Dialektforschung Kauderwelsch nur für "Auswärtige"
"Ich hoo en nid lass giia." Das ist keine indianische Kampfansage, sondern Wasserlosener Mundart: "Ich habe ihn nicht gehen lassen." Was wären die Unterfranken nur ohne ihren Dialekt – und ohne das gleichnamige Institut?
"Ich bin die Baula, des schreibd ma middm haddn B." Paula mit hartem P? Womit sonst? Ja, was werden die Unterfranken für ihren Dialekt belächelt, der nicht zwischen B und P oder D und T unterscheidet. Ganz so einfach ist es freilich nicht, die unterfränkische Mundart zu definieren. Wobei: "Den unterfränkischen Dialekt an sich gibt es nicht", erklärt Monika Fritz-Scheuplein vom Unterfränkischen Dialektinstitut (UDI). "Wir sprechen entweder von Dialekten in Unterfranken oder von unterostfränkisch, zumindest in der Region östlich der Spessartbarriere."
"Appel/Apfel-Linie" durch den Spessart
Tatsächlich treffen in Unterfranken zwei große Sprachräume aufeinander, die Grenze verläuft mitten durch den Spessart. Dieses "Spessartbarriere" wird wegen ihres markanten Merkmals auch als "Appel/Apfel-Linie" bezeichnet. Das westliche Gebiet zählt zum mitteldeutschen Sprachraum, die Menschen dort sprechen überwiegend rheinfränkisch-hessisch. Das Ganze ist historisch gewachsen, denn die Gebiete um Aschaffenburg gehörten früher zum Erzstift Mainz. Der östliche Bereich hingegen zählt zum oberdeutschen Sprachraum, der Dialekt: unterostfränkisch. "Zwischen diesen beiden Sprachräumen existiert ein breites Übergangsgebiet, in dem sich die Dialekte vermischen und gegenseitig beeinflussen", so Fritz-Scheuplein.
Das Unterfränkisches Dialektinstitut (UDI)
Das Institut ist ein Projekt des Lehrstuhls für Deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Würzburg, das maßgeblich vom Bezirk Unterfranken gefördert wird. 2003 gegründet, führt das UDI die Arbeit des Sprachatlas von Unterfranken (1989-2003) weiter. Die Mitarbeiter sammeln, analysieren, dokumentieren und archivieren Mundarttexte und -wörter und machen diese der Öffentlichkeit zugänglich. Zudem ist das UDI Anlaufpunkt für Mundartdichter, Heimatpfleger, Schulen und alle, die sich für die unterschiedlichen Dialekte in Unterfranken interessieren.
Weg vom Orts-, hin zum Regionaldialekt
Wer ein feines Gehör hat, kann sogar von Ortschaft zu Ortschaft große dialektale Unterschiede heraushören. "Allerdings verschwinden nach und nach die Ortsdialekte, die früher wirklich auf den kleinsten Raum beschränkt waren. Die Tendenz geht in Richtung Regionaldialekt, der in einem größeren Gebiet gesprochen wird." In den Städten verschwinde die Mundart immer mehr. "Das liegt daran, dass dort viele Menschen zuziehen, die "Einheimischen" werden immer weniger und damit wächst der Einfluss von außen."
"-la" oder "-le": Die Endung verrät die Herkunft
Die ländlichen Regionen hingegen sind noch immer stark geprägt von der Mundart. Typisch: Der Unterfranke – vor allem im unterostfränkischen Sprachraum – verkürzt Wörter gerne, indem er einfach die Endungen weglässt: "was könn‘ mer mach"“ statt "was können wir machen". Apropos Endungen: auch hier gibt es regionale Unterschiede. So hört man in der Längsachse Unterfrankens – vom Norden durchs Zentrum bis fast in den Süden – die Verkleinerungsendung "-le": Häusle, Rädle, Mädle. "Ab Schweinfurt über die Haßberge bis nach Bamberg dagegen enden die Wörter immer häufiger auf "-la": Häusla, Rädla, Mädla", erläutert Fritz-Scheuplein. Ganz im Süden, also im Bereich Ochsenfurt, hört sich die Mundart dann fast schon baierisch an, das Rad heißt dann Radl.
Kinder lernen von den Großeltern
Der Dialekt verschwindet also nicht, er verändert sich lediglich. "Es heißt auch immer wieder, Kinder würden keine Mundart mehr sprechen – das stimmt so nicht", stellt Fritz-Scheuplein klar. "Vor allem in ländlichen Regionen kennt der Nachwuchs den jeweiligen Dialekt, wenn auch nicht mehr in allen Facetten." Besonders dialektkompetent seien Kinder, die in Mehrgenerationenhäusern aufwachsen, "die nehmen einiges mit von den Großeltern."
Schulprojekte schärfen Sprachbewusstsein
In Schulprojekten untersucht das UDI, wie Kinder mit der Mundart umgehen. "Dabei lehren wir ihnen aber nicht den Dialekt, den müssen sie schon von daheim mitbringen. Vielmehr machen wir den Kinder bewusst, dass ihr Zungenschlag nichts Negatives hat, dass sie keine minderwertige Sprache sprechen." Die Kinder sollen ein Gefühl dafür bekommen, in welchen Situationen Dialekt angebracht, ja sogar gewünscht ist – und wann sie besser auf die Hochsprache zurückgreifen. "So wollen wir das Sprachbewusstsein schärfen."