Auf die Europäische Union kommen noch dazu gewaltige Aufgaben zu, und die kosten Geld: wie etwa ein verbesserter Grenzschutz, eine koordinierte Asyl- und Flüchtlingspolitik oder eine gemeinsame Verteidigung.
Auf ihrem Sondergipfel in Brüssel wollen sich die 27 Staats- und Regierungschefs erstmals ausführlicher über die künftige Ausgestaltung der EU-Finanzen nach dem Brexit austauschen. Haushaltskommissar Oettinger hat dazu einige Vorschläge gemacht. Er spricht von einer "Speisekarte", von der die Mitgliedsstaaten nun wählen müssten. Anfang Mai will der Schwabe ein vollständiges Konzept für einen mehrjährigen Finanzrahmen vorlegen. Das laufende Sieben-Jahres-Budget läuft Ende 2020 aus.
Sparen oder Geld ausgeben?
Die große Frage lautet: Soll man sparen, umschichten oder sogar etwas mehr ausgeben, um die Brexit-Lücke zu schließen und zugleich für kommende Krisen gewappnet zu sein. Die derzeitige und womöglich nächste Bundesregierung, die momentan nur die Geschäfte führt, wäre zu Mehrausgaben durchaus bereit, wenn die Prioritäten richtig gesetzt würden und Althergebrachtes auf den Prüfstand kommt. Mitgliedsstaaten wie Österreich oder die Niederlande lehnen es dagegen ab, den Haushaltsrahmen von knapp einer Billion Euro, verteilt auf sieben Jahre, weiter auszudehnen.
Aufnahme von Flüchtlingen als Bedingung?
EU-Kommissar Oettinger schlägt eine mäßige Erhöhung um 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte des Bruttoinlandsprodukts vor, will aber zugleich bei den großen Posten, wie den der Agrarsubventionen, maßvoll den Rotstift ansetzen. Für Diskussionen sorgen dürfte auch die Idee, Strukturhilfen für ärmere Länder künftig an Vertragstreue und solidarisches Verhalten zu koppeln – Stichworte: Rechtsstaatlichkeit oder Umgang mit Flüchtlingen.
Wahl des nächsten Kommissionspräsidenten
Im Vorfeld der nächsten Europawahlen beraten die 27 außerdem über demokratische Neuerungen. Im Mittelpunkt hier: länderübergreifende Wahl-Listen und das Modell der "Spitzenkandidaten". Wurde der Kommissionspräsident früher sozusagen im Hinterzimmer von den Mitgliedsstaaten ausguckt, setzte das EU-Parlament 2014 erstmals eine Art Direktwahl durch. Mit Jean-Claude Juncker siegte der Bewerber, dessen politische Familie in der Kammer die Mehrheit errungen hatte. Während die Abgeordneten an diesem Verfahren festhalten wollen, das freilich so nicht in den Verträgen steht, würde der Rat die Uhr hier liebend gerne zurückdrehen.
EU-Parlament schrumpft
Unstrittig ist dagegen, dass das EU-Parlament nach dem Brexit um 46 Sitze schrumpfen wird; ebenso der Plan von Kommissionschef Juncker und Frankreichs Präsident Macron, die Wähler stärker in die Reformdebatte einzubinden. Bis Frühjahr 2019 werden dafür in der gesamten EU rund 500 sogenannte "Bürgerdialoge" organisiert, bei denen die Menschen Ideen und Kritik einbringen und die Politiker für das Vereinte Europa werben können.