Flüchtlinge, die sich wegen mutmaßlicher Mitgliedschaft in einer Terrororganisation selbst anzeigen: In diesem Jahr waren es 89 Fälle, im vergangenen Jahr insgesamt 243. Zahlen der Generalstaatsanwaltschaft München, in der seit Anfang 2017 die für ganz Bayern zuständige Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus angesiedelt ist.
Aiwanger fordert unverzügliche Abschiebung
Immer wieder fallen den Ermittlern auch Fälle mit Flüchtlingen auf, die sich selbst bezichtigen, Teil einer Terrororganisation gewesen zu sein. Sie wollen für die Taliban in Afghanistan oder Boko Haram in Nigeria gekämpft haben. Die Frage ist allerdings, ob diese Selbstanzeigen wirklich der Wahrheit entsprechen. Einige Stunden nach Veröffentlichung der aktuellen Zahlen zu den Selbstbezichtigungsfällen in Bayern fordert der Vorsitzende der Freien Wähler, Hubert Aiwanger:
"Wenn sich innerhalb von drei Monaten in Bayern 89 Zugewanderte selbst als Angehörige einer Terrororganisation bezeichnen, ist das mehr als alarmierend. Eine solche Erkenntnis muss zur unverzüglichen Abschiebung führen und nicht etwa noch zur Verzögerung wegen gerichtlicher Ermittlungen. Dafür hat die Bevölkerung zu Recht Null Verständnis." Hubert Aiwanger, Freie Wähler
Dabei ist die Lage viel komplexer. Denn über die Motive zur Selbstanzeige kann nur spekuliert werden. Angaben zur Mitgliedschaft in einer Terrororganisation können eine aufschiebende Wirkung auf den Asylantrag eines Flüchtlings haben. Wenn die von ihm gemachten Aussagen schlüssig und plausibel sind, müssen die Strafverfolgungsbehörden dem Fall nachgehen, sagt eine Sprecherin vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
Wollen Flüchtlinge subsidiären Schutz?
Georg Freutsmiedl, Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus, hat dem Bayerischen Rundfunk schon Anfang des Jahres zu den Selbstanzeigen berichtet: "Wir müssen immer aufklären, ist die Straftat jetzt begangen oder gibt der das zum Schein an, um sich hier einen Aufenthaltstitel zu erschleichen." Möglicherweise zeigen sich Flüchtlinge also an, weil sie auf den sogenannten subsidiären Schutz spekulieren.
Diesen erhalten Menschen, die nicht unter die Genfer Flüchtlingskonvention oder das deutsche Grundrecht auf Asyl fallen. Sie müssen zunächst nicht in die Heimat zurück, etwa weil ihnen dort wegen Mitgliedschaft bei einer Terrororganisation Todesstrafe oder Folter drohen. Sind Flüchtlinge unter Terrorverdacht doch nicht allesamt islamistische Gefährder, also Teil jenes Personenkreises, dem die Behörden einen Anschlag zutrauen? Ermittlungen sind schwierig. Rechtshilfegesuche in instabilen Ländern sind quasi aussichtslos.
Auch islamistische Gefährder geschützt?
Es ist durchaus vorstellbar, dass auch islamistische Gefährder in Deutschland leben, die nicht abgeschoben werden können – und das obwohl sie zum Beispiel auf Terrorlisten geführt werden. Solche Fälle werden dann aber meist streng überwacht, ihre Bewegungsfreiheit ist extrem eingeschränkt. Selbst den Weg zum Zahnarzt müssen sie sich genehmigen lassen. Smartphone und Notebook sind tabu. (Autor: Joseph Röhmel)