Ein junger Mann absolviert den Klettersteig zum Gipfel der Zugspitze in knapp 3.000 Metern Höhe mit Sandalen.
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Ein junger Mann absolviert den Klettersteig zum Gipfel der Zugspitze in knapp 3.000 Metern Höhe mit Sandalen.

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"Birkenstock-Bergsteiger": Alpinretter klagt über naive Wanderer

"Birkenstock-Bergsteiger": Alpinretter klagt über naive Wanderer

Die Zugspitze auf knapp 3.000 Metern: Hierauf geht es ganz gemütlich mit der Seilbahn. Zum Gipfelkreuz muss man aber zu Fuß – doch viele Wanderer unterschätzen die Gefahren. Nun zeigt ein Video einen besonderen Fall von Naivität im Gebirge.

Der Hochsommer in Bayern zeigt sich aktuell von seiner goldenen Seite und so zieht es wieder zahlreiche Menschen ins Gebirge. Wanderer, die dann nur mit Turnschuhen besohlt auf anspruchsvollen Touren unterwegs sind, sieht man des Öfteren. Derzeit kursiert in den Sozialen Medien aber ein Video, das nochmal eine neue Dimension zeigt: Darin kraxelt ein junger Mann den Klettersteig zur Zugspitze nur mit "Birkenstock"-Sandalen hoch. Für Experten ist das Phänomen nicht neu. Sie registrieren immer mehr solcher Fälle. Im BR24-Interview warnen sie davor, die Gefahren der Berge zu verkennen.

Wanderer mit falscher Ausrüstung werden zunehmend zum Problem

Aufgenommen hat das Video der Garmisch-Partenkirchener Bergführer Christian Hessing. Im BR24-Interview klagt er über eine zunehmende Naivität bei Wanderern. Der Diplom-Geograph bietet mit seiner Bergschule zahlreiche Touren an, vor allem im Bereich der Zugspitze. Gerade dort, auf dem 80 Meter langen Klettersteig zum Gipfel der Zugspitze, sei alles dabei, so Hessing. Zwar sei der Mann mit "Birkenstock"-Sandalen sicherlich der Klischee-Fall, trotzdem würden immer mehr Menschen die Gefahren in den Bergen unterschätzen.

"Die Leute glauben, wenn sie im Internet von einer Tour erfahren, dann können sie das auch", so Hessing. Dabei würden die Fähigkeiten und die Ausrüstung, die es für eine bestimmte Wanderung brauche, außer Acht gelassen. Laut Hessing, der mittlerweile in Tirol lebt und dort auch ehrenamtlich als Bergretter tätig ist, nehmen deshalb auch die Rettungseinsätze zu. "Die Wanderer gehen dann bis zur völligen Erschöpfung und solange gerade aus, bis es nicht mehr weitergeht und rufen dann die Bergrettung."

Bergrettung wird oftmals als "Vollkasko-Versicherung" gesehen

Umdrehen, wenn es schwierig wird, würden nur die wenigsten, meint Hessing. Das würde auch er als Bergretter regelmäßig erleben. "Es hat sich eine Vollkaskomentalität durchgesetzt." Für Hessing spielt dabei auch die körperliche Verfassung vieler Bergsteiger eine ganz wichtige Rolle. "In dem Video hat man es ja gesehen: Der Mann mit den Sandalen ist den Klettersteig von der Plattform der Seilbahn aus gut hochgekommen", so der Alpin-Experte. Oftmals würden Wanderer aber ihr eigenes Können und die zu erwartenden Schwierigkeiten falsch bewerten, sodass sie ängstlich werden und weder einen Schritt vorwärts noch rückwärts machen könnten. "Dann wird es schwierig", erklärt er.

DAV warnt vor Selbstüberschätzung bei Bergtouren

Auch der Deutsche Alpenverein (DAV) sieht die Selbstüberschätzung unerfahrener Bergsteiger als Problem – vor allem an touristischen Hotspots, an denen eine große Menge an Touristen mit unterschiedlichen Motivationen anzutreffen sei: "Trotz aller Empfehlungen, Gebote und auch Verbote, gibt es immer wieder Fälle, in denen dort völlig Unerfahrene ein sehr großes Risiko eingehen", meint Stefan Winter, Ressortleiter Sportentwicklung beim DAV.

Diese seien aber Einzelfälle und dürften nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die große Masse vernünftig verhält. Dennoch rät der Alpinist dazu, sich vor jeder Tour gut über das Gelände zu informieren. Der DAV stelle dafür auch geprüfte Tourenvorschläge zur Verfügung, so Winter.

Richtige Ausrüstung auch für Zugspitzbahn "obligatorisch"

Und die Bergbahnen, die es oft mit Tagesausflüglern zu tun haben? Sie appellieren an den Verstand und die Eigenverantwortung der Menschen. Verena Tanzer, Pressesprecherin der Bayerischen Zugspitzbahn Bergbahn, erklärt hierzu: "Wenn die Gäste den gesicherten Bereich, d.h. unsere Gebäude und Terrassen verlassen, befinden sie sich im freien, also ungesicherten Gelände. Dort ist mit alpinen und teils hochalpinen Gefahren zu rechnen." Die richtige Ausrüstung hierfür sei dann obligatorisch.

Alpin-Experte: "Gipfelaufstieg müsste schwieriger werden"

Bergführer Christian Hessing plädiert im Interview mit BR24 stattdessen dafür, den Klettersteig zum Gipfel der Zugspitze schwieriger zu machen. Er würde die Leiter abbauen, sagt er. Derzeit sei vor dem schmalen Weg zum Gipfelkreuz täglich eine zwei- bis dreireihige Warteschlage zu beobachten. "Wenn es nur noch Haken und das Stahlseil in der Felswand für ausgerüstete Berggeher gibt, gäbe es viel weniger Gedränge und die Leute, die dann noch raufgehen, können das dann auch."

Im Audio: Bergwacht Ramsau bei schönem Wetter ziemlich gefordert

Das Watzmannhaus in den Berchtesgadener Alpen.
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Die Bergwacht Ramsau im Landkreis Traunstein ist bei schönem Wetter derzeit stark gefordert.

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