Viele Pegelstände standen in den vergangenen Jahren zur Debatte. Mal wurde als Folge der Eisschmelze in Grönland prognostiziert, dass der Meeresspiegel um Millimeter steigen wird, mal waren es Zentimeter und schließlich sogar Meter. Die neue Studie, die im Fachmagazin "Nature" veröffentlicht wurde, zeigt nun das bislang umfassendste Bild des Eisverlustes in Grönland und den genauen Anstieg des Meeresspiegels seit 1992, denn es wurde die bislang umfangreichste Datenmenge ausgewertet, die Wissenschaftlern zur Verfügung steht.
Grönland-Eisschmelze - Woher stammen die ausgewerteten Daten?
An der Studie waren 96 Polarforscher aus 50 internationalen Wissenschaftseinrichtungen beteiligt, die elf Satellitenmissionen analysiert haben. Die Satelliten arbeiteten mit drei verschiedenen Methoden: Zum einen wurde die Höhe der Gletscher gemessen, zum anderen ihre Fließgeschwindigkeit sowie die Schwerkraft. Dann wurden die gesammelten Daten kombiniert und verschiedene Modelle angelegt, zum Beispiel eines zur Bodenhebung aufgrund der abnehmenden Eislast oder eines zur Massenbilanz an der Eisoberfläche.
Das Wissenschaftlerteam kommt zu dem Ergebnis, dass Grönland seit 1992 3,8 Billionen Tonnen Eis verloren hat. Infolge erhöhte sich der Meeresspiegel um 10,6 Millimeter. Ein klares Zeichen dafür, dass wir uns in einem Prozess der schnelleren Erderwärmung befinden, wie Prognosen zur Entwicklung des Klimawandels des Weltklimarates (IPCC) aus dem Jahr 2014 zeigen. Würde das gesamte Eis auf Grönland schmelzen, stiege der Meeresspiegel weltweit um 7,40 Meter an.
Was heißt Eisverlust in Grönland?
Rund 52 Prozent des Eisverlustes in Grönland kommen dadurch zustande, dass Eis an der Eisoberfläche abschmilzt und Schmelzwasser abfließt. Die übrigen 48 Prozent des Eisverlustes entstehen durch die zunehmende Fließgeschwindigkeit der Gletscher und dem zunehmenden sogenannten Kalben am Meer. Das heißt, dass Eis in großen Stücken von einem Gletscher abbricht und ins Meer fällt.
Prozess aus Eisschmelze und Meeresanstieg beschleunigt sich
Während von 1992 bis 1997 pro Jahr etwa 18 Milliarden Tonnen Eis schmolzen und ins Meer flossen, waren es 2012 bis 2017 jährlich rund 239 Milliarden Tonnen und damit etwa das 13-fache. 2011 war die Eisschmelze am größten: 335 Milliarden Tonnen Eis flossen ins Meer ab. Im darauffolgenden Jahr 2012 verlangsamte sich der Prozess wieder, weil sich die Luftdruckverhältnisse über dem Nordatlantik veränderten. Bei gleichbleibender Entwicklung wird die Eisschmelze in Grönland bis zum Jahr 2100 rund 20 Zentimeter zum Anstieg des Meeresspiegels beitragen.
"Die unterschiedlichen Messverfahren, die in der Studie zusammengeführt werden, liefern übereinstimmende Ergebnisse. Wir können also die Eismassenverluste Grönlands zuverlässig quantifizieren. Diese tragen circa 22 Prozent zum derzeitigen globalen Meeresspiegelanstieg bei und bewirken auch, dass sich der Anstieg beschleunigt", Professor Martin Horwath, Technische Universität Dresden.
Überschwemmungen bis Ende des Jahrhunderts
Hält der aktuelle Trend an, werden gegen Ende des Jahrhunderts jedes Jahr rund 100 Millionen Menschen in Küstenregionen von Überschwemmungen betroffen sein, sagt Studienleiter Andrew Shepherd von der University of Leeds. Diese Zahl steigt auf insgesamt 400 Millionen Menschen, wenn man Eisverluste in der Antarktis einrechnet - entspricht Grönland-Eis doch nur etwa zwölf Prozent des Antarktis-Eises. Das Eis am Südpol schmilzt langsamer als das in Grönland.
Weitere Sendung:
- nano, 13.12.2019, ab 16.00 Uhr in ARD alpha