Wirtschaft im Wandel In Unterfranken produziert, weltweit genutzt
Noch zu Beginn des 20.Jahrhunderts war Unterfranken stark landwirtschaftlich geprägt. Mittlerweile haben hier Unternehmen ihren Sitz, die sich weltweit einen Namen gemacht haben.
Ob Automobilzulieferer oder Hersteller von Druckmaschinen, Baustoffen, Bekleidung: Einige Unternehmen haben von Unterfranken aus quasi die Welt erobert. Wer hätte das vor über 100 Jahren ahnen können, als knapp die Hälfte der hiesigen Bevölkerung von der Landwirtschaft lebte.
Doch die zweite Industrialisierungswelle schob schließlich auch im nördlichsten Regierungsbezirk Bayern einen Wandel an: Neue Betriebe entstanden, bestehende wurden erweitert. Das merkten vor allem die Städte an der Anzahl der Arbeitnehmer. So waren 1907 in Würzburg 22.553 Menschen im Gewerbe und Handel tätig (1882: 11.608), in Aschaffenburg 9.694 (1881: 3.225).
Buntpapier am Untermain, Wälzlager in Schweinfurt
1895 unter dem Namen "Fichtel und Sachs" gegründe, gehört ZF Sachs heute zu den wichtigsten Automobilzulieferern.
Ende Juni 2011 wurde in den 806 unterfränkischen Betrieben insgesamt ein Umsatz von rund 26 Milliarden Euro erwirtschaftet. Zu den wichtigsten Branchen gehören Maschinenbau, Automobilzulieferung und die Bekleidungsherstellung. Die Produktionsschwerpunkte der einzelnen Regionen sind historisch bedingt sehr unterschiedlich. So ist der Untermain bekannt für seine Buntpapierfabrikation und die Messzeugindustrie. Würzburg hingegen hat seine Stärken eher im Bereich Dienstleistung und Handel. Und die ehemalige Kugellagerstadt Schweinfurt hat sich zum industriellen Zentrum Nordbayerns gemausert. Neben der Wälzlagerproduktion spielt unter anderem die Automobilzulieferung eine wichtige Rolle.
Wirtschaftsförderung im 19. Jahrhundert
Doch nicht überall lief es rund Anfang des 19. Jahrhunderts. Deshalb gründete Domkapitular Franz Oberthür 1906 in Würzburg den Polytechnischen Zentralverein. Unterstützt von der königlich-bayerischen Regierung setzte es sich dieser Verein zum Ziel, junge Handwerker und strukturschwache Gebiete wie die Rhön zu fördern. So wurde in Bischofsheim eine Holzschnitzschule eingerichtet, die heute noch existiert. Der Kahlgrund (heute Lkr. Aschaffenburg) entwickelte sich zu einem Zentrum der Perlenstickerei und Zigarrenfabrikation. In beiden Industriezweigen arbeiteten überwiegend Frauen.
Wirtschaftsfaktor Wein
Der unterfränkische Wein verkauft sich nicht nur gut, er lockt auch jedes Jahr viele Touristen in die Region.
Betrachtet man die wirtschaftliche Entwicklung der Region, darf ein ganz bedeutender Faktor nicht fehlen: der Wein. Unterfranken trägt entscheidend dazu bei, dass Bayern insgesamt knapp 6.300 Hektar Rebfläche besitzt – und damit bundesweit auf Platz drei rangiert. Darauf hätte Anfang des 20. Jahrhunderts wohl keiner gewettet, denn damals bedrohte die aus Amerika eingeschleppte Reblaus die Existenz des Weinbaus. Verbunden mit den Auswirkungen der beiden Weltkriege ging die Rebfläche in Bayern 1950 auf 2.485 Hektar zurück – Anfang des 19. Jahrhunderts waren es noch 10.000 Hektar gewesen.
Das Damoklesschwert schwebte über den Weinbergen – und die Bayerische Staatsregierung wehrte es ab. Verschiedene Maßnahmen wie die Zusammenlegung von Rebflächen, die Einführung neuer Sorten und die Einrichtung der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshochheim unterstützten die Winzer bei ihrer Arbeit – und ebneten so einen Weg in eine erfolgreiche Zukunft. Heute ist der Bocksbeutel Markenzeichen international prämierter Qualitätsweine – und Wahrzeichen einer ganzen Region.
Bau des Eisenbahnnetzes
Lokführer und Heizer auf einer Nachbildung der legendären Adler-Lok. 1852 rollte die Eisenbahn bis Haßfurt.
Zur Wirtschaftsgeschichte gehört auch die Erschließung durch die Eisenbahn. Als am 7. Dezember 1835 die Dampflokomotive Adler erstmals die Strecke zwischen Nürnberg und Fürth entlangdampfte, war Unterfranken zum Zuschauen und Abwarten verdammt. Erst knapp 17 Jahre später, im August 1852, wurde der erste Abschnitt zwischen Bamberg und Haßfurt in Betrieb genommen, im November folgte der Anschluss Schweinfurts, im Juli 1854 kam Würzburg dazu. Weitere elf Jahre sollte es dauern, bis von Würzburg über Kitzingen und Fürth nach Nürnberg die wichtigste Anbindung Unterfrankens an Südbayern fertiggestellt war.
In der Eisenbahn sah die Regierung ein wichtiges Instrument, um der zunehmenden Verstädterung entgegenzuwirken. Die Menschen Mitte des 19. Jahrhunderts wollten mobil sein – was lag da näher, als das Netz auszubauen und so den ländlichen Raum zu erschließen? 1871 ging auf der Strecke Schweinfurt-Bad Kissingen die erste Nebenbahn in Betrieb, weitere folgten. Doch die Landflucht konnte die Eisenbahn damit nicht aufhalten.