2008: Zwei junge Frauen in Holzfällerhemden sitzen in einem Wald in Schweden und covern einen Song der Indie-Band Fleet Foxes. First Aid Kit, zwei Schwestern, die mit diesem YouTube-Video zu einer der ersten Bands werden, deren schneller Erfolg ohne Internet nicht denkbar wäre. "Ruins" ist nun das vierte Album von Klara und Johanna Söderberg.
Sehnsüchtiger Gesang
Schwelgerische Slide-Gitarren, Hammond-Orgel, akustische Gitarren, dazu das beste Instrument: der immer etwas sehnsüchtige Gesang der beiden Schwestern. Mal laut und anklagend, dann wieder nachdenklich, wie in "Fireworks": "In 'Fireworks' geht es um die Ideale und Ziele im Leben, denen du blind hinterherrennst. Du versuchst so sehr, sie zu erreichen, dass du am Ende plötzlich alleine dastehst. Eine Zeile ist: Ich bin die Einzige auf der Ziellinie", sagt Johanna Söderberg. Zwei Millenials singen über ihre Zeit: nicht wirklich wissen, wer man ist und wohin man soll in dieser Welt, die einem so wenig Sicherheit zu geben scheint.
Eigentlich ist "Ruins" ein Trennungsalbum. Das Thema – so klassisch wie die Musik dazu. Ein bisschen Nashville-Country, ein bisschen Folk, ein bisschen Indie-Pop. Gut gelaunt – und tief traurig. First Aid Kit singen über das Leben, und das ist eben immer beides, erklärt Klara Söderberg: "Man soll sich beim Hören fühlen, als würde man wirklich durch eine Ruine gehen. Man sieht Dinge, die einen total traurig machen – und andere, die wunderschön sind. Es ist wie mit dem Leben. Und am Ende sind es die schweren Zeiten, die dich zu einem selbstbewussten Menschen machen."
Soundtrack für melancholische Abende an der Bar
"Ruins" wirkt vor allem sehr nett. Verlust, Herzschmerz, Burn-out, all das wird verpackt in muntere Balladen. Die Themen: nicht sehr innovativ, aber menschlich. Manchmal zu menschlich. Wie im vermutlich ironisch gemeinten Trennungs-Song "Hem Of Her Dress". Der Trennungsschmerz dargestellt von einem trunkenen Seemannschor, das ist dann doch zu plakativ. Was dem Album fehlt, ist ein wirklich wütender Song wie "You Are The Problem", den First Aid Kit im März letzten Jahres, also noch vor der #MeToo-Debatte, veröffentlicht haben, und in dem sie Vergewaltigern ein leidvolles Leben wünschen.
Man kann "Ruins” wunderbar nebenbei hören, sogar übers Whiskeytrinken wird einmal gesungen. First Aid Kit, das ist immer noch ein guter Soundtrack für melancholische Abende an der Bar, in Nashville, Erlangen oder anderswo. Universelle Vergangenheitsmusik, inspiriert von Joni Mitchel und Fleetwood Mac, einlullend und nett. Es fällt schwer, diese beiden Musikerinnen nicht zu mögen, so sehr man es auch versucht.