Krebsbehandlung Wichtige Säule: Strahlentherapie
Die Strahlentherapie wird im Rahmen der Behandlung von Krebserkrankungen häufig dann eingesetzt, wenn im Körper ansässige Tumore zu weit ausgedehnt sind, um diese durch chirurgische Eingriffe zu entfernen.
Die Strahlentherapie wird im Rahmen der Behandlung von Krebserkrankungen häufig dann eingesetzt, wenn im Körper ansässige Tumore zu weit ausgedehnt sind, um diese durch chirurgische Eingriffe zu entfernen. Darüber hinaus wird sie auch zur Behandlung von nach einer Operation verbliebenen, mikroskopischen oder auch sichtbaren Tumorresten, sowie zur Behandlung von Metastasen bei fortgeschritteneren Krebserkrankungen genutzt.
Experte:
Prof. Dr. med. Claus Belka, Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München
Im Zuge der Strahlentherapie wird hochenergetische ionisierende Strahlung dazu genutzt, um das Wachstum von Zellen zu stören oder diese komplett zu zerstören. Die Strahlung wird dabei auf die bösartigen Tumorzellen konzentriert, um umliegende tumorfreie Körperbereiche zu schonen. In diesem Zusammenhang wird Strahlentherapie häufig neben anderen Maßnahmen wie etwa chirurgischen Eingriffen, medikamentösen Chemotherapien sowie spezialisierten Zell- und Immuntherapien zur Behandlung verschiedener Krebsarten eingesetzt. Darüber hinaus kann die Strahlentherapie auch zur Behandlung von Entzündungserkrankungen, wie Arthrose oder Fersensporn eingesetzt werden. Der Kernanwendungsbereich der Strahlentherapie ist jedoch weiterhin die Tumormedizin.
Dem Text liegt ein Interview mit Prof. Dr. med. Claus Belka, Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München, zugrunde.
Insbesondere in den vergangenen 25 Jahren konnte die Strahlentherapie von den Veränderungen im Bereich der Technologie profitieren. Während sich die physikalischen Grundprinzipien der Strahlung wenig verändert haben, konnte dennoch deren Anwendung in der Strahlentherapie durch neue Techniken mittlerweile perfektioniert werden.
Ihren Ursprung hatte die Strahlentherapie mit der Erfindung der Röntgenstrahlung Ende des 19. Jahrhunderts. Während in den ersten Anwendungsjahrzehnten noch häufig ungenaue Dosierungen und schlechte Treffsicherheit bei der Strahlenbehandlung aufgetreten sind, konnte dank des technischen Fortschritts die Sicherheit in der Strahlentherapie mittlerweile immens gesteigert werden.
Berechnung der Strahlendosis
Der Schwerpunkt der Entwicklungen in der Strahlentherapie liegt seit den 1990er-Jahren weniger an den Gerätschaften, die prinzipiell den Strahl erzeugen. Viel mehr liegt mittlerweile der Fokus der Entwicklung in der genauen Steuerung und Ausrichtung dieser Geräte während der Behandlung von Patienten. In diesem Zusammenhang wurden früher noch Wassertanks zur Bemessung der genauen Strahlendosis genutzt, um auf das menschliche Gewebe zurückzuschließen. Die Beschaffenheit des Wassers stimmte allerdings nicht ganz mit dem menschlichen Gewebe überein, sodass die genauen Strahlendosen teils nicht korrekt berechnet werden konnten.
Heutzutage kann durch die Fortschritte in der Anwendung der Strahlentherapie dagegen die richtige Strahlendosis für jeden Patienten vor Therapiebeginn berechnet werden, wodurch das Risiko von Fehldosierungen erheblich gesunken ist.
"Wenn wir auf die letzten 30 Jahre zurückblicken, dann war die genaue Strahlendosis im Körper zu Beginn eher grob abgeschätzt. Heutzutage stimmt dagegen die Dosis, die wir anwenden, extrem genau."
