Franken - Kultur


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Religion im Wandel Protestanten erobern katholisches Unterfranken

Katholisch oder evangelisch? Diese Frage ließ sich im Untermainkreis um 1800 sehr leicht beantworten, denn historisch bedingt lebten hier fast nur Katholiken – bis zum Erlass des bayerischen Religionsedikts 1803.

Stand: 19.03.2014 | Archiv

Blick auf dne Würzburger Dom | Bild: picture-alliance/dpa

Die konfessionelle Revolution begann Ende des Jahres 1802. Zu diesem Zeitpunkt lebten rund 200 evangelische Christen in Würzburg, mit minderem Recht geduldet. Wollten sie einen Gottesdienst besuchen, zu Trauungen oder Beerdigungen gehen, mussten sie mehrere Kilometer nach Reichenberg oder Sommerhausen wandern. Die Zeit von Bischof Julius Echter von Mespelbrunn lag da schon 100 Jahre zurück. Er hatte noch mit Druck und Strafen versucht, die Protestanten zu bekehren.

Erster evangelischer Gottesdienst 1802

Feldprediger Carl Fuchs.

Zurück ins Jahr 1802. Am 3. September hatten pfälzisch-bayerische Truppen Würzburg besetzt, unter ihnen viele Protestanten. Feldprediger Carl Fuchs, der die Soldaten begleitete, hielt 31. Oktober, dem Reformationstag, am Sanderrasen den ersten öffentlichen evangelischen Gottesdienst.

Gut zwei Monate später, am 10. Januar 1803, wurde in Würzburg das bayerische Religionsedikt verkündet, das in den Geschichtsbüchern auch als Toleranzedikt bezeichnet wird. Es regelte unter anderem die konfessionelle Gleichberechtigung. Damit konnten im katholischen Bayern fortan auch Protestanten ihren Glauben leben. Das Edikt garantierte ihnen volle Bürgerrechte sowie gleichberechtigten Zugang zu staatlichen Ämtern. Außerdem wurde ihnen das Recht zugestanden, eigene Kirchengemeinden zu gründen.

Erste Kirche für evangelische Gemeinde

Die Kirche St. Stephan heute.

Erster evangelischer Pfarrer wurde Feldprediger Fuchs. Er zelebrierte die ersten Gottesdienste in der Karthäuserkirche, Ende 1803 wurde den evangelischen Bürgern die ausgelöste Benediktinerabtei St. Stephan überlassen – zu dieser Zeit die neueste und modernste Kirche in der Domstadt. Knapp drei Jahre später war die evangelische Gemeinde schon fast um die Hälfte gewachsen.

Trotzdem blieben die katholischen Gläubigen in der Überzahl. So hat Unterfranken historisch-geographisch bedingt einen höheren Anteil an Katholiken als die anderen beiden fränkischen Regierungsbezirke. 1830 waren hier vier von fünf Einwohnern katholisch, gut 15 Prozent evangelische Christen. Die Konfessionen waren jedoch nicht gleichmäßig über das Gebiet verteilt, sondern bildeten regionale Schwerpunkte. So waren die Menschen am Untermain und im ehemaligen Fürstentum Würzburg überwiegend katholisch. Einen großen Anteil von Protestanten gab es unter anderem im Steigerwald, in und rund um Schweinfurt sowie in der Rhön. Das gilt vielerorts bis heute.

Zwei von drei Unterfranken katholisch

Erst die Industrialisierung, dann der Zuzug von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen: Die Bevölkerung in Unterfranken wuchs und wuchs. Dennoch veränderte sich die konfessionelle Struktur kaum: So wurden 955.667 Katholiken im Jahr 1978 gezählt – ein Rekord. Die 80-Prozent-Marke aber wurde nicht gebrochen. Ab den 1990er Jahren ging der Anteil der Katholiken teils stark zurück. 2012 lebten in Unterfranken gut 1,3 Millionen Einwohner, davon waren knapp zwei Drittel katholisch und 18 Prozent protestantisch.

Juden in Unterfranken

Die Synagoge in Veitshoechheim (Lkr. Wuerzburg) ist eines der wichtigsten Zeugnisse des Landjudentums in Unterfranken.

Eine große Bedeutung hatte das heutige Unterfranken bis ins 20. Jahrhundert hinein für die jüdische Bevölkerung: Mit über 200 Gemeinden war das Gebiet so dicht besiedelt wie kein anderes in Bayern, die Gläubigen lebten überwiegend auf dem Land. Wurden 1830 noch rund 17.500 Juden gezählt, waren es 1900 nur noch 13.600. Verursacht wurde die Abwanderung nicht zuletzt durch den sogenannten Matrikelparagraphen. Er beschränkte die Zahl der jüdischen Familien und griff dadurch in die Familienplanung ein.

Der jüdischen Gemeinde Aschaffenburg gehörten im 19. Jahrhundert rund 700 Menschen an, sie war damit eine der größten in Unterfranken. Die Mitglieder gestalteten das wirtschaftliche und kulturelle Leben in der Stadt maßgeblich mit. 1933 sank die Zahl der jüdischen Bürger in Unterfranken auf 8.520, 1939 waren es nur noch 3.200. Während der NS-Zeit wurde das jüdische Leben in Unterfranken dann praktisch ausgelöscht – bei der ersten Deportation in Würzburg am 27. November 1941 wurden 200 Menschen ins Konzentrationslager Jungfernhof bei Riga transportiert, die sechste und letzte Deportation am 17. Juni 1943 umfasste 64 Menschen.

Neue jüdische Gemeinde "Shalom Europa"

Jüdisches Kultur- und Gemeindezentrum "Shalom Europa" in Würzburg.

Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand nur in Würzburg wieder eine jüdische Gemeinde. Ende 2006 wurde dort das jüdische Gemeinde- und Kulturzentrum "Shalom Europa" eingeweiht. 1.040  Mitglieder  gehören der Israelitischen Gemeinde Würzburg an (Stand: 2011).


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