"Im Jahr 2015 waren die realen Bruttolöhne der unteren 40 Prozent zum Teil deutlich niedriger als 1995." So steht es in einem Papier des SPD-geführten Wirtschaftsministeriums, das wohl nicht zufällig an die Öffentlichkeit gelangte. Die Zahlen sind nicht neu, passen aber zum Gerechtigkeitswahlkampf der SPD.
Für Experten beweisen sie aber nicht, dass die Ungerechtigkeit weiter zunimmt:
"Die Daten zeigen in der Tat, dass es insbesondere bis 2010 einen Anstieg in der Lohnungleichheit gab, danach aber nicht mehr. Ein Teil der Lohnungleichheit entsteht außerdem dadurch, dass viele ehemals Arbeitslose in Niedriglohn-Beschäftigungen gekommen sind. Das kann man schlecht finden, weil es Niedriglohn-Arbeitsplätze sind, oder man kann es gut finden, weil die Menschen arbeiten und ein eigenes Einkommen erzielen." Andreas Peichl, ifo-Institut
Die Einführung des Mindestlohns hat nach Ansicht von Experten geholfen, Geringverdiener besser zu stellen. Aber mehr direkten Einfluss auf die Löhne hat die Politik nicht. Löhne werden zwischen den Tarifpartnern ausgehandelt. Dienstleistungsjobs werden in der Regel schlechter bezahlt als Industriearbeitsplätze. Industrieproduktion kann in andere Länder verlegt werden, oder Arbeiter durch Maschinen ersetzt werden. All das kann der Staat nicht beeinflussen.
Steuern und Sozialleistungen gerechter gestalten
Allerdings, das betont der Wirtschaftswissenschaftler Andreas Peichl, kann der Staat Steuern, Sozialabgaben und auch Sozialleistungen besonders für untere Lohngruppen gerechter gestalten: "Ein Spitzenverdiener behält von jedem zusätzlich verdienten Euro 55 Cent, während es im Niedriglohnbereich sogar sein kann, dass man 100 Euro mehr verdient, und trotzdem Netto weniger in der Tasche hat." Das liegt daran, dass Sozialabgaben ab bestimmten Verdienstgrenzen voll bezahlt werden müssen, während Sozialleistungen wie etwa Wohngeld plötzlich wegfallen. Das oder einen besser bezahlten Job zu suchen, glaubt der Experte.
"Im Wahlkampf wird zu sehr auf den Spitzensteuersatz geschaut. Es wäre viel wichtiger, bei den Sozialabgaben anzusetzen, die mittlere Einkommen deutlich stärker belasten. Auch bei den Hinzuverdiensten für Hartz-IV-Bezieher und bei den sogenannten Aufstockern sollte man die Regelungen dringend reformieren." Andreas Peichl, ifo-Institut
Hier kann die Politik tatsächlich Einfluss nehmen – eine einfach formulierte Forderung für ein Wahlplakat geben solche Reformideen aber nicht her.