht immer zutrifft und auch hier wieder andere Faktoren die Eignung der Organe für eine Absiedelung bedingen.

Die Kolonisation von Organen muss nicht unbedingt sofort in sichtbaren Metastasen resultieren. Manchmal kann eine Streuung der Tumorzellen frühzeitig erfolgen, das Wachstum der abgesiedelten Zellen erfolgt dann manchmal aber erst nach Jahren.

Obwohl das Immunsystem eine wichtige Rolle im Kampf gegen Krebserkrankungen spielt, können Faktoren des Immunsystems im Rahmen von chronischen Entzündungen ein Milieu bereiten, das für Tumorwachstum und Metastasierung förderlich ist. Tumorzellen können durch sogenannte Botenstoffe des Immunsystems unterstützt werden. Und da spielt beispielsweise TGFb, der von verschiedenen Zellen, unter anderem auch von Immunzellen produziert werden kann, eine wichtige Rolle. Wenn hingegen die Tumor-erkennenden Immunzellen, die sogenannten zytotoxischen T-Zellen, fehlen, kann das Risiko für eine Metastasierung hingegen deutlich erhöht sein.

Das ist eine Frage, die viele Patienten stellen: Lässt sich eine mögliche Metastasierung durch die Ernährung oder durch Verhaltensmaßnahmen eindämmen? Prinzipiell lässt sich festhalten: Ob ein Tumor Metastasen bildet, lässt sich vom Patienten nicht beeinflussen. Es gibt keine sicheren Daten, dass bestimmte Diäten eine Metastasierung verhindern. Es gibt auch keine Beweise und Studien, die zeigen, dass man durch ein bestimmtes Verhalten eine Metastasierung verhindern könnte. Trotzdem sollte bei jeder Krebserkrankung eine gesunde Lebensweise empfohlen werden, da diese das Immunsystem und die krebsspezifischen Immunzellen stärken kann.

Prävention durch Früherkennung und frühe Therapie!

Von zentraler Bedeutung ist, dass Tumorerkrankungen frühzeitig erkannt werden, beispielsweise beim Brustkrebs, beim Gebärmutterkrebs und auch beim Hautkrebs. Es gibt daher bei verschiedenen Erkrankungen Vorsorgeprogramme, damit entsprechende Tumorerkrankungen frühzeitig, bevor sie metastasieren, erkannt werden können. Bei einer frühzeitigen Diagnose kann, z.B. durch eine Operation und durch eine frühzeitige Therapie, eine Metastasierung verhindert werden. Tumorzellen sind genetisch instabil. Das heißt, dass es im Verlauf einer Tumorerkrankung zu weiteren Mutationen im Tumor kommen kann und damit auch das Risiko steigt, dass Tumorzellen entstehen, die ein aggressiveres Wachstum haben und auch die Fähigkeit zu metastasieren.

Inzwischen lässt sich bei vielen Tumorerkrankungen eine deutliche Lebensverlängerung erreichen, durch neue Therapieformen und neue Kombinationen. Da kann man vielen Patienten auch bei einer fortgeschrittenen Tumorerkrankung Mut machen.

Zu den aktuellen Therapieoptionen zählen neben der Chirurgie, die Strahlentherapie, Chemotherapie, molekulare Therapie und Immuntherapie. Wenn die Erkrankung nur an einer oder wenigen Stellen nachweisbar ist, wird in der Regel versucht, mit Hilfe einer Operation und/oder Bestrahlung alle Tumormanifestationen zu entfernen. Wenn es wenige Metastasen gibt, kann es durchaus sein, dass man versucht, alle zu entfernen. Nachfolgend wird häufig eine sogenannte adjuvante Therapie angeschlossen, um das Risiko einer weiteren Metastasierung zu verringern. Diese adjuvante Therapie kann wiederum eine Bestrahlung, Chemotherapie, molekulare Therapie oder Immuntherapie darstellen. Auch sogenannte neoadjuvante Therapien können angewendet werden. Hierbei versucht man, vor der Operation den Tumor möglichst zu verkleinern, um den Operationserfolg und auch das weitere Metastasierungsrisiko zu verringern,

In der metastasierten Situation ist eine Heilung häufig nicht mehr möglich, obwohl hier in den letzten Jahren auch ein Paradigmenwechsel einzutreten scheint. Beim schwarzen Hautkrebs, dem malignen Melanom, haben sich die Therapiemöglichkeiten beispielsweise in den letzten Jahren deutlich - im Vergleich zu noch vor fünfzehn Jahren - verbessert. Insgesamt überlebt jetzt ein großer Teil der Patienten über einen längeren Zeitraum nach Diagnosestellung der metastasierten Erkrankung und bei manchen Patienten gelingt es, dass die Tumorerkrankung auch im metastasierten Stadium ganz verschwindet. Hier hat man wirklich in den letzten Jahren große Erfolge erzielen können.

Die vorangeschrittenen hämatologischen malignen Erkrankungen, wie Lymphome und der Blutkrebs, lassen sich in der Regel gut mit Chemotherapie und bestimmten Immuntherapien behandeln, auch wenn wir da nicht von Metastasen sprechen. Aber das sind Erkrankungen, bei denen auch im fortgeschrittenen Stadium ein Teil der Patienten sehr erfolgreich behandelt werden kann.

Insgesamt haben sich die Therapieoptionen bei einer großen Anzahl von Tumorerkrankungen verbessert, auch wenn viele Erkrankungen bislang unheilbar bleiben.

Und es gibt natürlich nach wie vor Tumorerkrankungen, die sehr schwierig zu behandeln sind, wie eben der Bauchspeicheldrüsenkrebs, der sehr frühzeitig metastasiert, und eben auch eine sehr schlechte Prognose hat. Und trotzdem gilt: Metastasen sind nicht das sofortige Todesurteil.

Hoffnung mit Metastasen? Leben mit Krebs!

Bei vielen Tumorerkrankungen gibt es heute auch bei Metastasen durchaus Hoffnung und Möglichkeiten. Beispielsweise lassen sich die Symptome der Erkrankung und der Therapien häufig besser behandeln, so dass eine gute Lebensqualität erreicht werden kann. Häufig geht es tatsächlich auch darum, dass der Patient lernt, mit der Tumorerkrankung zu leben. Das heißt: Der Tumor lässt sich nicht komplett entfernen, aber er lässt sich so beeinflussen, dass er für eine manchmal lange Zeit nicht weiterwächst und nicht lebensbedrohlich wird. Das ist ein ganz wichtiges Ziel in der Onkologie.