So fing alles an: In der taz erschien am 12. September 1981 eine kurze Ankündigung für die Technikgemeinde: Am selben Tag sollten sich im taz-Gebäude in der Wattstraße in Berlin computerbegeisterte Menschen treffen, um nicht mehr als "Komputerfrieks unkontrolliert vor sich hinzuwuseln”, sondern konstruktiv über die neuen Risiken von Datenbanken, Mikro-Komputern und staatlicher Überwachung nachzudenken.
36 Jahre später hat sich an den Kernfragen des Chaos Computer Clubs nicht viel geändert. Nur gehen sie heute nicht mehr nur einen kleinen Kern von Nerds und Informatikern an, sondern potentiell jeden. “Interessanterweise sind heute genau die gleichen Dinge zu tun wie schon 1981”, sagt CCC-Sprecher Linus Neumann. “Sie sind nur auf einer viel größeren Ebene zu tun und betreffen jetzt sie gesamte Gesellschaft, während wir damals im Kleinen philosophiert haben.”
Raus aus der Nische
Mehr Verantwortung also für die Technologieversteher und -Deuter vom CCC, dafür hat sich auch die Durchschlagskraft des ehemals kleinen Hackervereins erhöht. Zum ersten richtigen Congress der Hacker 1984 kamen etwa 200 Leute, genau weiß das heute keiner mehr. In Leipzig werden 15.000 erwartet. Und waren Computerthemen jahrzehntelang nur Nischenerscheinungen, wird heute auch in der Rundschau des BR und den Tagesthemen berichtet. Neumann und seine Kollegen sind Stammgast in den Info-Formaten der Republik, wenn es darum geht Sicherheitslücken in Computern zu erklären. Über zu wenig Arbeit können sich die CCC-Sprecher nicht beschweren. Auf dem Kongress, wo traditionell auch viele IT-Sicherheitsforscher über ihre Arbeit berichten gibt es in der Hinsicht viel zu tun.
“Wir haben natürlich wieder die traurigen Klassiker, Schwachstellen in Elektro-Ladeinfrastruktur, Schwachstellen im Online-Banking, aber auch gesellschaftlich haben wir natürlich jetzt das Phänomen, dass die aufgebaute Überwachungs-Infrastruktur nicht mehr nur zur Überwachung genutzt wird, sondern auch zur Kontrolle. Also eine unserer Warnungen seit Jahren ist jetzt auf einmal auch Realität und damit natürlich auch ein zentrales Thema für uns.”
Social Scoring, der Albtraum jedes Liberalen
Damit meint Neumann vor allem China, das angekündigt hat, weltweiter Marktführer bei den “Social Scoring”-Systemen zu werden. Das ist eine Art Facebook für gutes Bürgerdasein. In einem der ersten Vorträge des 34c3 informierte Politikwissenschaftlerin Katika Kühnreich über die Pläne der chinesischen Regierung: Ab 2020 sollen alle Bürger der Volksrepublik Teil eines riesigen Sozialen Netzwerks sein, in welchem sie Punkte für gutes Staatsbürgergehorsam sammeln. Die Wirtschaftsleistung des Landes im China-Facebook loben gibt Pluspunkte, Bücher von regimekritischen Exilchinesen empfehlen Minuspunkte. Die Punktzahl wiederum entscheidet über gesellschaftliche Teilhabe, also wer einen guten Job bekommt und ob die Kinder auf eine gute Schule dürfen. So wird soziale Kontrolle ausgeübt, ohne dass die Regierung selbst einschreiten muss. Die Bürger regulieren sich gegenseitig. Für autoritäre Staatsoberhäupter ein Traum, für alle Verteidiger liberaler Gesellschaften ein Albtraum.
Der neue Standort nach fünf Jahren Hamburg: Leipzig
15.000 Menschen (die meisten immer noch männlich) werden dieses und hunderte andere Themen bis zum 30. Dezember diskutieren, unterstützt von über 2.000 freiwilligen Helfern, die unter anderem für Simultanübersetzungen der Vorträge, das schnellste Messe-Internet der Republik (400 Gigabit) und steten Nachschub an Mate-Limonade sorgen. Einziger Wermutstropfen für viele: Der liebgewordenen Standort im CCH in Hamburg musste nach fünf Jahren aufgegeben werden. Das Gebäude wird in den nächsten zwei Jahren modernisiert.