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Warten auf ein Urteil

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Was ein Dieselfahrverbot in der Praxis bedeuten würde

Was ein Dieselfahrverbot in der Praxis bedeuten würde

In welchem Umfang müssen Diesel künftig den Straßen fernbleiben? Das Bundesverwaltungsgericht vertagte die Entscheidung. Sie könnte eine Zäsur im Transportwesen bedeuten - mit wirtschaftlichen Folgen für viele Unternehmer. Von Tom Fleckenstein

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6.39 Uhr am Park-and-Ride-Platz in Neuperlach: Wolfgang Stich lässt sein Auto stehen und steigt in die U-Bahn. Jeden Morgen muss Stich von Bad Feilnbach zu seinem Arbeitsplatz im Norden Münchens gelangen. Eine Strecke von rund 70 Kilometern. Mit dem Auto dauert das ein bis zwei Stunden - je nach Staulage.

Für einen Teil der Strecke nutzt Stich öffentliche Verkehrsmittel. Sein Arbeitgeber unterstützt das finanziell mit dem Jobticket. So kommt er oft schneller ans Ziel, als das mit dem Wagen der Fall wäre - und entspannter.

Unternehmer: Es fehlt an passenden E-Transportern

Bäckermeister Martin Ziegler wäre von einem Fahrverbot besonders betroffen. in München-Moosach beliefert er das ganze Stadtgebiet. Neun Dieseltransporter zählen zu seinem Fuhrpark. Viele davon erst in den letzten Jahren erworben. Was ein Fahrverbot für ihn wohl bedeuten würde? Das, sagt er, wäre schlimm: "wir wissen gar nicht, wie wir unsere Filialen dann beliefern sollten."

Ziegler hat sich bereits nach anderen Lösungen umgesehen. Doch die derzeitigen Angebote auf dem Markt seien für ihn nicht sinnvoll. Das betreffe sowohl den Laderaum, der bei Transportern mit Elektroantrieb noch zu klein sei, als auch teilweise deren Reichweite. 

Hälfte aller Handwerksbetriebe betroffen

München zählt rund 92.000 Betriebe und Unternehmen. Davon 21.600 Handwerksbetriebe. Die Hälfte davon ist laut Handwerkskammer existenziell abhängig von ihrem Dieselfuhrpark.

Die Stadt München hat schon vieles unternommen, um die Luft sauber zu halten: Ein Durchfahrtsverbot für LKWs, eine Umweltzone im Zentrum sowie Tempolimits. Und dennoch: An der Landshuter Allee wurden die Grenzwerte der EU für Stickoxid um das Doppelte überschritten. 

Ausnahmeregelungen vorgesehen

Stadt und Kommunen stecken im Dilemma: Bei aller Gesundheitsvorsorge darf die Wirtschaft nicht erlahmen. Für die ist der Zweite Bürgermeister zuständig. Er lehnt pauschale Dieselfahrverbote ab:

"Uns wär's viel lieber, wenn wir einen geordneten Rechtsrahmen bekommen, durch eine Fortschreibung der Umweltzone, wo dann eben auch Übergangsfristen und Ausnahmetatbestände definiert werden können." Josef Schmid, Zweiter Bürgermeister der Stadt München

Ein solcher Regelrahmen könnte heißen: eine blaue Plakette mit Einfahrt für Diesel ab der Schadstoffklasse 6 sowie Ausnahmen und Übergangsfristen, vor allem für Gewerbetreibende. Doch dafür fehlt derzeit das grüne Licht vom Bund.

Mehr Anreize für Umsteiger erwünscht

Die Landeshauptstadt hat ehrgeizige Ziele, zumindest langfristig: bis 2025 soll der Verkehr zu 80 Prozent mit E-Mobilität, ÖPNV sowie Fuß- und Radverkehr bestitten werden.

Und Pendler Wolfgang Stich? Er gehört zu den aktuell 355.000 Pendlern, die täglich in die Landeshauptstadt strömen. Seinen Diesel mit der Schadstoflasse 5 hat er sich noch im guten Glauben gekauft. Jetzt macht er sich Sorgen, ob er auch noch in Zukunf in die Stadt pendeln kann.

"Auf lange Frist, ja, werd' ich wahrscheinlich nicht mehr reinkommen. Wäre schade. Man hat'n vermeintlich Schuldigen gefunden und auf dem wird jetzt rumgehackt." Wolfgang Stich, Entwicklungsingenieur

Ein Dieselfahrverbot lehnt der Ingenieur ab. Er wünscht sich mehr Anreize für Fahrer, auf umweltfreundlichere Techniken umzusteigen. An solchen fehle es. Auch sei für ihn schon jetzt klar: Sein nächstes Fahrzeug werde ein Hybridwagen einschließlich Elektromotor sein.