"Operation Stige" hieß der massive Schlag gegen gegen den `Ndrangheta-Clan Farao-Marincola Anfang des Jahres. Es gab 169 Festnahmen. Die meisten, 155, auf italienischem Boden, aber auch 14 in Deutschland. "Stige" ist das italienische Wort für Styx - so heißt ein Fluß der Unterwelt in der griechischen Mythologie.
Mit der Großrazzia gegen die italienische Mafia ist deutlich geworden: die kriminelle Unterwelt hat sich tief im Wirtschaftsleben festgesetzt. "Sie sind eine Wirtschaftsmacht", sagt Nicola Gratteri, Antimafia-Staatsanwalt in Catanzaro in Süditalien.
Italiens Mafia investiert in deutsche Immobilien
Schutzgelderpressung, Frauenhandel, Schleuserei, Drogen: Kriminalität schafft illegale Einnahmen und die werden in die legale Wirtschaft geschleust. Auch in Immobilien, wie die "Operation Stige" offenbart: es tauchen vier Beschuldigte in den Ermittlungen auf, die für "bestimmte Investitionen in Immobilien“ ("specifici investimenti in proprietà immobiliari”) zuständig sind. Und auch bei einer Telefonüberwachung während einer anderen Anti-Mafia-Operation stoßen die italienischen Ermittler auf eine Spur über Investitionen in deutsche Immobilien.
BR-Recherchen auf Basis zahlreicher offizieller Berichte aus Italien, vom EU-Parlament und der EU-Kommission, belegen alle: die italienische organisierte Kriminalität investiert ihr Geld in Deutschland, auch in Immobilien. Auf BR-Anfragen bei deutschen Ermittlungsbehörden und Ministerien, wo die Mafiagelder investiert sind, heißt es mal, man habe keine Erkenntnisse. Mal aber auch, es seien Investitionen in Immobilien bekannt. Wie kann die Mafia hier ungehindert investieren?
Warum die BRD ein beliebter Anlageort für kriminelles Geld ist
Der Bayerische Verfassungsschutz beobachtet die Italienische Organisierte Kriminalität, kurz IOK, seit Jahren. Der Präsident Burkhard Körner weist auf deren astronomisch hohen Jahres-Umsätze hin: 140 Milliarden Euro. Deutschland sei als Anlageort attraktiver als Italien, wegen stabilerer Verhältnisse und auch wegen höhrerer Renditen im Immobilienbereich. Und es gibt unterschiedliche Rechtssysteme, die die Anlage von Mafia-Geldern in Deutschland begünstigen.
"Es gibt in Deutschland eine kleine Beweislastumkehr, die allerdings nicht so weit geht wie in Italien. In Italien muss die Legalität des Geldes nachgewiesen werden. Das ist in Deutschland nicht der Fall, sondern da müssen erstmal Tatsachen vorhanden sein, die für die Illegalität des Geldes sprechen, bevor dieses eingezogen werden kann. Und deswegen ist es sehr schwer für uns, für die Polizei auch, kriminell erlangtes Geld und legal erlangtes Geld voneinander zu trennen, und die kriminelle Herkunft letztlich auch nachzuweisen." Burkhard Körner, Präsident Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz
Und es gibt weitere Unterschiede: In Italien dürfen Gespräche der Mafia abgehört werden. In Deutschland fast nie. In Italien muss der Investor nachweisen, dass das Geld aus einer legalen Quelle stammt. In Deutschland fast nie. Schon Mitglied der Mafia zu sein ist in Italien strafbar. In Deutschland nicht.
136 Personen mit Mafiaverbindung in Bayern
Auch für den Bayerischen Landtag ist die Mafia kaum ein Thema. Auf Anfrage an die Staatsregierung erfuhr die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze zwar nichts über Investitionen, aber über die große Zahl der Personen mit Mafiabezug im Freistaat. "Ich fand es erschreckend und auch richtig krass, dass wir 136 Mafiosos in Bayern haben, mit dauerhaftem Wohnsitz", so Schulze.
136 Personen gibt es, die die Sicherheitsbehörden als gefährlich einstufen. Einige von ihnen mischen im Immobiliengeschäft mit: das sagt ein Informant, den wir in München bei unseren Recherchen für das BR-Magazin mehr/wert treffen. Er kennt einen Teil der Szene im süddeutschen Raum. Die Mafia kaufe Wohnungen und lege Geld in Immobilienfonds an.
Experte aus Rom warnt
Francesco Forgione, der ehemalige Vorsitzende der Anti-Mafia Kommission im italienischen Parlament, appelliert dringend an Deutschland, die Kapitalströme zu untersuchen. Denn nach seinen Informationen haben italienische Clans in Deutschland in private - und Gewerbeimmobilien gigantisch hohe Beträge investiert.
"Wenn wir das nicht angehen, dann passiert doch folgendes: Da gibt es Länder, die zwar keine Steuerparadiese sind, aber die Bedingungen schaffen, mit denen es für die Mafia einfacher ist, ihre Gelder zu investieren. Die verlassen den kriminellen Kreislauf und werden dann sozusagen 'legal'. Wir müssen da sehr aufpassen. Denn das Risiko besteht darin, dass innerhalb weniger Jahre der kriminelle Ursprung dieser Gelder sich verliert und diese Gelder völlig 'reingewaschen' werden." Francesco Forgione, Ex-Vorsitzender der Anti-Mafia Kommission im italienischen Parlament
Wenn kriminelle Organisationen auf dem Wohnungsmarkt mitbieten, können Bürger kaum mithalten. Das Europäische Polizeiamt macht die organisierte Kriminalität für steigende Wohnungspreise mit verantwortlich.
Bayerischer Verfassungsschutz sieht Angiff auf Staatswesen
Kriminelles Geld in der legalen Wirtschaft: für den Verfassungsschutz ist das ein Angriff auf die freie Marktwirtschaft und noch viel mehr.
"Dadurch werden natürlich durch solche parallelen Strukturen die Grundrechte der Bürger gefährdet. Und letztlich ein Staatswesen getragen durch Gewalt, durch Korruption geschaffen, das mit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht in Einklang zu bringen ist." Burkhard Körner, Präsident Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz
Die "Operation Stige", die groß angelegte Razzia gegen die organisierte Kriminaliät, hat gezeigt: Italiens Ermittler wollen Geldwäsche unterbinden. Doch solange es deutschen Behörden nicht gelingt, Mafia-Investitionen zu verhindern, bleiben deutsche Immobilien ein Anziehungspunkt für kriminelles Geld. Und das geht auch zu Lasten der Bürger.