Die beiden Schauspieler im gelben Taxi
Bildrechte: Kajo Meyer/Komödie im Bayerischen Hof
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Anja Kruse (links) und Ingolf Lück

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Ingolf Lück am Saxophon: "Brauchen Sie 'ne Quittung?" in München

Ingolf Lück am Saxophon: "Brauchen Sie 'ne Quittung?" in München

Ein Taxi, zwei Stars, ein paar Songs und ein Dutzend Boshaftigkeiten: Viel mehr wird nicht benötigt für dieses Beziehungs-Duell in der Komödie im Bayerischen Hof. So richtig zünden will der Abend nicht. Dazu ist die Story übers Altwerden zu dünn.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Schlagersängerin Polly Hunter (Anja Kruse) will erkannt werden, aber das fällt ihr mit jedem Jahr schwerer, denn ihre Erfolge liegen schon einige Zeit zurück. Inzwischen ist sie geschieden und beruflich abgestürzt, Aufträge lassen auf sich warten - wenn da nicht der Werbedreh für Zahnersatz wäre. Immerhin: Der "Stern" berichtet über sie unter der Rubrik "Was macht eigentlich?", im Radio laufen ab und zu noch ihre Songs, einen davon bekommt Taxifahrer Sebastian alias "Jeremy Cooper" (Ingolf Lück) zu hören. Der ist auch nicht mehr der Jüngste, liest "Lucky Luke", jobbt nebenbei als Saxophonist in einem Club in Ruhpolding und hofft, seine Karriere in Pfaffenhofen an der Ilm fortsetzen zu können, doch das steht in den Sternen. Zwei Gestrandete also, die in diesem Stück von René Heinersdorff nach und nach zueinander finden, unwillig, verletzlich, liebesbedürftig.

"Kein Curry in Katanakka"

"Brauchen Sie 'ne Quittung?" kam unmittelbar nach der Corona-Pandemie am Contra-Kreis-Theater in Bonn heraus und war bereits in Düsseldorf und Berlin zu sehen. Wie Autor und Intendant Heinersdorff dem "Berliner Kurier" verriet, schrieb er die musikalische Komödie aus Frust über den Lockdown: Damals durften die Theater zwar proben, aber Vorstellungen gab es monatelang keine. Also erfand er eine Story über zwei Menschen, die gerne auftreten würden, durch die Umstände aber daran gehindert werden. Daraus hätte sich eine sentimentale Story machen lassen, irgendwo zwischen "Sunset Boulevard" und "Taxi Driver", doch in der Komödie im Bayerischen Hof erweist sie sich als viel zu inhaltsleer, um emotional zu berühren. So richtig in die Gänge kommt sie nicht.

Ingolf Lück greift ab und zu zum Saxophon, Anja Kruse swingt ein paar Nummern, es wird zum Nonsens-Song "Es gibt kein Curry in Katanakka" (Musik Harold Faltermeyer) geschwooft, aber da wäre weit mehr drin gewesen. Heinersdorff kann sich nicht so recht entscheiden, ob er einen Liederabend präsentieren will (dazu sind die Songs zu dünn gesät), eine Senioren-Satire oder eine hollywoodeske Fahrt durch die Nacht, bei der sich zwei einsame Seelen umflattern wie versehrte Fledermäuse. Zwar wechseln sich ein paar Gags über Eitelkeit und verblichenen Ruhm ab, es werden süffige Beleidigungen ausgetauscht, aber das alles ist viel zu bemüht und schwergängig, um "Screwball"-Qualitäten zu entfalten. Dazu müsste jede Zeile Funken sprühen, einen Lacher oder doch einen Aha-Effekt auslösen.

Mehr Jazz hätte ins Grand Hotel gepasst

Corona-kompatibel wäre "Brauchen Sie 'ne Quittung?" auf jeden Fall, mit nur zwei Schauspielern und einem gelben London-Taxi auf der ansonsten leeren Bühne, die für eine entsprechend sterile Atmosphäre sorgte, übrigens auch, weil die Lichtregie diesmal kaum "zauberte". Rote oder gelbe Sonnenuntergänge, blaue Stunde, nasser Asphalt, da wäre viel denkbar gewesen. Das stete (unmotivierte) Ein- und Aussteigen nervte auf die Dauer eher, zumal sich der Wagen auch noch ohne tieferen Sinn drehte und die Sichtverhältnisse auf die Akteure nicht die besten waren, trotz Innenbeleuchtung. Was beim Film oft gut funktioniert, ist im Theater allenfalls als Satire machbar: Auto-Szenen, bei denen verhärmte Großstadt-Passagiere nach und nach aus ihrem Gefühlspanzer schlüpfen.

Womöglich war zu Beginn der Tournee noch mehr Tempo drin in diesem Abend, vielleicht trug auch das große Aufatmen nach der Pandemie zu den sehr guten Kritiken nach der Uraufführung bei. Die Premiere in der Komödie im Bayerischen Hof hielt das Versprechen nicht ganz ein, obwohl sich Anja Kruse und Ingolf Lück munter durch ihren Text arbeiteten, hier und da womöglich allzu routiniert. Schade, dass nicht mehr relaxter Jazz geboten wurde, der hätte perfekt ins Münchner Grand Hotel gepasst.

Bis 12. November in der Komödie im Bayerischen Hof in München

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