Marion Kiechles Doppelrolle als Wissenschaftlerin und Gesellschafterin sorgt weiter für Gesprächsstoff. Für viele besteht ein eindeutiger Interessenkonflikt. Für Ludwig Hartmann, Spitzenkandidat der Grünen im bayerischen Landtagswahlkampf, geht bei den Vorwürfen gegen Marion Kiechle nicht bloß um eine Formalie.
"Die Recherche wirft ein dunkles Licht auf die Ministerin, vor allem auf die Regierung Söder. Wer im wissenschaftlichen Bereich trickst und täuscht, ist für das Amt der Wissenschaftsministerin denkbar ungeeignet", erklärte Hartmann. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich mit diesem Fehlverhalten im Amt halten wird."
Ministerin machte Interessenkonflikt nicht bekannt
Gestern Abend war bekannt geworden, dass die bayerische Wissenschaftsministerin Marion Kiechle einen Interessenkonflikt nicht transparent gemacht hat.
Nur wenige Wochen vor ihrer Ernennung zur Ministerin lobt sie in einer Pressemitteilung den neuen Test einer Firma - er soll Brustkrebspatientinnen helfen, zu entscheiden, ob eine Chemotherapie sinnvoll ist. Kiechle war vor ihrer Zeit als Ministerin Forscherin an der TU München, Gynäkologin. Der Test bedeute "für uns Ärzte einen Fortschritt in der Optimierung der Krebsbehandlung", sagte Kiechle.
Sie spricht dezidiert als Ärztin und Professorin der TU München. Was sie dagegen nicht sagt: Dass sie mit dem Unternehmen, das den Test mitentwickelt hat, mehr als verbunden ist.
Kiechle hält Anteile am Unternehmen
Nach Recherchen des Bayerischen Rundfunks zusammen mit NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung hält Kiechle aktuell etwa 10 Prozent der Anteile an der Pharmafirma "Therawis Diagnostics GmbH", die das Medizinprodukt "therascreen PITX2" entwickelt hat. Dieser Biomarker-Test soll darüber Auskunft geben, ob bei gewissen Brustkrebspatientinnen eine bestimmte Chemotherapie erfolgversprechend ist oder nicht.
Das Verschweigen dieses Interessenkonflikts ist auch No-Go auch für Christiane Fischer vom Deutschen Ethikrat: "In einem Review und auch in jedem anderen Artikel sollten Interessenkonflikte, auch von Marion Kiechle, angegeben werden. Man kann nicht dafür belangt werden, aber es ist unmoralisch, illegitim, man hat es anzugeben."
Ministerin räumt Fehler ein
Kiechle schreibt auf Anfrage von BR, NDR, WDR und SZ: "In der Tat wäre es besser gewesen, an dieser Stelle meine Firmenbeteiligung noch deutlicher darzustellen."
Aber nicht nur in der Pressemitteilung, auch in manchen wissenschaftlichen Publikationen fehlt der Hinweis. Für eine Wissenschaftlerin ist das nicht akzeptabel, sagt der Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag, Markus Rinderspacher.
"Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass sich eine Wissenschaftlerin auch an einem Unternehmen beteiligt", so Rinderspacher. "Aber wenn sie diesbezüglich auch Untersuchungen macht wissenschaftlicher Art, muss es eine saubere Trennung geben von wirtschaftlichem Interesse und akademischer Arbeit, das hat hier offensichtlich nicht stattgefunden."
Auf unsere Anfrage beruft sich Kiechle auf ihre Erinnerung. "In Publikationen, bei denen Interessenskonflikte relevant sind, habe ich diese nach meiner Erinnerung stets angegeben", erklärt Kiechle.
Auch der hochschulpolitische Sprecher der Freien Wähler im bayerischen Landtag, Michael Piazolo, kritisiert Kiechle. Zwischen Wissenschaft und Wirtschaft müsse Transparenz herrschen. Erst recht an oberster Stelle.
(Von Anna Klühspies, Fabian Mader und Anna Tillack)