Die seit Wochen anhaltende Regierungskrise in Thüringen soll am heutigen Mittwoch durch die Neuwahl des Ministerpräsidenten gelöst werden. Doch der frühere Regierungschef des Bundeslands, Bodo Ramelow (Linke), hat laut Medienberichten bereits angekündigt, sich nicht mit den Stimmen der CDU-Fraktion im ersten Wahlgang zum Ministerpräsidenten wählen zu lassen. "Ich habe mich gestern mit dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Mario Voigt ausgetauscht und ihm mitgeteilt, dass ich erforderlichenfalls in allen drei Wahlgängen antreten werde", sagte Ramelow dem "Spiegel". Auch die Thüringer Allgemeine berichtete darüber.
Neben Bodo Ramelow der von den Linke, Grünen und SPD nominiert wurde, tritt Björn Höcke, Chef der Thüringer AfD, an. Im ersten und zweiten Wahlgang ist derjenige gewählt, der 46 Stimmen und damit die absolute Mehrheit erhält. Aber weder Ramelows Bündnis, das 42 Sitze im Landtag hat, noch die Fraktion der AfD, die auf 22 Sitze kommt, verfügt über diese Mehrheit.
Dafür sind Stimmen der CDU notwendig – die eine "aktive" Wahl Höckes oder Ramelows bereits ausgeschlossen hat. Gleichzeitig wurde aber darauf hingewiesen, dass der einzelne Abgeordnete nur seinem Gewissen verpflichtet ist. Die FDP hatte angekündigt, nicht an der Wahl teilzunehmen, da sie sowohl den Kandidaten der CDU als auch den der AfD ablehnt. Diese Szenarien sind jetzt möglich:
Szenario 1: Ramelow wird direkt mit Stimmen der CDU gewählt
Bodo Ramelow wird mit den vier fehlenden Stimmen der CDU gewählt. Da die Wahl im Geheimen stattfindet, könnten vier "Rebellen" doch für den Kandidaten der Linken stimmen, obwohl ein CDU-Parteitagsbeschluss aus dem Jahr 2018 eine Zusammenarbeit mit der Partei eigentlich verbietet. Der Beschluss würde jedoch gewahrt bleiben, wenn sich die vier Abgeordneten nicht zu ihrer Wahl bekennen. Eine Minderheitsregierung von Rot-Rot-Grün wäre dabei durchaus im Sinne der CDU – will sie doch möglichst viel Zeit zwischen die Krise der vergangenen Wochen und die nächste Landtagswahl bringen.
Szenario 2: Höcke wird gewählt
Dass dieses Szenario eintritt, gilt als äußerst unwahrscheinlich. Theoretisch ist es aber möglich: Würden CDU und AfD geschlossen für Höcke votieren, was fraglich ist, käme er auf 43 Stimmen. Das heißt, ihm würden drei Stimmen fehlen, da im ersten und zweiten Wahlgang 46 notwendig sind. Der AfDler bräuchte also drei weitere Stimmen aus dem rot-rot-grünen Lager. Dass er diese bekommt, ist jedoch abwegig.
Szenario 3: Ramelow wird mit einfacher Mehrheit gewählt
Im dritten Wahlgang würden die 42 Stimmen des Rot-Rot-Grünen Bündnisses für eine einfache Mehrheit und damit eine Wiederwahl Ramelows reichen. Dass dieses Szenario eintritt, ist nicht unwahrscheinlich: Die CDU könnte "ihr Gesicht wahren", da sie nicht gegen den Beschluss der Bundespartei verstoßen würde, die eine Wahl des Linken-Politikers verbietet. Dem steht jedoch entgegen, dass Linke, Grüne und SPD ursprünglich Neuwahlen beantragen wollten, wenn ihr Kandidat nicht im ersten Wahlgang gewählt wird. Einer Auflösung des Landtags müssten aber 60 Abgeordnete zustimmen. Wenn Rot-Rot-Grün dafür nicht auf die Stimmen der AfD angewiesen sein will, bräuchten sie die Stimmen der CDU. Und die will unter keinen Umständen eine zu schnelle Neuwahl, wie in den vergangenen Wochen mehrfach betont wurde.
Ob der "Neuwahl-Kurs" von Rot-Rot-Grün jetzt noch eingehalten wird, ist jedoch fraglich. Wie bereits angekündigt, hat Ramelow gegenüber der CDU bereits mehr oder weniger darauf verzichtet, im ersten Wahlgang mit gewählt zu werden. Es würde also nichts dagegen sprechen, sich an die anderen Teile der Vereinbarung zu halten: Einen gemeinsamen Haushalt und wichtige Gesetze zu beschließen und im kommenden Jahr vorgezogene Neuwahlen durchzuführen. Ob die Abgeordneten von SPD, Linken und Grünen diesen "Deal" von CDU und Linken mittragen, ist jedoch fraglich.
Szenario 4: Niemand wird gewählt – Patt zwischen Ramelow und Höcke
Wenn Ramelow und Höcke im dritten Wahlgang auf dieselbe Stimmenzahl kämen, wäre – zumindest theoretisch – ein Patt möglich. Björn Höcke bräuchte dazu jedoch 20 Stimmen aus den Reihen der CDU, was als äußerst unwahrscheinlich gilt.
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