Die Koalitionsverhandlungen begannen so wie die Sondierungsgespräche aufgehört hatten: mit einer Marathonsitzung. Erst gegen 2 Uhr morgens gab der parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Michael Grosse-Brömer, das Schluss-Statement im Namen der drei Parteien ab. Es werde „um Lösungen gerungen“.
"Die Arbeit und die Diskussion geht weiter. Vielleicht nicht immer bis zu solchen Uhrzeiten, aber jedenfalls ist der feste Wille vorhanden, Lösungen zu finden." Michael Grosse-Brömer, parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Fraktion
Streit um Familiennachzug
Der Grund für die überlange Sitzung war der Streit über den Familiennachzug zu Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutz. Die SPD will zusätzliche Härtefälle, in denen der Nachzug von Ehepartnern oder Kindern erlaubt wird. Die Union, vor allem die CSU möchte nicht über den Kompromiss aus den Sondierungen hinaus: Familiennachzug für maximal 1000 Menschen pro Monat.
Weder die zuständige Arbeitsgruppe noch die 15-köpfige Spitzenrunde fanden einen Kompromiss. Bereits am Nachmittag soll es einen Schlagabtausch zwischen SPD-Vize Ralf Stegner und CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer gegeben haben. Verhandlungskreisen zufolge griff Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, CDU, schlichtend ein.
Noch Spielraum bei Härtefällen?
Bouffier war es auch, der heute im Morgenmagazin von ARD und ZDF ein Entgegenkommen der Union andeutete. Er verhandelt das Thema für die CDU – und sprach von „wenig Spielraum“, um der SPD entgegenzukommen, nicht von „keinem Spielraum“. Zwar will er an der Größenordnung von 1000 Menschen pro Monat nicht rütteln – möglicherweise aber an den Regeln für Härtefälle.
"Wir haben heute schon eine Härtefallregelung. Die steht im Gesetz. Da kann man jetzt sagen, das ist uns nicht hinreichend, dann muss man darüber reden." Volker Bouffier, CDU, Ministerpräsident von Hessen
In der „Passauer Neuen Presse“ forderte Bayerns CSU-Innenminister Joachim Herrmann die SPD auf, „einen Vorschlag zu machen, wie sie sich die Ausgestaltung beim Thema Familiennachzug konkret vorstellt“. Er beharrte jedoch auf der Gesamt-Zielmarke von maximal 220.000 Menschen pro Jahr bei der Aufnahme von Flüchtlingen.
Weitere Streitpunkte auf der Tagesordnung
Heute soll die Arbeitsgruppe weiter nach einer Lösung suchen. Zum ersten Mal treffen sich außerdem die Experten für Gesundheit und Arbeit. Auch hier könnte es haken, da die SPD nachverhandeln will.
Um die „Zwei-Klassen-Medizin“ zu beenden, will die SPD die Angleichung der Arzthonorare für gesetzlich und privat Versicherte. Außerdem will sie die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen abschaffen. Beides lehnen CDU und CSU bisher ab. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil gab sich im Morgenmagazin dennoch zuversichtlich, dass man mit der Union etwas erreichen könne.