Bayern 2

     

Weniger Beschwerden, mehr Lebensqualität Komplementärmedizin bei Nebenwirkungen von Krebstherapien

Wenn es um die Bekämpfung von Krebs geht, kann die Naturheilkunde zwar nicht heilen, aber zumindest die zum Teil heftigen Nebenwirkungen einer Krebstherapie abfedern. Welche Möglichkeiten gibt es?

Von: Susanne Dietrich

Stand: 27.01.2023 |Bildnachweis

Ein Bund Heilkräuter liegt neben zwei unterschiedlich großen Apothekerfläschen aus braunem Glas. | Bild: BR / Lisa Hinder

In der Krebstherapie konzentriert sich die Schulmedizin vor allem auf die Zerstörung des Tumorgewebes – vorwiegend durch Operation, Chemotherapie und Bestrahlung. Die komplementärmedizinische Krebstherapie oder Komplementär-Onkologie versteht sich dazu nicht als Alternative, sondern als Ergänzung und Unterstützung der tumordestruktiven Therapie durch naturheilkundliche Methoden. Ziel ist es, die schulmedizinischen Therapieformen wirksamer und verträglicher zu machen und die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten zu verbessern.

Experte:

Dr. Artur Wölfel, Facharzt für Innere Medizin, Naturheilverfahren und Homöopathie und ehemaliger Leiter der Ambulanz für Integrative Medizin am Krankenhaus für Naturheilweisen in München-Harlaching

Komplementär-onkologische Maßnahmen haben nicht die Kraft, Tumorzellen zu zerstören. Aber sie stärken die Abwehrkräfte und regen die Selbstheilungs- und Regenerationsfähigkeit des Körpers an. So können nicht nur Nebenwirkungen der akuten Krebstherapie, sondern auch therapiebedingte Langzeitbeschwerden abgemildert werden.

Der Text basiert auf einem Interview mit Dr. Artur Wölfel, Leiter der Ambulanz für Integrative Medizin am Krankenhaus für Naturheilweisen in München-Harlaching.

Man geht grundsätzlich davon aus, dass die Nebenwirkungen und Begleiterscheinungen der Krebstherapie umso intensiver ausfallen, je schlechter die körperliche und psychische Verfassung der Patientinnen und Patienten vor der Therapie ist. Daher sollten sich Krebskranke um eine gesunde Lebensführung und eine Verbesserung ihrer Fitness bemühen – am besten bereits vor Therapiebeginn, auf jeden Fall aber parallel zu den Behandlungen und danach. In der Naturheilkunde spricht man von der Ordnungstherapie, wenn es um eine gesundheitsfördernde Gestaltung des persönlichen Alltags geht. Dazu zählt unter anderem eine vollwertige Ernährung, die sich an der individuellen Situation und den persönlichen Bedürfnissen orientiert.

"Gesunde Ernährung ist vor allem wichtig in der Prävention von Krebs. Aber insbesondere bei Nebenwirkungen einer Therapie, die den Verdauungstrakt betreffen, sollten Patienten ihre Ernährung an die eigenen Unverträglichkeiten anpassen - diese sind leider relativ häufig. Die Ernährung sollte garantieren, dass der Patient mit ausreichend Vitalstoffen und besonders mit den sogenannten sekundären Pflanzeninhaltsstoffen versorgt ist. Ideal wäre es, wenn man sich so ernährt, dass man nicht auf Nahrungsergänzungsmittel zurückgreifen muss, sondern sich über eine vitalstoffreiche, pflanzenbetonte Ernährung alles zuführt, was der Körper braucht."

Dr. Artur Wölfel

Im Rahmen einer gesunden Lebensgestaltung vor, während und nach der Krebstherapie spielt regelmäßige Bewegung eine wesentliche Rolle. Sport hat wie eine gesunde Ernährung einen präventiven Effekt, ist aber auch therapiebegleitend wirkungsvoll.

"Bewegungstherapeutische Maßnahmen können Studien zufolge krebs- und therapiespezifische Nebenwirkungen abmildern. Beispielsweise kann man polyneuropathieähnliche Beschwerden – also durch eine Schädigung von Nervenfasern bedingte Symptome – durch frühzeitige bewegungstherapeutische Programme positiv beeinflussen. Renommierte Onkologen wie Prof. Michael Hallek aus Köln sagen: 'Wenn es Turnschuhe auf Rezept geben würde, würde ich sie verordnen.' Denn man weiß, dass speziell beim Brustkrebs der Frau und beim Dickdarmkrebs Sport letztlich als Medizin zu sehen ist und sich auch die Langzeitprognose der Patienten umso mehr verbessert, je aktiver sie sportlich sind."

Dr. Artur Wölfel

Empfohlen werden, angepasst an die eigene Belastungsfähigkeit, drei Mal wöchentlich moderate Ausdauereinheiten – beispielsweise Nordic Walking oder Radfahren – und zwei Mal pro Woche Krafttraining. Auf die individuelle Situation abgestimmt bedeutet: Man sollte etwa 70 Prozent der eigenen Belastbarkeit abrufen – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

"Eine gute Orientierung ist: Laufen, ohne zu schnaufen. Dann bin ich nicht in der Sauerstoffschuld. Wenn ich mich beim Nordic Walking mit meinem Nachbarn noch unterhalten kann, habe ich mich nicht überlastet. Für die Vergleichbarkeit körperlicher Aktivitäten verwendet man das sogenannte Metabolische Äquivalent – den Stoffwechselumsatz bei Aktivität im Vergleich zum Ruheumsatz. Die gesundheitsfördernde Wirkung von Bewegung ist abhängig von der täglich erzielten Anzahl dieser Äquivalente. Sie müssen also schon an fünf Tagen pro Woche für etwa 45 Minuten körperlich aktiv sein."

Dr. Artur Wölfel

Wer sich gemeinsam mit anderen sportlich betätigen möchte, kann sich beispielsweise bei der Bayerischen Krebsgesellschaft nach Krebssportgruppen erkundigen. Es gibt zum Beispiel spezielle Brust- oder Prostatakrebsgruppen. Auch Selbsthilfegruppen können hier weiterhelfen. Darüber hinaus kann das Erlernen von Entspannungsverfahren wie Progressive Muskelentspannung, autogenes Training oder Yoga das Wohlbefinden vor, während und nach der Krebstherapie fördern.

"Ordnungstherapie bedeutet, aus dem Passiv-Modus in den Aktivmodus zu kommen, sich nicht zu schonen, sondern zu fordern und fördern. Das heißt: Sich vollwertig ernähren, Ausdauer und Kraft aufbauen und auf regelmäßige Entspannung achten. Das verbessert das Körpergefühl, stärkt das Selbstbewusstsein und die Überzeugung, zur Bewältigung der Krankheit selbst etwas beitragen zu können. Und es hilft dabei, besser mit der Therapie und ihren Begleiterscheinungen zurechtzukommen."

Dr. Artur Wölfel