Prof. Dr. Claus Belka
In diesem Zusammenhang hat sich auch die Einsatzmöglichkeit von Computern zur Berechnung der Strahlendosen in den letzten Jahren erheblich verbessert. Mit den ersten eingesetzten Computern hat die Berechnung der genauen Strahlendosis teilweise über Tage gedauert. Aufgrund des damals langwierigen Prozesses konnte dahingehend die Dosis nicht beliebig oft nachgerechnet oder verbessert werden. Mit den heute eingesetzten Computern ist dagegen die Berechnung der Strahlendosis binnen weniger Minuten möglich. Somit kann die Dosis im Rahmen der Behandlung beliebig oft nachgerechnet und angepasst werden, was schließlich zu einem besseren Behandlungsergebnis führt.
Genaue Begrenzung des Bestrahlungsbereichs
Darüber hinaus kann durch den technischen Fortschritt in der Strahlentherapie mittlerweile das bestrahlte Gebiet im Körper viel genauer eingegrenzt werden, als es noch in den vergangenen Jahrzehnten der Fall war. Demnach war es in der Strahlentherapie früher der Fall, dass der bestrahlte Bereich nur äußerlich eingrenzbar war. Somit konnten damals lediglich gleichmäßige Strukturen, etwa in kugeliger oder rechteckiger Form, bestrahlt werden. Das hat jedoch in nahezu allen Fällen dazu geführt, dass zwangsweise ein größeres Gebiet bestrahlt werden musste, als es eigentlich notwendig gewesen wäre.
Dank der heutigen Anwendungstechniken kann der genaue Bereich, in dem die Bestrahlung durchgeführt wird, jedoch genau eingegrenzt werden. Hierzu wird der genaue Bereich, in dem die Bestrahlung stattfinden soll, vor Behandlungsbeginn ausgerechnet. Dadurch kann eine unnötige Bestrahlung von Körperpartien, die nicht im Rahmen der Behandlung vorgesehen sind, vermieden werden.
"Die Strahlentherapie ist für die Patienten erheblich nebenwirkungsärmer geworden, weil wir die Felder weit kleiner machen können und genau wissen, welche Dosis wirklich benötigt wird, um einen Effekt zu erzielen."
Prof. Dr. Claus Belka
Verbesserungen in der Bildgebung
Während einer strahlentherapeutischen Behandlung werden bildgebende Verfahren eingesetzt, um den Verlauf der Behandlung zu kontrollieren. In den vergangenen Jahrzehnten wurden vor Behandlungsbeginn in der Regel Lasermarkierungen von außen gemacht und die Lage des Patienten mittels lediglich grober Röntgenbilder untersucht. Hierdurch sollte überprüft werden, ob der Patient richtig auf dem Bestrahlungstisch liegt. Nur grobe Veränderungen in der Position des Patienten waren mit diesem Vorgehen erkennbar.
In der heutigen Bildgebung kommen neben CT-Geräten auch Ultraschallgeräte zum Einsatz, etwa bei Bestrahlungen der Prostata. Das Gerät tastet 30-mal pro Sekunde die Prostata ab und bei minimalen Veränderungen der Position sorgt das Ultraschallgerät für eine Unterbrechung der Bestrahlung. Außerdem werden mittlerweile während der Bestrahlung in spezialisierten Zentren auch Kernspintomographen eingesetzt, die in Echtzeit Bilder vom Bestrahlungsgebiet in einem Intervall von acht bis 16 Bildern pro Sekunde erzeugen. Etwa bei der Bestrahlung von Lungentumoren kann durch dieses Vorgehen erkannt werden, ob sich die Lunge beispielsweise durch das Atmen nicht mehr im Bestrahlungsgebiet befindet. Sollte dies der Fall sein, kann das Gerät automatisch die Bestrahlung unterbrechen, bis die Lunge wieder im vorgesehenen Feld der Bestrahlung liegt.
"Da haben wir in den letzten 20 Jahren unheimlich viel gelernt. Daneben zu strahlen ist heutzutage kein großes Problem mehr."
