Unter anderem Mord, versuchten Mord und Vergewaltigung wirft die Staatsanwaltschaft einem 31-jährigen US-Amerikaner vor. Der Mann soll im Juni vergangenen Jahres zwei amerikanische Touristinnen bei Schloss Neuschwanstein angegriffen und in die Pöllatschlucht gestoßen haben. Eine der beiden jungen Frauen überlebte den Angriff nicht. Am Montag beginnt der Prozess am Landgericht Kempten.
Zufällige Begegnung der drei Amerikaner
Laut Anklage traf der Mann am 14. Juni nachmittags gegen halb drei zufällig in der Nähe der Marienbrücke bei Schloss Neuschwanstein auf die beiden Studentinnen. Unter dem Vorwand, ihnen einen besonders schönen Aussichtspunkt auf das Schloss zeigen zu wollen, soll er die beiden jungen Frauen auf einen schwer einsehbaren Trampelpfad gelockt haben. Dann soll der Amerikaner die jüngere der beiden Touristinnen angegriffen haben, um sie zu vergewaltigen.
Bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt
Als ihre Freundin der 21-Jährigen zu Hilfe kam, soll der Mann die Frau über einen Abhang in die Pöllatschlucht gestoßen haben. 50 Meter weiter unten blieb die damals 22-jährige Studentin verletzt an einem Baum liegen. Anschließend soll der Angeklagte ihre 21-jährige Freundin bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt, vergewaltigt und ebenfalls in die Schlucht gestoßen haben. Die junge Frau starb wenige Stunden nach dem Angriff an den Folgen ihrer Verletzungen im Krankenhaus.
Großeinsatz von Polizei und Bergwacht am Schloss
Unmittelbar nach der Tat fahndete die Polizei mit einem Großaufgebot rund um das Schloss nach dem mutmaßlichen Täter. Die beiden Frauen wurden von der Bergwacht per Seilwinde mit einem Hubschrauber aus der Schlucht geholt und in Krankenhäuser geflogen. Der tatverdächtige amerikanische Tourist wurde noch am selben Nachmittag in der Nähe der Marienbrücke festgenommen. Die Festnahme und die Rettung der Opfer spielten sich vor den Augen Hunderter Touristen am Schloss Neuschwanstein ab.
Die Gewalttat direkt neben König Ludwigs "Märchenschloss" sorgte international für großes Aufsehen. Entsprechend groß dürfte auch der Medienandrang zum Prozessauftakt sein. "Das ist tatsächlich ein außergewöhnliches Verfahren hier am Landgericht", sagt Gerichtssprecher Ferdinand Siebert. "Sowohl von öffentlicher Seite als auch von den Medien her ist definitiv ein großes Interesse gegeben."
Prozess "extreme Belastung" für die Familie der Getöteten
Der Vater der getöteten amerikanischen Studentin tritt in dem Prozess als Nebenkläger auf. Vertreten wird er durch den Münchner Anwalt Michael Pösl. "Die Familie leidet heute noch unter den Folgen. Sämtliche Familienmitglieder befinden sich nach wie vor in psychologischer Betreuung", sagt der Anwalt der Familie. Der Prozess sei für sie extrem belastend. "Auf der einen Seite erhoffen sie sich einen Abschluss durch den Prozess, auf der anderen Seite kommen natürlich sämtliche Gefühle und Empfindungen wieder hoch."
Die Familie der getöteten Studentin wird laut ihrem Anwalt den Prozess zu einem späteren Zeitpunkt vielleicht auch persönlich verfolgen. Die Eltern und die Zwillingsschwester erhofften sich durch das Verfahren Aufklärung – vor allem bei dem Motiv für die Tat. Laut dem Anwalt waren die 21-Jährige und ihre Freundin im Juni gemeinsam auf einer Urlaubsreise durch Europa unterwegs – als Belohnung für ihr gerade abgeschlossenes Informatik-Studium.
Urteil voraussichtlich im März
Der Angeklagte hat laut Staatsanwaltschaft bisher keine Angaben zu den Vorwürfen gemacht. Sein Anwalt wollte sich vor Beginn des Prozesses auf Anfrage auch nicht öffentlich äußern. Bis zu einer möglichen rechtskräftigen Verurteilung gilt für den Angeklagten die Unschuldsvermutung. Das Landgericht Kempten hat sechs Verhandlungstage bis Mitte März angesetzt.
Dieser Artikel ist erstmals am 17. Februar 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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