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Abschied vom Einfamilienhaus – wie Schüler künftig wohnen wollen

Wie wollen junge Menschen in Bayerns Dörfern künftig wohnen und was ist überhaupt noch finanzierbar? Diese Frage haben sich Schüler vom Gymnasium Seligenthal in Landshut gestellt. Sie sind zu überraschenden Ergebnissen gekommen.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

Steigende Preise und immer knapper werdender Wohnraum: Nicht nur in Städten, auch auf dem Land wird es immer schwieriger, bezahlbaren und eigenen Wohnraum zu finden. Eine elfte Klasse des Gymnasium Seligenthal in Landshut hat jetzt die Pläne für eine Tiny-House-Siedlung vorgestellt, die bei Baufachleuten auf großes Interesse stößt und vielleicht sogar konkret irgendwo in einem Dorf umgesetzt werden wird.

50 Menschen in 24 Häuschen

24 sogenannte Tiny- oder Modulhäuser aus Holz für rund 50 Bewohner. So stellen sich die Elft-Klässler des Gymnasiums Seligenthal das Wohnen der Zukunft auf dem Dorf vor. Sie zeigen das am Beispiel einer Musterhaussiedlung für Wörth an der Isar im Kreis Landshut: Die kleinen Häuser bieten Wohnflächen zwischen 30 und 60 Quadratmetern.

Das klassische freistehende Einfamilienhaus oder die Doppelhaushälfte - Klassiker in niederbayerischen Dörfern - haben für die Schüler offenbar ausgedient. Diese seien kaum mehr finanzierbar, zudem nicht nachhaltig und auch nicht flexibel genug.

Planung bis ins Detail

Die Schüler haben eine Mustersiedlung komplett durchgeplant bis hin zur Baugenehmigung und den erforderlichen Abstandsflächen. Auf einer real existierenden noch als Acker genutzten 12.000 Quadratmeter großen Fläche in Wörth an der Isar haben sie ihre Zukunftsvision einer Tiny-House-Siedlung ganz konkret geplant.

Die einzelnen kleinen Holz-Häuser mit unterschiedlichen Grundflächen sind scheinbar wie hingewürfelt angeordnet, in Wirklichkeit wurde aber von den Schülern alles ganz genau durchdacht und geplant. Sie holten sich Hilfe von Architekten oder einem Hersteller von Tiny- und Modulhäusern und erkundigten sich bei Behörden, was möglich ist und was nicht.

Schwierige Rahmenbedingungen für Häuslebauer

Ein ganzes Jahr lang hat sich die Gruppe aus elf Schülerinnen und Schülern der elften Jahrgangsstufe in dem P-Seminar mit der Zukunft des Wohnens auf dem Land beschäftigt – in all seinen Facetten. Sie setzten sich dabei mit der Geschichte des Bauens auf dem Dorf auseinander, mit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg und natürlich mit der aktuellen Situation.

Und schnell wurde klar: So wie ihre Eltern gebaut haben, werden sie selbst wohl kaum mehr bauen. Wahrscheinlich allein schon aus finanziellen Gründen angesichts "explodierter" Baukosten und hoher Zinsen, sagen etwa Marie, Leni und Julian im BR24-Interview.

Schüler gut über aktuelle Situation informiert

"Die Kinder bekommen durch die Nachrichten mit, was gerade passiert auf der Welt", meint Kerstin Wittmann, eine der beiden Lehrerinnen in dem fächerübergreifenden Unterrichtsprojekt in Deutsch und Geschichte. "Sie wissen, dass es für viele Familien schon jetzt schwierig ist, die Miete aufzubringen oder das Haus zu finanzieren. Das beschäftigt sie."

Zusammen mit Elisabeth Feldl hat Kerstin Wittmann das P-Seminar über die Zukunft des Wohnens auf dem Land gestartet, denn viele Schüler kommen aus umliegenden Dörfern. Und auch die beiden Lehrerinnen sind erstaunt, was dabei herauskam.

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Die Planung im Detail

Wertvolle Erfahrungen gesammelt

"Am Anfang war es auch eine ganz große Überwindung für die Schüler, dass sie einfach mal bei irgendeinem externen Partner anrufen mussten, dass sie E-Mails schreiben mussten – mit der Gefahr, dass sie auch mal eine Abfuhr bekommen", berichtet Lehrerin Elisabeth Feldl. "Da haben wir dann aber immer gesagt, wir sind ein Team und wenn mal eine Rückmeldung kommt, mit der wir nicht zufrieden sind, dann verbuchen wir das im Team als Erfahrung. Und auch aus diesen Erfahrungen haben wir gelernt."

Experten reagieren beeindruckt

Zur öffentlichen Präsentation ihrer Tiny-House-Siedlung für das künftige Wohnen auf dem Dorf haben sie Experten und Entscheider eingeladen. Und alle zeigten sich beeindruckt von den Plänen. "Diese Häuser sind tatsächlich im Trend", sagte Leon Putz, der in seiner Firma im Landkreis Landshut Tiny- und Modulhäuser baut. Das Unternehmen fertigt Häuser in der Größe von 20 bis 70 Quadratmetern. Die Erfahrung zeige, so Putz, dass Bauherren daran interessiert seien, ökologischer und nachhaltiger zu leben und zu bauen. Der Trend gehe dahin, sich auch beim Wohnen zu verkleinern und flexibler zu werden.

Architektin Silvia Kasper zeigte sich beeindruckt, "wie viele Aspekte die Schüler da in den Fokus genommen haben und wie kreativ sie die Mustersiedlung umgesetzt haben".

Einladung: Schüler sprechen vor Bürgermeistern

Auch der Landshuter Landrat Peter Dreier (Freie Wähler) zeigte sich nach der Präsentation der Tiny-House-Siedlung beeindruckt: "Wir brauchen unbedingt auf schnellstem Weg bezahlbaren Wohnraum - nicht nur im klassischen Sinn - der schnell und kostengünstig realisiert werden kann. Und das, was die Schüler hier präsentiert haben, ist ein Weg in die richtige Richtung." Das Modell eröffne ganz neue Möglichkeiten der sogenannten "Innenraumverdichtung" in den Dörfern, die anders als manche große Wohnkomplexe auch noch Luft lasse zum Atmen und Leben.

Landrat Dreier war von der Präsentation der Schüler so begeistert, dass er die Schüler spontan als Referenten für die nächste Dienstversammlung aller Bürgermeister im Landkreis verpflichtete. Hier können die Schüler ihre Tiny- House-Modellsiedlung vorstellen. Bereits kommende Woche präsentieren die Schüler ihre Pläne ganz unverbindlich dem Gemeinderat von Wörth an der Isar.

Dieser Artikel ist erstmals am 12.7.2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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