Es ist ein anstrengender und kräftezehrender Job, den Gabriele Pulm-Muhr mehrere Tage die Woche hat. Sie ist Sozialpädagogin und Asylsozialberaterin in einer der vier Einrichtungen des Transitzentrums Ingolstadt-Manching.
Bis zu 600 Menschen in ehemaliger Kaserne
In der ehemaligen Max-Immelmann Kaserne leben manchmal bis zu 600 Menschen. Sie sind hier, weil Ihr Gesuch um Asyl sehr geringe Erfolgsaussichten hat. Das Transitzentrum gibt es seit diesem Jahr und ist der Nachfolger der Ankunft- und Rückführungseinrichtung ARE:
"Die Atmosphäre in der Einrichtung ist geprägt von den Lebensumständen: 'Wir wissen nicht, wie es weitergeht', 'wir wissen nicht, wie lange wir hier bleiben', 'welche Perspektive haben wir?'. Das überträgt sich in jedes Lebensfeld." Gabriele Pulm-Muhr, Sozialpädagogin und Asylsozialberaterin bei der Caritas
Im Schnitt sind es 120 Tage Ausharren, vor allem für Menschen aus Nigeria, der Ukraine und Afghanistan. Aber für viele Menschen sind sogar bis zu zwei Jahre in der Abschiebeeinrichtung normal – völlig fremdbestimmt, weit ab von jeglichem Kontakt zu Stadt oder Bevölkerung.
Caritas: Maximal drei Monate im Transitzentrum
Die Caritas fordert deswegen, dass die Bewohnerinnen allerhöchstens drei Monate bleiben und dann in kleinere Einrichtungen kommen. Im großen Transitzentrum haben es vor allem Schwangere und junge Mütter sehr schwer, sagt Gabriele Störkle, die Fachdienstleiterin der Caritas Pfaffenhofen; Manching liegt im Landkreis Pfaffenhofen. Die Frauen leben zusammen und haben keinen Raum zum Rückzug:
"Gewickelt wird auf dem Bett. Es gibt keine Babywaage. Die Frauen können nicht nachvollziehen, ob ihr Kind gut gedeiht. Das führt oft dazu, , dass sie zufüttern, auch wenn's nicht sein müsste, weil sie Angst hab, das Kind erwischt zu wenig. Auch normales Babybaden ist so in der Form nicht möglich. Das muss man in der Gemeinschaftsdusche machen." Gabriele Störkle, Fachdienstleiterin der Caritas Pfaffenhofen
"Kaum einer nicht traumatisiert"
Und die Caritas, so sagt es die Direktion, habe zu wenig Mitarbeiter für die vielen Menschen, die Hilfe brauchen, das Gespräch suchen, wissen wollen, wie es weitergeht – oder auch nicht. Nicht wenige warten vergeblich, bis sie zurückgeschickt werden, weil die Bürozeiten irgendwann zu Ende sein müssen. Auch wenn sie aus sicher genannten Drittstaaten gekommen sind, brauchen sie oft viel Zeit und Hilfe sagt Willi Dräxler, Fachreferent für Asyl und Migration:
"Kaum einer, der geflüchtet ist, sei es in Nigeria, im Senegal oder sonst irgendwo, der kommt hier an, ohne dass er traumatisiert wird unterwegs. Die Frauen werden vergewaltigt, verprügelt, kriegen nichts zu essen. Die schlimmsten Fälle hab ich vom Sinai berichtet bekommen: Da sind den Menschen Organe entnommen worden. Also es gibt brutalste Sachen. Die wenigsten Menschen schaffen es, in Europa anzukommen, ohne dass ihnen vorher gravierende Sachen passiert sind." Willi Dräxler, Fachreferent der Caritas für Asyl und Migration
Verständnis für Tumult wegen Schwangerer
Gerade deswegen, so die Caritas, sei es wichtig, mehr zu integrieren, die Schulkinder schon vor der Sechs-Monate-Frist in eine normale Schule gehen zu lassen. Für alle, die mit diesen Flüchtlingen arbeiten, ist klar und verständlich, warum es zu einem Fall wie vor zwei Wochen kommen konnte: als eine Schwangere, die sich im Transitzentrum ein weiteres Mal für Geld anstellen wollte, einen Tumult auslöste, der 17 Einsatzfahrzeuge der Polizei nötig machte. Es gebe zwei Möglichkeiten für Menschen, auf das Dasein im Transitzentrum zu reagieren, sagt Gabriele Pulm-Muhr:
"Die einen gehen total in den Rückzug und in die Depression, die anderen suchen ihr Heil in der Aggression. Beides ist für die Menschen ganz, ganz schlecht, weil sie keine Unterstützung bekommen, das zu ändern." Gabriele Pulm-Muhr, Sozialpädagogin und Asylsozialberaterin bei der Caritas
Weitermachen – der Menschen wegen
Mit sechs Mitarbeitern sei das auf jeden Fall kaum zu machen. Und trotzdem, trotz Tristesse und furchtbaren Trauma-Geschichten, findet Gabriele Pulm-Muhr immer wieder einen Anlass weiterzumachen:
"Wenn die Leute dann sagen, endlich hat uns jemand wahrgenommen, als Mensch wahrgenommen, meine Geschichte angehört – das ist eine große Motivation." Gabriele Pulm-Muhr, Sozialpädagogin und Asylsozialberaterin bei der Caritas