Zigarette im Mundwinkel, großer Schnauzbart, Sonnenbrille – das ist Deniz Yücel, wie ihn deutsche Medien immer wieder auf Fotos zeigen. Der ARD-Hörfunk-Journalist Mehmet Uksul hat Yücel immer wieder bei der Arbeit in Istanbul getroffen:
"So, wie ich ihn kennen gelernt habe, ist Deniz Yücel schon jemand, der seinen Beruf mit Leidenschaft gemacht hat. Alles andere als hektisch – ruhig, gelassen, cool." ARD-Hörfunk-Journalist Mehmet Uksul
Den türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu dagegen nervt dieses Image des prominentesten deutsch-türkischen Gefangenen in seinem Land:
"Deniz Yücel kannte doch früher keiner. Jetzt ist er in Deutschland zum Helden geworden. Es gibt 2.000 Türken, die in Deutschland im Gefängnis sitzen. Stelle ich wegen denen irgendwelche Forderungen?" Türkischer Außenminister Mevlüt Cavusoglu
Yücel war in der Türkei schon öfters negativ aufgefallen
Der 44-jährige Journalist war aber auch früher schon unbequem für die türkische Regierung. 2013 kam er nach Istanbul, um über die Gezi-Park-Proteste am Taksim-Platz zu berichten – kritisch, sehr kritisch. Damals schrieb er noch für die links gerichtete „taz“. 2015 wechselte Yücel dann als Türkei-Korrespondent zur eher konservativen Tageszeitung „Welt“.
Er interviewte auch einen PKK-Anführer. Die kurdische PKK gilt in der Türkei als Terrororganisation. Yücel hatte keine Arbeitserlaubnis als Journalist. Damit war er für die türkische Regierung auch kein Journalist, sondern ein Terrorrist - und Agent. So hat ihn zumindest Präsident Recep Tayyip Erdogan nach seiner Verhaftung genannt.
Yücel-Bekannte halten Terror-Vorwürfe für vorgeschoben
Die Istanbuler Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Oya Baydar kennt Yücel gut:
"Es gibt nicht den geringsten Grund, dass er in Haft sitzt, nicht einen einzigen kleinen Grund. Aber Erdogan hat ihn als Agenten bezeichnet, ihn mit der PKK in Verbindung gebracht. Nur - es liegt absolut nichts gegen ihn vor. Deniz Yücel ist nicht so einer. Ich kenne ihn seit seiner Kindheit noch aus Deutschland." Türkische Journalistin und Menschenrechtsaktivisitin Oya Baydar
Manche sagten, er sah am Anfang im Gefängnis fast erholter aus, als draußen. Mehr Schlaf, keine Zigaretten.
Einzelhaft - sogar auf dem Fußballplatz
Seine Frau Dilek Mayatürk Yücel kann ihn einmal im Monat für eine Stunde besuchen:
"Er ist immer beschäftigt, beim Lesen, beim Schreiben, aber was er schlimm findet: Er ist immer allein. Er macht allein Sport – es gibt dort auch einen Fußballplatz, da darf er hin gehen – aber allein." Dilek Mayatürk Yücel, Ehefrau
Monatelang war er in Isolationshaft. Kurz vor Weihnachten wurde die dann gelockert. Die Anwältin Deniz Yildirim ist ebenfalls Deutsch-Türkin und saß selbst, wie Yücel, wegen Terrorvorwürfen in der Türkei im Gefängnis. Nachdem sie rauskam, hat sie ihn vor kurzem besucht. Als Anwältin bekam sie schneller Zugang. Eineinhalb Stunden haben sie geredet:
"Über seine Akte haben wir geredet, die politische Zukunft dieses Landes. Weiterhin über die politische Situation und über seine Kontakte nach draußen – er ist ein herzoffener Mensch, sehr lebhaft…" Anwältin Deniz Yildirim
…und gerne auch ironisch. Als der türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu sagte, er sei nicht glücklich darüber, dass es in Yücels Fall noch keine Anklage gibt, da antwortete er aus dem Gefängnis raus, das habe ihn bekümmert. Er wolle nicht, dass Cavusoglu seinetwegen unglücklich ist:
"Den Humor, den er nach außen getragen hat, so wie er ist, von seiner äußeren Ausstrahlung her - das passt zu ihm." ARD-Hörfunk-Journalist Mehmet Uksul.
Ironische Kommentare zur türkischen Politik
Yücel hat sich auch im Gefängnis offensichtlich nicht einschüchtern lassen. Die Isolationshaft nennt er eine Foltermethode, die türkische Justiz bezeichnet er ironisch als die unabhängiste „wo gibt von ganze Welt“. Es sei eine Lüge, dass die türkische Regierung in seinem Fall nur Beobachter sei. Mesale Tolu formulierte es am Abend ihrer Freilassung in Istanbul im Dezember so:
"Wir sind Journalisten, die dem Staat ein Dorn im Auge sind. Ich bin heute zwar frei, aber natürlich erwarte ich, dass Deniz Yücel auch frei kommt." Freigelassene Journalistin Mesale Tolu
Er verlangt einen fairen Prozess in der Türkei. Frei kommen alleine reicht ihm nicht – wobei er schon weiß, was er macht, wenn er raus kommt: seine Frau und Freunde umarmen – und sich eine Zigarette anzünden.