Prof. Dr. Claus Belka
In Zukunft könnte der Integration bildgebender Verfahren in die Strahlentherapie eine noch zentralere Rolle zukommen. Insbesondere bei der individuellen Planung der Bestrahlung der Patienten: Mittels Bildgebung könnte die Bestrahlung nicht nur einmal exemplarisch räumlich auf die Veränderungen am Patienten angepasst werden, sondern auch anhand der Anatomie des jeweiligen Patienten und des Tumorareals täglich neu berechnet werden. Die Berechnung könnte somit parallel zur laufenden Behandlung durchgeführt werden.
Mehr Sicherheit durch strenge Richtlinien
In Deutschland unterliegen alle Einrichtungen, die Strahlentherapie anbieten, dem Strahlenschutzgesetz. Die Gesetzgebung im Bereich des Strahlenschutzes ist sehr streng und wird zudem auch durch unangekündigte Visitationen genau kontrolliert. Durch die strengen Richtlinien in der Strahlentherapie konnten in den letzten Jahren Qualitätsstandards eingeführt werden, die für ein hohes Maß an Sicherheit in der Behandlung von Patienten mit Strahlung sorgen. Bei festgestellten Verstößen gegen die Richtlinien erfolgen im ersten Schritt Abmahnungen der Betreiber der jeweiligen Strahlentherapie-Einrichtung, in groben Fällen droht sogar die Schließung entsprechender Einrichtungen.
Eine Behandlung mit Strahlung basiert immer auf einem individuell auf den jeweiligen Patienten abgestimmten Behandlungsplan. Dafür ist vor dem Beginn der Behandlung eine umfassende Bildgebung erforderlich. Mittels bildgebender Verfahren wird die genaue Ausdehnung der Tumorerkrankung im Körper ermittelt. Eingesetzt für die Bildgebung werden neben Computer- und Kernspintomographen auch PET-Scans und weitere spezialisierte Verfahren.
Anhand der durch die Bildgebung gewonnenen Kenntnisse über die Ausgangslage erfolgt die Berechnung eines Bestrahlungsplans. Im Rahmen der Berechnung wird durch die Ärzte festgelegt, wo genau sich die tumorbetroffenen Areale befinden und wie ausgeprägt Tumore dort vorhanden sind. Aus den Festlegungen erschließt sich im weiteren Verlauf die Größe des Bestrahlungsfeldes. Der Bestrahlungsplan wird im Anschluss in der Regel durch einen Physiker zusammen mit einem Arzt berechnet. Nach der Freigabe des Bestrahlungsplans erfolgt die Einstellung des Bestrahlungsgeräts und die Positionierung des Patienten. Die eigentliche Strahlenbehandlung wird dann parallel mithilfe von bildgebenden Verfahren überwacht, damit der berechnete Bestrahlungsraum sicher getroffen wird. Die Strahlenbehandlung wird in einem festgelegten Zeitfenster täglich durchgeführt und dauert in der Regel wenige Tage bis einige Wochen. Die Bestrahlung selbst dauert jeweils nur wenige Minuten. Im Rahmen der Strahlentherapie findet zudem mindestens einmal wöchentlich ein Arztgespräch über den akuten Gesundheitszustand statt.
Behandlung in der Regel ambulant
Die meisten Strahlenbehandlungen bei Tumorerkrankungen, etwa Brust- oder Prostatabestrahlungen, werden in der Regel ambulant durchgeführt. Bei der Kombination verschiedener Behandlungsoptionen im Rahmen einer Tumorerkrankung, etwa bei einer kombinierten Strahlen- und Chemotherapie, können jedoch vereinzelt stationäre Klinikaufenthalte der Fall sein. Wenn dieser kombinierte Therapieansatz jedoch im Kopf- oder Halsbereich durchgeführt wird, sind stationäre Aufenthalte eher die Regel.
