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Brauner Überbau Sloterdijk, Kubitschek und die Neue Rechte

Peter Sloterdijk gilt immer noch als einer der wichtigsten Philosophen des Landes. Auch wenn er inzwischen zu den Rechtsintellektuellen zählt. Per AfD und Pegida kommen seine Thesen auch in der bürgerlichen Mitte an. Sloterdijk kommt. Und das Münchner Literaturhaus heute Abend ist ausverkauft.

Von: Katharina Mutz

Stand: 02.03.2016

Peter Sloterdijk  (2012) | Bild: picture-alliance/dpa

Clausnitz: Der Mob von 100 Leuten, der einen Bus mit Flüchtlingen blockierte und die Insassen anpöbelte, sorgte weltweit für Empörung. Lief da einfach alles aus dem Ruder? So wirkte das Ganze zumindest. Tatsächlich war Clausnitz kein Zufall. Denn schon seit vergangenen Oktober gibt es für das Szenario in dem sächsischen Ortsteil ein fast minutiöses Drehbuch:

"Was, wenn die Busse kommen? Räumt man dann einfach das Feld? Blockiert man die Straße? Und überhaupt: Wenn es Einsiedel 20x gäbe und an jedem Abend in Sachsen irgendwo 2,5 x 2000 Leute schweigend durch ihre Dörfer gingen und verhinderten, dass die Busse durchkommen – was dann? Endlich ein Effekt?"

Götz Kubitschek in der rechten Zeitschrift „Sezession“

Verfasst hat diese Anleitung Götz Kubitschek, Inhaber des rechten Antaios-Verlags, zu dem auch die „Sezession“ gehört. Der 46-Jährige, der auf einem Rittergut in Sachsen-Anhalt lebt, ist Mitbegründer des rechten Think Tanks „Institut für Staatspolitik“ und gilt als eine der zentralen Figuren der sogenannten „Neuen Rechten“ in Deutschland. Die Bewegung liefert eine Art intellektuellen Überbau für rechte Hetze. Der Soziologe Armin Nassehi von der Münchner LMU interessiert sich schon lange für die Neue Rechte – und für Götz Kubitschek:

"Er ist auf der einen Seite jemand, der als Verleger und Herausgeber einer Zeitschrift, die tatsächlich eine große Verbreitung hat, gewissermaßen die intellektuelle Seite sehr stark anspricht, die Menschen dort sammelt. Auf der anderen Seite ist er Aktivist. Er will also diese Dinge in Form eines Widerstands in der Gesellschaft etablieren. Man kann fast sagen, dass er eine Art Scharnierfunktion hat - das macht sicherlich seine zentrale Position aus."

Armin Nassehi, Soziologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München

Götz Kubitschek nutzt die AfD als Vehikel

Kubitschek tritt regelmäßig bei Pegida und Legida auf – und ist eng vernetzt mit der Alternative für Deutschland, genauer gesagt mit deren völkischen Flügel rund um Björn Höcke, dem Vorsitzenden der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag. Von Anfang an sei die AfD für die Neue Rechte ein Vehikel gewesen, um ihre Ideen politisch zu verwirklichen, sagt Liane Bednarz. Die Publizistin und Expertin für Rechtsradikalismus hat sich intensiv mit Götz Kubitschek und seiner Rolle beschäftigt.

"Björn Höcke lässt sich sehr von Kubitschek inspirieren und ist auch regelmäßig auf dessen Rittergut zu Gast. Sprich: In Form von Björn Höcke und seinen Unterstützern wird dieses Gedankengut von Götz Kubitschek mehr oder weniger eins zu eins in die Partei hineingetragen."

Liane Bednarz, Publizistin

Die rechte Internetplattform Einprozent.de

Götz Kubitschek als Redner auf Pegida-Demo in Dresden im Februar 2015

Daneben macht Kubitschek über andere Initiativen für die Ziele der Neuen Rechten mobil. Zum Beispiel über die Internetplattform Einprozent.de, zu deren Organisatoren neben Kubitschek unter anderem der Herausgeber des Querfront-Magazins Compact, Jürgen Elsässer, gehört. Die Plattform, über die ein Prozent der Bevölkerung mobilisiert werden soll, vernetzt unterschiedliche Strömungen der Neuen Rechten und sammelt über Spendenaufrufe Geld für die Bewegung. Aktuell werden dort „besorgte Bürger“ dazu aufgerufen, sich als unabhängige Wahlbeobachter für die kommenden Landtagswahlen zu melden, um Angela Merkel „auf die Finger zu schauen“. Das klingt dann so:

"Die etablierten Parteien werden sich die Macht nicht einfach so nehmen lassen. Es könnte zu Wahlbetrug, Wahlfälschungen kommen. Wir haben Beispiele aus der Vergangenheit. Aus der Krise eine Wende zu machen, setzt voraus, dass Betrug und Fälschung nicht möglich sind."

