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Dreharbeiten zum Tatort "Härtetest" (2014)

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"Kontrakt 18": Drehbuchautoren fordern mehr Rechte

Zu wenig Mitsprache, zu wenig Wertschätzung: Drehbuchautorinnen und -autoren in Deutschland haben kaum Einflussmöglichkeiten auf den fertigen Film. Dagegen wehren sie sich nun – mit der Selbstverpflichtung "Kontrakt 18". Von Joana Ortmann

Unter dem Schlagwort "Kontrakt ‘18" haben sich fast 100 namhafte Autoren und Autorinnen der Branche zusammengeschlossen und sich gegenseitig verpflichtet, künftig nur noch Verträge zu unterzeichnen, in denen ihnen bestimmte Rechte garantiert werden: Darunter, dass alle Bearbeitungen eines Drehbuchs vom Autor bzw. von der Autorin autorisiert werden müssen oder die Autoren Mitspracherecht bei der Besetzung der Regie haben. Joana Ortmann hat mit Dorothee Schön gesprochen, Mit-Initiatorin von "Kontrakt ‘18".

Joana Ortmann: Frau Schön, eine zentrale Forderung ist, dass man als Drehbuchautor oder auch -autorin die Verantwortung über das Buch bis zu der Fassung behält, nach der gedreht wird. Man könnte denken, so ein Recht müsste selbstverständlich sein, die Praxis sieht jedoch offensichtlich anders aus...

Dorothee Schön: Ja, leider sieht die Praxis anders aus, denn ein Drehbuch ist ja die Vorlage für ein Filmprojekt, das sehr viel Geld kostet, und man kann sich vorstellen, dass da die Auftraggeber, die Sender, die Regie, die Produktion ein Wörtchen mitzusprechen haben. Ich als Autorin tue mich natürlich leicht, zu schreiben: "Rom brennt". So etwas hat sich schnell geschrieben, aber die Umsetzung ist teuer, aufwendig und schwierig. Deshalb kann man sich natürlich nicht einfach künstlerisch selbst verwirklichen und sagen: Mich interessiert nicht, was meine Partner darüber denken. Es ist ein kreativer Prozess, das ist Teamwork.

Sie selbst haben viele Tatorte geschrieben, 17 an der Zahl, aber auch 30 Drehbücher für TV- und Kinofilme für verschiedene Sender. Was ist denn so ein typisches Horror-Szenario für eine Drehbuchautorin?

Das typische Horrorszenario ist, dass man eine Produktionsfirma oder eine Redaktion mit einer Idee begeistern kann, die sagen: "Ja prima! Macht doch mal, arbeitet das doch mal aus!" Dann entwickelt man ein Konzept und dann sitzt man mit acht Leuten am Tisch, die alle eine Meinung dazu haben, einen dazu verdonnern wollen, den einen oder anderen Aspekt zu vertiefen und zu bearbeiten. Dann gehen Sie durch fünf Drehbuchfassungen, wo Sie immer versuchen, Ihre Grundidee zu verteidigen und es nicht zu verwässern und natürlich trotzdem die Anregungen der anderen aufzunehmen. Und wenn Sie dann nach vielen Fassungen das Gefühl haben, jetzt endlich sind Sie am Ziel, dann kommt die Redaktion und sagt: "Ja wir haben uns den Regisseur XY vorgestellt, der das inszenieren soll", und der kommt dann und sagt: "Ja, das hat schon sehr viel Schönes, aber ich bin eigentlich der Meinung, dass das alles ganz anders werden müsste."

Dann fangen Sie entweder wieder bei null an oder Sie werden ausgetauscht oder der Regisseur schreibt Ihr Buch um, da gibt es dann alle Varianten. Wenn Sie das Glück haben, sich mit dem Regisseur vielleicht doch irgendwie einigen zu können und auch das Engagement aufbringen, nach der sechsten Fassung, die Sie dem Regisseur schreiben, noch im Boot zu bleiben, dann erleben Sie manchmal beim Rohschnitt, dass eigentlich alles ganz schön geworden ist, aber die Redaktion kommt und sagt: "Da muss jetzt aber kitschige Musik drunter", oder es werden ganze Erzählstränge rausgeschnitten, die sehr wichtig sind, damit man den Krimi versteht. Und am Ende steht in der Fernsehzeitung: "Was für ein konfuses, unlogisches Buch", und Sie werden als Autor dafür auch noch geschimpft. Das war jetzt die Kurzfassung.

Der "Kontrakt ‘18" beinhaltet auch eine Form der gegenseitigen Verpflichtungen: Alle, die mitgemacht haben, verpflichten sich, nur noch Drehbüchern zuzustimmen, die gewisse Garantien beinhalten. Geht so etwas nur mit Drehbuchautorinnen und –autoren, die gut im Geschäft sind, weil die sich das leisten können, dann auch mal ein Projekt platzen zu lassen?

Ganz ehrlich, wenn ich jetzt junge Anfänger-Autorin wäre, bin ich mir nicht sicher, ob ich diesen Kontrakt unterschreiben würde, denn dann lebe ich unter prekären Bedingungen und weiß nicht, ob ich es mir leisten könnte – bevor ich jetzt Hartz IV-Empfängerin werde – Vertragsbedingungen zu fordern, die ich nicht bekomme und die dazu führen, dass ich ausgetauscht werde in einem Projekt. Trotzdem, finde ich, ist das eine Verantwortung gerade der gut beschäftigten und anerkannten Drehbuchautoren in unserer Branche – und die Unterzeichner, die wir bisher haben, gehören ja alle zu wirklich gut beschäftigten und etablierten Autoren. Wir haben die Möglichkeit, auch ernst zu machen und zu sagen: Wir fordern das, denn so, wie wir behandelt werden, geht es nicht mehr und geht auch für die Qualität unsere Arbeit nicht mehr.

Der Markt hat sich ja auch verändert, und ich glaube, wenn wir das durchsetzen können, dass diese Vertragsbestandteile die Regel werden, dann werden sie auf lange Sicht auch für Autoren gelten, die vielleicht ihren Erstling schreiben oder noch nicht so arriviert sind. Weil unsere Partner merken werden, dass sie auch etwas davon haben, dass sie etwas dafür bekommen: Sie bekommen einen Autor, der Arbeit investiert in allen Phasen eines Filmprojektes und bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Es kostet sie ja keinen Pfennig mehr, wenn sie einem Autor den Rohschnitt zeigen und mit ihm diskutieren.

Warum sollte ein Autor den Rohschnitt nicht sehen dürfen? Selbst ich, die ich seit 30 Jahren Drehbücher schreibe, komme nur unter ganz besonderen freundschaftlichen Bedingungen zur Produktion dazu, dass ich Muster sehen darf oder den Rohschnitt und meine Meinung gefragt wird. Bei der Rohschnitt-Abnahme mit der Redaktion bin ich grundsätzlich als Autorin nicht geladen. Ich weiß nicht, ob das für einen Laien verständlich ist, aber es ist doch eigentlich absurd, dass der, der sich den Film ausdenkt, nicht dabeisitzt, wenn über den Schnitt gesprochen wird. Man muss sich ja nicht an unsere Meinung halten, aber sie wenigstens zu hören und uns mit einzubeziehen in diesen Entscheidungsprozess, finde ich eigentlich eine selbstverständliche Forderung.