Im April 1945 war Maria Schönsteiner 14 Jahre alt. Sie wohnte mit ihrer Familie auf einem Einödhof in der Nähe von Schwaighausen, heute Teil der Gemeinde Lappersdorf. Die SS trieb Hunderte KZ-Häftlinge direkt an ihrem Hof vorbei, für das Mädchen ein Schock. Sie sieht, dass die Häftlinge einen Karren ziehen müssen, auf dem Leichen liegen. Sie sieht, dass die Menschen halb verhungert sind, wie einer taumelt. "Schon ist da ein Soldat, so ein SS-Soldat, hingegangen, mit dem Hund. Der Hund hat den rausgerissen von der Reihe, und dann haben sie den Mann gepackt und bei uns am Weg hingeworfen, wo es zum Hof reingeht", erinnert sich Schönsteiner. Der Soldat habe den Mann dann so schwer verprügelt, bis das Opfer gestorben sei.
Es sind Häftlinge aus dem KZ Hersbruck. Weil die US Armee im Frühjahr 1945 überall in Bayern auf dem Vormarsch ist, treibt die SS alle Insassen aus den Konzentrationslagern auf Todesmärschen Richtung Süden. Aus Hersbruck machen sich rund 3.000 Menschen auf den Weg, zu Fuß, in fünf Kolonnen. Ab dem dritten Tag bekommen nur noch die Bewacher zu essen, die Häftlinge müssen hungern. So kommen sie in Schwaighausen und Hainsacker, zwei Dörfern der heutigen Gemeinde Lappersdorf, an.
"Im Dorf sind einige erschossen worden. Häftlinge, die haben beim Bauern Getreidesäcke gefunden, unterm Stroh, Kartoffeln. Die haben sie dann eingesteckt. Und wegen dem sind sie nachher sofort erschossen worden."
Maria Schönsteiner
Traumatische Erinnerungen
Der Vater von Maria Schönsteiner muss mit zwei Pferden den Karren mit den Leichen ziehen. Maria muss einen SS-Mann begleiten, der sich vom Hof Werkzeug ausleiht, um ermordete Häftlinge zu verscharren. Sie sieht, wie der Soldat drei Leichen am Waldrand vergräbt. Tage später weht der Wind Leichengeruch über ihren Hof – die Gräber sind so flach, dass Leichenteile an die Oberfläche kommen. Als die US Armee einrückt, zwingt sie örtliche Nazis, die Leichen zu exhumieren und ordentlich auf dem Gemeindefriedhof zu begraben.
Für Maria Schönsteiner sind die Verbrechen, die sie gesehen hat, ein Trauma – über das aber weder sie noch andere in Lappersdorf nach dem Krieg offen sprechen.
"Jeder hat's gewusst, und keiner hat was gesagt (...) Ich kann das nicht vergessen. Das kommt immer wieder, ich seh den Zug, die Leut kommen, wie die armselig da herauf gewandert sind den Weg."
Maria Schönsteiner
Gedenken an die Opfer
Heimatforscher und lokale Historiker haben sich in den vergangenen Jahren darum bemüht, die Geschichte des Todesmarsches durch Lappersdorf zu dokumentieren. Sie haben der Gemeinde den Vorschlag gemacht, Denkmäler aufzustellen. Gestern wurden zwei Mahnmale feierlich eingeweiht – und viele aus dem Dorf waren dabei.
Die Mahnmale sollen wie Wegzeiger wirken, und damit den Todesmarsch symbolisieren. Der hölzerne Querbalken auf dem Stein weist nach unten – Symbol für die vielen Toten, die die Nazis auf dem Gewissen haben. Das ist es auch, was die Gemeinde mit den Mahnmalen bezwecken will, so Bürgermeister Christian Hauner: Erinnerung an die Opfer, damit solche Verbrechen nie wieder passieren.