Einprozent.de

Die andere Hauptfigur der Szene: Felix Menzel

Die Neue Rechte hat verschiedenste Organe: Kubitscheks Anleitung zu den Bus-Blockaden erschien in einer achtteiligen Artikelserie unter dem Titel „Widerstandsschritte“. Darin ruft Kubitschek seine Leser zu „zivilem Ungehorsam“ nach Artikel 20, Absatz 4 des Grundgesetzes auf und suggeriert, dass Widerstand in der „jetzigen Situation“ nicht nur legitim, sondern legal sei. Doch Widerstand allein reicht nicht, findet zumindest Felix Menzel, eine andere Hauptfigur der Szene. Menzel ist Herausgeber des rechten Jugendmagazins „Blaue Narzisse“, er schreibt regelmäßig auch für Kubitscheks „Sezession“. Im Oktober vergangenen Jahres  schrieb er in der „Blauen Narzisse“:

"Es reicht nicht mehr aus, wenn wir unsere Wut herausbrüllen. Das Staatsversagen ist so eklatant und allumfassend, dass wir in spätestens zehn Jahren die Macht in der Bundesrepublik übernommen haben müssen."

Felix Menzel in dem rechten Jugendmagazin „Blaue Narzisse“ 

Die Neue Rechte ist taktisch klug

Einen gewaltsamen Umsturz plane die Szene zwar nicht, sagt Liane Bednarz, die sich selbst eher dem konservativen Spektrum zuordnet. Stattdessen schwebe der Neuen Rechten eine Revolution wie 1989 vor – Analogien zur kommunistischen Diktatur pflegten deren Protagonisten deshalb ganz bewusst.

"Es ist das typische Schema der Neuen Rechten, die pluralistische Demokratie, die wir hier haben, mit einer Diktatur zu verähnlichen. Und es wird so getan als gäbe es hier eine Herrschaft des Unrechts. In diese Kerbe schlägt ja leider auch Horst Seehofer. Indem man so tut als sei man der Hüter des Rechts, macht man sich wenig angreifbar. Das ist taktisch sehr klug, und man sieht ja leider auch, dass es funktioniert."

Liane Bednarz, Publizistin

Horst Seehofer ist längst nicht der einzige, der diese Rhetorik aufnimmt. Selbst Personen, die zur geistigen Elite des Landes zählen, machen dabei mit. Zum Beispiel der Philosoph Peter Sloterdijk. Der schwadronierte jüngst nicht nur vom „Lügenäther“, sondern sprach im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise auch davon, dass es „keine moralische Pflicht zur Selbstzerstörung“ gebe: „Die deutsche Regierung hat sich in einem Akt des Souveränitätsverzichts der Überrollung preisgegeben“, sagte Sloterdijk im Gespräch mit dem Magazin „Cicero“. Gleichzeitig distanziert sich Sloterdijk vom – Zitat – „AfD-Ideen-Müll“. Soziologe Armin Nassehi meint dazu:

"Natürlich muss jemand, der zur Elite gehört, sich vom Ideenmüll einer geradezu proletarischen AfD distanzieren. Vom Pöbel wollen wir natürlich nichts wissen, wir sind in der Lage, das auf eine ganz andere Weise zu formulieren. Wir sagen nicht „Lügenpresse“, wir sagen „Lügenäther“."

Armin Nassehi, Soziologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München

Trotzdem wisse natürlich jeder, was gemeint sei. Weil Positionen wie diese immer stärker in die bürgerliche Mitte sickern, warnen sowohl Nassehi wie Bednarz davor, dass sich das gesellschaftliche Klima in Deutschland in den nächsten Jahren noch weiter verschärfen könnte.

„Sonst kann es irgendwann wieder zu spät sein“

"Es steht zu befürchten, dass wenn solche Bewegungen keine unmittelbare Wirkung in der Gesellschaft haben werden, und das werden sie natürlich nicht, manche davon in den Untergrund gehen werden."

Armin Nassehi, Soziologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München

"Wenn man sich die Stimmungslage im Moment im Land anschaut, dann ist wirklich etwas ins Rutschen geraten. Und deshalb ist es mir auch so wichtig, dass man sich dagegen wehrt. Denn noch können wir das. Und so irreal das auch alles ist, wir müssen uns wehren, denn sonst kann es irgendwann wieder zu spät sein."

Liane Bednarz, Publizistin


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