Gelegentlich veröffentlicht BR24 Aufrufe von Vermissten, vor allem von Kindern und Jugendlichen. Ein solcher Artikel vom Juni über einen verschwundenen 14 Jahre alten Jungen aus Unterfranken erzeugte auf Facebook viele Reaktionen, über 2.000 Mal wurde der Post geteilt. In den dazugehörigen Kommentaren äußerten einige Nutzer das Gefühl, dass Meldungen über Vermisste in letzter Zeit vermehrt auftauchten: "Kommt es nur mir so vor, als ob sich die Anzeigen von vermissten Kindern häufen?", will zum Beispiel eine Nutzerin wissen. Die Antworten darauf reichen von: "Das liest man in letzter Zeit doch öfters" bis "Nein… gefühlte Wahrheit".
Zahlen von Vermissten nicht vergleichbar
Das bayerische Landeskriminalamt bestätigt, dass sich die Zahl der als vermisst Gemeldeten tatsächlich erhöht habe. Doch das hat einen Grund: In den vergangenen Jahren habe sich die Statistik vor allem wegen der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge stark verändert, erklärt Sprecher Ludwig Waldinger. Vergleichen kann man die Werte mit den Vorjahren deshalb kaum.
Geflüchtete Kinder und Jugendliche teils mehrfach registriert
Wenn geflüchtete Kinder oder Jugendliche in Bayern im Jugendamt oder einer Aufnahmeeinrichtung registriert wurden und zum Beispiel nach Berlin weiterfahren, können sie dort - vor allem wenn sie keine Papiere bei sich haben - erneut registriert werden, wie der LKA-Sprecher erklärt. In Bayern würden sie aber weiterhin als vermisst geführt. Dasselbe geschehe mit Kindern oder Jugendlichen, die zu Familienangehörigen - auch ins europäische Ausland - gezogen sind.
Anstieg von vermissten Jugendlichen und Kindern 2015 und 2016
Wurden im Jahr 2014 ungefähr 160 Kinder gemeldet, die länger als drei Tage vermisst wurden, waren es ein Jahr später schon über 410. Seitdem ging die Zahl wieder zurück auf etwa 280 (im Jahr 2016) und 150 Kinder (2017). Bei den Jugendlichen sah es ganz ähnlich aus: Im Jahr 2015 wurden fast 4.800 Verschwundene registriert, im vergangenen Jahr waren es dann etwa 3.000 Jugendliche.
Fast alle Verschwundenen tauchen bald wieder auf
Die meisten dieser gemeldeten Kinder und Jugendlichen tauchten aber nach wenigen Stunden wieder wohlbehalten auf, so der LKA-Sprecher. Unfälle oder Straftaten passierten hingegen selten. Im Fall des 14-Jährigen teilte die Polizei allerdings wenige Tage später tragischerweise mit, sie habe den Jungen tot in einem Steinbruch gefunden. Sie gehe von einem Unfall aus.
Kinder verschwinden wegen Sorgerecht
Immer wieder verschwinden Kinder auch, wenn sich Eltern um das Sorgerecht streiten. Häufig wüssten die Behörden dann, wo sich das Kind befinde, dass es zum Beispiel von einem Elternteil unrechtmäßig in ein anderes Land gebracht wurde, sagt Waldinger. Das Kind gelte aber weiterhin als vermisst.
Initiative: nicht mehr Vermisste
Dass mehr Kinder oder Jugendliche in letzter Zeit verschwinden - die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge ausgenommen - glaubt LKA-Sprecher Waldinger übrigens nicht. Das Landeskriminalamt führt seit 1972 eine Statistik dazu.
Den Eindruck teilt die Initiative Vermisste Kinder: "Wir haben nicht das Gefühl, dass es mehr geworden sind", sagt Mitbegründer Carl Bruhns. Der Hamburger Verein betreut Angehörige deutschlandweit und arbeitet bei der Suche eng mit der Polizei zusammen. Er verbreitet Suchaufrufe an U-Bahnhaltestellen, öffentlichen Plätzen und im Internet. Mit der Facebook-Seite "Deutschland findet euch" erreiche die Initiative "schnell mal eine Million Leute", sagt Bruhns. Einige vermisste Kinder seien mithilfe des Sozialen Netzwerks schon gefunden worden.
Fazit:
Man kann nicht genau sagen, ob es innerhalb der vergangenen Jahre mehr vermisste Kinder und Jugendliche in Bayern gab. Durch die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge ist vor allem in den Jahren 2015/16 die offiziell erhobene Zahl des Landeskriminalamts deutlich angestiegen. Besonders aussagekräftig ist die Zahl im Vergleich zu den Vorjahren deshalb nicht. Das LKA und die Initiative Vermisste Kinder, die sich täglich mit der Thematik befassen, können keinen Anstieg feststellen.