Sollte die SPD-Basis einer Neuauflage der Großen Koalition zustimmen, könnte der kommissarische SPD-Chef Olaf Scholz künftig mit Angela Merkel und Horst Seehofer gemeinsam am Kabinettstisch in Berlin sitzen. Beim politischen Aschermittwoch der SPD im niederbayerischen Vilshofen, bedachte er die beiden dennoch mit einer spöttischen Bemerkung: "Nicht nur ein bayerischer Politiker hat wohl den Zenit seiner politischen Karriere überschritten, sondern wohl auch eine Frau aus dem Norden", sagte er vor rund 2.000 Menschen im Festzelt.
Lindner und Habeck witzeln über Seehofer
Seehofer selbst hatte seinen Auftritt bei der CSU-Kundgebung in Passau wegen einer Erkrankung abgesagt. Das hinderte aber Politiker anderer Parteien nicht daran, den CSU-Vorsitzenden anzugreifen. FDP-Chef Christian Lindner scherzte in der Stadthalle Dingolfing, er habe jetzt verstanden, warum es im Bund künftig einen Heimatminister geben solle. "Den Heimatminister gibt's, weil sich Horst Seehofer daheim nicht mehr sehen lassen kann, also muss er sich in Berlin zuhause fühlen. So habe ich das jetzt verstanden."
Und der neue Grünen-Chef Robert Habeck rief in Landshut: "Ein Heimatministerium in Berlin - und Horst Seehofer wird dahin abgeschoben. So fühlt es sich an, wenn man abgeschoben wird."
AfD-Bundessprecher Meuthen: "Heißluft-Horst"
Noch schärfer der Ton des AfD-Bundessprechers Jörg Meuthen bei der Kundgebung seiner Partei in Osterhofen: "Was wird Seehofer in Berlin wohl tun? Nun, der Heißluft-Horst, der kläfft ab und an mal, fordert etwa eine Obergrenze für Migranten, die dann aber natürlich gar keine ist." Sobald es ein Leckerli von Kanzlerin Merkel gebe, "legt sich der Horst wieder ins gemütliche Körbchen und ist wieder ruhig". Das sei perfekte Konditionierung, und das neueste Leckerli, "um Horsti zu stillen, ist eben das Innenministerium".
Und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger spottete in Deggendorf mit Blick auf eine mögliche Neuauflage der Großen Koalition im Bund über ein "Invalidenkabinett von politisch Fußkranken".
Wenig derbe Sprüche beim Aschermittwoch der SPD
Bei der SPD ging es insgesamt eher sachlich zu. Auf die - am politischen Aschermittwoch gewohnten - derben Sprüche, warteten die Zuschauer vergeblich. Gegen den politischen Gegner frotzelte Scholz kaum. Stattdessen warb er um Zustimmung zum Koalitionsvertrag mit der Union. Der trage eine klar sozial-demokratische Handschrift.
Scholz zur Lage der Partei
Am meisten Zustimmung erntete Scholz aber für seine Anmerkungen zu den innerparteilichen Querelen. Auf die Personaldebatten ging er zwar nicht direkt ein, merkte aber an, die SPD habe in den vergangenen Tagen "nicht die beste Performance" geboten. Die Beteiligung an der Regierung ist für den möglicherweise künftigen Vizekanzler die Voraussetzung zur Erneuerung der Partei. Man müsse das Vertrauen der Bürger wiedergewinnen, forderte Scholz.
Im vergangenen Jahr gab es zum politischen Aschermittwoch in Vilshofen frenetische Jubelrufe. Damals hieß der Hauptredner Martin Schulz. Bei Scholz blieb die große Euphorie heuer zwar aus. Standing Ovations, Applaus und schwenkende rote SPD-Fahnen gab es aber auch diesmal.
Lindner verteidigt Jamaika-Aus
Dass die FDP ihren Jamaika-Rückzug bereut, merkte man der der Partei bei ihrer Kundgebung nicht an. Parteichef Lindner stellte klar, die Deutschen hätten zwar eine große Sehnsucht nach einer Zusammenarbeit von Schwarz-Grün gehabt, aber vor allem mit den Grünen hätte die FDP nicht zusammenarbeiten können.
Im zweiten Teil seiner Rede sezierte Lindner Teile des schwarz-roten Koalitionsvertrags: Baugeld, Grunderwerbssteuer, Kindergeld. In Deutschland gehe die Gesellschaft an den Rändern immer weiter auseinander. Das könne nur behoben werden, indem die breite Mitte entlastet und wieder bessergestellt werde, so Lindner.
Grünenvorsitzender Habeck greift FDP-Chef Lindner
Deutliche Kritik an Lindner kam vom neuen Grünen-Bundesvorsitzenden Habeck vor 250 Menschen in Landshut. Das Verhalten des FDP-Chefs bei den Jamaika-Sondierungen im vergangenen Jahr sei asozial und schändlich gewesen, wetterte er. Aber auch die CSU trage Verantwortung. Das sei bislang viel zu wenig wahrgenommen worden.
Für die aktuellen Wehen und Schwierigkeiten der Regierungsbildung zeigte der Grünen-Vorsitzende Verständnis. Die SPD sei weidwund und quäle sich in dieses Bündnis. Dafür habe er Respekt.
Freie Wähler: Deutschland ein Land des Mangels
Für den Chef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, ist Deutschland das Land des Mangels geworden. In diesem reichen Land fehlten Polizisten, Richter, Lehrer, Erzieher und Ärzte. Das einzige, was funktioniere, sei die Bürokratie, kritisierte er bei der FW-Kundgebung. Kaum sei ein Säugling auf der Welt, bekomme er eine Steueridentifikationsnummer. Aber an Hebammen und Kinderärzten für die Nachsorge fehle es.
Linke warnen beim Aschermittwoch vor rechten Tendenzen
Ganz andere Töne schlug erwartungsgemäß Linksfraktionschef Dietmar Bartsch vor 200 Anhängern in Passau an. Er machte unter anderem rechtsnationalistische Tendenzen zum Thema. Man müsse beim Kulturkampf von Rechts, wie ihn etwa Donald Trump, Recep Tayyip Erdogan oder Viktor Orban führten, ein "Bollwerk der Menschlichkeit und Vernunft" sein. Und Parteivize Janine Wissler polterte in Richtung CSU, wer die Parolen der AfD übernehme, mache sie erst recht stark.
Zum Thema Altersarmut sagte Wissler: "Dass die Menschen, die andere Menschen pflegen, Angst vor Altersarmut haben müssten, ist ein Skandal. Ich habe nie verstanden, dass eine Krankenschwester so viel weniger verdient wie ein Immobilienmakler oder Investmentbanker." Bartsch kritisierte ferner auch deutsche Waffenexporte. Alle 14 Minuten sterbe ein Mensch durch eine deutsche Waffe. Das sei nicht hinnehmbar.