"Der Ablauf ist, dass die Patienten jeden Tag zur Strahlenbehandlung kommen. Nach den Positionierungsprozeduren wird der Strahl freigegeben. Nach der Bestrahlung kann der Patient nach Hause gehen."
Prof. Dr. Claus Belka
Nachsorge ist wichtig
Nach einer abgeschlossenen Strahlentherapie werden die Patienten auch weiterhin ärztlich betreut. In standardisierten Nachsorgeprotokollen ist genau festgelegt, wie die Nachsorgebetreuung bei den verschiedenen Tumorerkrankungen durchgeführt wird. Nachsorgeuntersuchungen finden in der Regel jährlich oder anderthalbjährlich statt.
Onkologe oder Klinik?
Während im Ausland die Strahlentherapie in der Regel in onkologische Klinikzentren integriert ist, gibt es in Deutschland dahingehend Unterschiede. Demnach können beispielsweise bei Prostatakarzinomen auch Urologen oder grundsätzlich auch niedergelassene Onkologen die Patienten zur Strahlentherapie schicken. Die größeren Kliniken setzen dagegen auf ein interdisziplinäres Vorgehen: Im Rahmen von Tumorboards, meist bestehend aus Onkologen, Radiologen und Fachchirurgen, werden die Patientenfälle über verschiedene Fachrichtungen hinweg fächerübergreifend betreut.
"Für Patienten schadet es nicht, sich vor einer Strahlenbehandlung eine zweite ärztliche Meinung einzuholen."
Prof. Dr. Claus Belka
Milde bis moderate Nebenwirkungen
Mögliche Nebenwirkungen einer strahlentherapeutischen Behandlung hängen von den bestrahlten Körperregionen ab. So kommt es bei Bestrahlungen im Bereich der Brust häufiger zu minimalen Hautreizungen. Komplexere Nebenwirkungen in der Form von Reizungen und Entzündungen können auftreten, wenn große Schleimhautbereiche bestrahlt werden. Nach der Bestrahlung erholen sich diese in der Regel jedoch innerhalb von drei bis vier Wochen wieder. Wird weiterhin das Becken bestrahlt, kann das zur Reizung der Darmschleimhaut führen, was sich in der Form von Durchfällen oder Blähungen widerspiegelt. Alles in allem gilt: Je kleiner die bestrahlte Körperpartie ist, desto weniger Nebenwirkungen gibt es.
In Bezug auf die Nebenwirkungen sollten sich Patienten nicht durch andere Personen verunsichern lassen und sich mit ihren Fragen an die behandelnden Ärzte wenden. Darüber hinaus können auch Selbsthilfegruppen mit anderen Strahlentherapie-Patienten Abhilfe in der Form eines Erfahrungsaustausches schaffen.
"Mittlerweile würde ich sagen, dass die überwiegende Anzahl der Patienten milde Nebenwirkungen hat und langfristig kaum über Beschwerden und Einschränkungen berichtet."
Prof. Dr. Claus Belka
Zweittumore sehr selten
Prinzipiell kann Röntgenstrahlung auch Tumore erzeugen, jedoch kommt es hier auf die genaue Dosis und deren Verteilung sowie auch auf das Alter der Patienten an. Da die Patienten im Rahmen der Behandlung aber nur für ein kurzes Zeitfenster bestrahlt werden und keine strahlenden Partikel in den Körper hineingelangen, ist das Risiko von neuen Tumoren durch eine Strahlenbehandlung sehr gering. Ein noch geringeres Risiko haben ältere Patienten, ein etwas erhöhtes dagegen Brustkrebspatientinnen, wenn sie rauchen. In diesem Zusammenhang ist aber der antreibende Faktor das Rauchen, welches in seiner Schadwirkung durch die Strahlung verstärkt wird.
"Strahlentherapeuten sind sich dem Risiko von Zweittumoren bewusst. Im Endeffekt ist das Risiko aber weit kleiner als der Heilungseffekt der Tumorerkrankungen."
Prof. Dr. Claus Belka