Sie bricht am frühen Donnerstagabend zu ihrem zweiten Besuch bei US-Präsident Donald Trump nach Washington auf. Sie kommt nicht zum Staats- sondern zum Arbeitsbesuch, und auch das nur für wenige Stunden. Ihr Ziel hat Merkel dennoch sehr bewusst gewählt:
"Für mich ist es eine der ersten Reisen, die ich nach der Wiederwahl als Bundeskanzlerin mache, und es war mir ein wirkliches Bedürfnis, und ist mir ein Bedürfnis." Kanzlerin Merkel
Für Trumps Vorgänger, Barack Obama, war Angela Merkel klar Ansprechpartnerin Nummer Eins in Europa. Jetzt war sie monatelang von der Weltbühne verschwunden, durch die langen Koalitionsverhandlungen in Berlin. Außerdem mag die pragmatische und eher spröde Kanzlerin dem erratischen US-Präsidenten nicht schmeicheln, wie Frankreichs Staatschef Macron das so meisterhaft beherrscht. Merkels Verhältnis zu Trump gilt als angespannt.
Streitthemen Zölle und Atomabkommen
Dennoch hält Thomas Kleine-Brockhoff vom German Marshall Fund in Berlin die Angst, Deutschland spiele nur noch die zweite Geige, für unbegründet: "Ein starkes Frankreich ist gut für Deutschland. Eine Arbeitsteilung ist gut", sagt der Außenpolitik-Experte. Er könne der Aufregung darüber, dass Frau Merkel angeblich in die zweite Reihe gerückt ist, nichts Negatives finden.
Zumal Merkel auch aus der zweiten Reihe heraus jede Menge Probleme im Gepäck hat. Sie will Trump davon abbringen, den Konflikt um Strafzölle auf Stahl und Aluminium gegen die EU weiter zu treiben. Sie will außerdem das Atomabkommen mit dem Iran retten. Hier hat Macron in den vergangenen Tagen zwar versucht, vorzuarbeiten – aber bisher ohne sichtbaren Erfolg. Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin ist nicht sehr optimistisch:
"Am Ende muss man sich klar machen, dass Donald Trump all das, was er im Wahlkampf angekündigt hat, auch tatsächlich umsetzt. Er hat angekündigt, dass er die nordamerikanische Freihandelszone neu gestalten will, und er ist dabei das zu tun. Und ich fürchte, er wird seine Ankündigung auch hinsichtlich des Iran-Deals umsetzen." Jürgen Trittin
Unterschiedliche Erwartungen
Dazu kommen bilaterale Probleme zwischen Deutschland und den USA. Berlin hat sich rausgehalten bei den Luftschlägen in Syrien. Für Donald Trump, der der Bundesregierung ohnehin ein viel zu knappes Verteidigungsbudget vorwirft, ein Ärgernis. Der US-Präsident meint außerdem, Deutschland ziehe die USA wirtschaftlich über den Tisch, durch den hohen Exportüberschuss.
Und dass Berlin eine Pipeline – Nordstream – mit Russland baut, die manchen Nato-Partnern schadet, hebt die Stimmung im White House auch nicht gerade, sagt Kleine-Brockhoff vom German Marshall Fund. Die Vorstellungen für das jetzige Treffen seien auch deshalb völlig unterschiedlich, meint er: Trump wolle den Deutschen sagen, was sie tun sollen. Und umgekehrt wolle Merkel den Amerikanern sagen, was sie lassen sollen.
Trump nannte Merkel einst "geisteskrank"
Der US-Präsident beleidigt die Kanzlerin zumindest nicht mehr direkt, wie noch im US-Wahlkampf. Da hatte er Merkel und ihre Flüchtlingspolitik attackiert, Merkel sogar als geisteskrank bezeichnet.
Die Kanzlerin hat das mit einem Achselzucken weggesteckt und Trump an gemeinsame Werte erinnert: Wir haben Differenzen und die werden zur Sprache kommen, macht Merkel jetzt klar, aber: Gerade angesichts vieler undemokratischer Entiwcklungen auf der Welt wolle sie das transatlantische Bündnis "hegen und pflegen".
Dafür hat Merkel im Weißen Haus am morgigen Freitag rund zweieinhalb Stunden Zeit.